Karneval Wenn Karneval wieder politisch wird: 1100 Jecken feiern Rosa Sitzung in Trier (Fotos)

Trier · Friede, Freude, homosexuelle Eierkuchen. 1100 Tunten, Schwule, Lesben und Heteros feiern im Messepark bei der 21. Rosa Sitzung. Gesellschaft, Regierung, Vaterland, zieht euch warm an! Jetzt wird es schwul! Trier, Maju!

Rosa Sitzung in Trier
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Foto: TV/Clemens Sarholz

Es hängt goldenes Lametta von der Decke. Drachenköpfe schauen auf das Publikum. Die Deko unterstreicht das Motto. Für „Queere Jagd nach dem Gold der Maju“ hat sich die Schmit-Z-Family dieses Jahr entschieden. Dschungelartiges Gedöns springt einem ins Gesicht und verwandelt die Messeparkhalle in den Moselauen in die Welt von Indiana Jones und Tomb Raider.

Und so steigt Mark Hummel auf die Bühne und intoniert in schillernden Farben – sowohl im Fummel als auch im Timbre: „Ich hab Indiana Jones gesehen, ich sah ihn an der Porta stehen, den Domstein rutschte er herab und hielt die Trierer schwer auf Trab“. Dabei wirbt er sympathisch für Toleranz. Wer für Fummel-Hummel einen passenden Namen wüsste, der solle ihn der Sitzungspräsidentin Prissy (Stefan Grandadam) doch bitte über Facebook schicken.

Prissy ist für das Abschmecken der Show da und würzt mit Bonmots: „Gold, Gold, Gold, Bier ist auch Gold, ich muss unbedingt was trinken“, sagt sie und moderiert spontan, aus der Situation heraus.

Europa (Klaas Michel) schreitet in die Bütt. In der „Politisch Red“ geht es um alltägliche Leichen aus den Kellern: „Umwelt hin und Umwelt her, etwas, das bedrückt mich sehr, was mich wirklich bekümmert, sie wird von uns selbst zertrümmert.“ Damit übt die Europa Kritik an SUV-Fahrern und an Leuten, „die mit 160 Sachen die Autobahn zur Rennbahn machen“.

Was im geschriebenen Wort seine Wirkung schwer entfachen kann, wird im Messepark mit gespitzten Ohren wahrgenommen und mit langem Beifall quittiert - solche Reden gibt es leider selten im Trierer Karneval. Doch zum Glück herrscht in der Hemisphäre (oder Homosphäre?) der Rosa Sitzung eine andere Gravitation als außerhalb, so darf dort auch über den nationalen Rechtsruck gelacht werden: „Ich wäre lieber mit dem Höcke und dem Gauland auf den Obersalzberg gefahren. Das wäre wirklich Urlaub gewesen.“ So persifliert Kerstin Wiwie die AFD-Politikerin Alice Weidel, die dummerweise mit Andrea Nahles (Caro Hermes), Annegret Kramp-Karrenbauer (Maria Arvanitis) und Angela Merkel (Nicole Kellermann) in einer Schwitzhütte gelandet ist. „Du alte Nazischlampe“ kann sich Nahles nicht verkneifen. „Links-grün versifftes Abfallprodukt“, ist die Antwort. Die Welt erscheint wie sie ist: schlecht, aber deswegen nicht gleich ernst.

Zwischendurch kommt das Konzer Prinzenpaar – Confluentia Karin I. und Prinz Rainer I. vom KC Roscheid – vorbei, lässt seine Garde tanzen und bringt der Präsidentin ein Gastgeschenk mit. „Seitensprung prickelnd“, liest sie vor, was auf der Flasche steht. „Ach, diese Heterosexuellen halt“, kommentiert Prissy in schwulstem Singsang. Der ganze Abend besteht aus Statements.

Ob die Sängerin Coremy von der Existenzberechtigung ihrer Beinhaare singt oder Marco Kimmlingen eine Ode auf Trier-West und seine Bewohner abliefert: Bei der Rosa Sitzung findet man die Avantgarde des bedingungslosen Freiheitsgedankens.

So schmieden ein paar alte Damen auf der Bühne originelle Pläne: „Das müssen Millionen sein“, sagt die eine, die in Mexiko von Drogendealern entführt worden ist. Sie probiert weißes Pulver, das auf einem Tisch liegt. „Kokain, feinste Qualität, aber nicht mehr ganz frisch.“

„Ach, Schnee von gestern also“, stellt eine Leidensgenossin fest. „Das verkaufen wir, wenn wir hier rauskommen, und sanieren das Theater und die Tufa.“ Die Rosa Sitzung ist eine der inzwischen seltenen Kappensitzungen, bei denen der Obrigkeit noch der Spiegel vorgehalten wird, Büttenredner den Zeitgeist hinterfragen und Narren eine Welt im Blick haben, die sie verändern möchten. Hier wird der Karneval wieder politisch.

Trier, Maju!

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