Cool und giftig in der Bütt: Die KG Heuschreck 1848 zeigt eine der stärksten Shows seit Jahren

Trier · Triers älteste Karnevalsgesellschaft wird immer jünger und frecher - in der Wahl ihres Mottos ebenso wie in der Bütt. Als die KG Heuschreck am Samstag die Rock’n’Roll-Party ausrief, tanzte auch CDU-Landeschefin Julia Klöckner mit und erlebte, wie auf der Bühne ein neuer Stern aufging.

Trier. Julia Klöckner und Malu Dreyer, die beiden großen politischen Konkurrentinnen in Rheinland-Pfalz, zusammen als Gäste in einer Karnevalssitzung - welch eine großartige Show würde das werden. Doch ein solches Gipfeltreffen ist auch den Heuschrecken offenbar zu heiß. Deshalb wird Ministerpräsidentin Dreyer erst zur zweiten Sitzung am kommenden Freitag erwartet. Julia Klöckner dagegen erlebt am Samstagabend eine starke Premiere zusammen mit 650 feiernden Narren in der vollen Europahalle.
Rock'n'Roll ist das Thema der KG Heuschreck 1848. Sie werden immer jünger und fetziger, diese Themen - unvergessen die geniale Horror-Show des Jahres 2014. Ebenso wie damals die Grüfte und Gräber dieser Welt werden jetzt die wilden 50er zur Bühne scharfer Pointen.
Das Duo Andrea Ley und Jakob Leonardy kennen die Stammgäste der Heuschrecken schon seit 2013. Auch dieses Mal lässt sich Ley, eine Veteranin der Bütt, vom Nachwuchs auf die Palme bringen - doch dieses Mal gleich doppelt. Jakob ist nicht allein. Marika Leonardy spielt ihre erste Hauptrolle in einer Heuschreck-Bütt als luxemburgische Bäuerin, die in einer Trierer Partnervermittlung landet. Ihr Spiel mit der Sprache und ihre generell urkomische Darstellung als rustikale Traktorpilotin aus dem Ländchen lassen die Europahalle toben. Klar ein neuer Star.
Auch Harald Reusch ist ein Star, nur eben ein klein wenig älter. Der Mediziner und Heuschreck-Präsident wandert wie immer sinnierend über die Bühne und spricht über die große Welt. "Als der Papst mal in die Sauna gehen wollte, hat ihn sein Assistent gewarnt: heute ist gemischt." Kurze Pause. "Da sagte der Papst: Ach, die paar Protestanten verkrafte ich schon."Ungeplante Einlage


Und dann kommt der spannende Moment, in der Reusch die anstehende Landtagswahl und das Aufeinandertreffen der Damen Dreyer und Klöckner thematisiert. "Bei permanentem Lächeln cool und giftig", sagt er dazu und kommt erstmal nicht weiter, denn Klöckner schnappt sich ein Glas, ist mit ein paar Schritten auf der Bühne und sagt "Trink doch erst mal einen Wein." Anschließendes gemeinsames Strahlen ins Publikum. Reusch schwört später in der Pause auf Anfrage des TV: "Das war nicht geplant oder gestellt."
Die bissigen Pointen des Heuschreck-Chors gehören zu den beliebtesten Elementen bei Triers ältester Karnevalsgesellschaft. "AfD und Pegida sind doch der klare Beweis dafür, dass der Hirntod nicht das Ende ist." Die Texte stammen von Gerhard Kress, der selbst auf der Bühne steht - als Angela Merkel, die das Auto gar nicht mag, mit dem Horst Seehofer (Alexander Houben) sie vom Trierer Bahnhof abholt. "Das ist bestimmt ein Opel Pegida. Eine ausländerfeindliche, kleingeistige Retourkutsche."
Rainer Lübeck hat die große und kleine Politik noch nie gebraucht. Seine Bütt ist eine meisterhafte Addition von Mimik, Gestik, meist leicht schiefer Körperhaltung und frivolen Gags. Im Fall eines Sonnenbrands auf den Oberschenkeln hilft Viagra? "Ja, klar", sagt Lübeck. "Dann kommt das Plumeau nicht an die Beine."
Was in Trier politisch und gesellschaftlich los war, nimmt Alexander Houben als Schuhputzer aufs Korn. Interessant: Oberbürgermeister Wolfram Leibe scheint sich bisher offenbar keine Blöße gegeben zu haben, denn er kommt weder in den Schmähgesängen des Heuschreck-Chors noch in Houbens Bütt auch nur ein einziges Mal vor.
Besonders stark in Maske und Bewegung sind dieses Mal sowohl die Rock'n'Roll-Kindergarde als auch das extrem rockige Heuschreck-Ballett. Am Schluss des Programms lauert wie immer Helmut Leiendecker. Sein dadaistischer Vortrag als Rock-Professor lässt sich nicht in Worte fassen. Seine Wirkung dagegen schon: Die Europahalle tobt vor Lachen und tanzt mit der Bloas.

Die Akteure: Kindergarde, Heuschreck-Garde und Ballett (Leitung Reveriano Camil), Mehringer Winzerkapelle, Pratzbähnt, Thomas Kiessling, Heuschreck-Chor (Leitung Stefan May), Alexander Houben (als Sitzungspräsident und mit eigener Bütt als Schuhputzer), Jan Becker, Andrea Ley, Jakob Leonardy, Marika Leonardy, Harald Reusch, Gerhard Kress, Rainer Lübeck, Helmut Leiendecker und die Leiendecker Bloas.

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