Heuschrecken schaffen die Erstbesteigung

Trier · Triers älteste Karnevalsgesellschaft lässt in diesem Jahr "die Alpen glühn". Bergsteiger, fesche Madln, Almbauern und Gebirgsforscher lösen beim Premierenpublikum jodelähnliche Lachanfälle aus. Und die Geschichte des Petrisbergs muss fortan neu geschrieben werden.

 Bis zur Schmerzgrenze (und darüber hinaus): Das Männerballett besticht durch stramme Waden und einen Hauch von Eleganz. TV-Fotos (6): Friedemann Vetter

Bis zur Schmerzgrenze (und darüber hinaus): Das Männerballett besticht durch stramme Waden und einen Hauch von Eleganz. TV-Fotos (6): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier Der erste schwerfällige Schritt auf die Bühne, die müden Augen in die Ferne gerichtet. Dieser Mann hat schon alles gesehen, alles erlebt, vor allem die schlimmen Sachen. Dinge, die sich ein normaler Mensch kaum vorstellen kann und erst recht nicht vorstellen will. Einmal Hölle und zurück, elende Strapazen, der Tod stets nur ein paar Schritte hinter ihm. Wie das so ist als "Radikalextremexzessiv-Bergsteiger". Dahin gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Besteig den Gipfel als Erster - oder lass es gleich bleiben.
Helmut Leiendeckers Problem: Mount Everest, K2, Nanga Parbat - überall war jemand schneller. "Aber aufm Kockelsbersch oder Grünebersch, da woar noch kaanen, in die Lück bin ich rein. Ich hab alle vier Dreihunderter rund um Trier bestiegen - ohne Sauerstoff!" Härter war wohl nur der vierstündige Hochdeutsch-Kurs an der Volkshochschule. Leben am Limit. Den rund 800 Zuschauern in der Europahalle stockt der Atem, bevor sie in brüllendes Gelächter verfallen. "Helms" Beschreibung der Petrisbersch-Erstbesteigung: eine Klasse für sich, dank Trierer Mundart, schauspielerischer Glanzleistung und saukomischer Pointen.
Fünf Stunden zuvor: Wer zu einer Sitzung der KG Heuschreck geht, der weiß: Das wird politisch, das wird bissig, das wird böse. Und das ist richtig professionell gemacht - von den Tanzeinlagen der Kinder- und Jugendgarde, der Garde und des Heuschreck-Balletts (Choreographie: Reveriano Camil) bis zur Musik und den Büttenreden. Themen gibt's ja auch mehr als genug - von der Trierer Kommunal- bis zur Weltpolitik: Theater, Sibelius, Theater, Egger, Theater, Blitzer, AfD, Hahn-Desaster, Trump. Letzterer wird auf der Bühne dargestellt von Gerhard Kress, der an diesem Abend mehr Chamäleon als Heuschrecke ist: als Ex-Intendant Karl Sibelius mit Federboa und auf hochhackigen Stiefeln, als US-Präsident Donald Trump, als Hotelpage mit Wiener Schmäh. Und als Finger-in-die-Wunde-Leger, stammen die bitter-bösen Texte des Heuschreck-Chors doch aus seiner Feder. Der Auftritt gehört traditionell zu den Höhepunkten des Abends, auch wenn der Chor bei der Premiere nicht immer gut zu hören ist.
Für seine politischen Büttenreden ist Harald Reusch bekannt: Unaufgeregt, aber unglaublich präzise kommentiert er das aktuelle Geschehen, zum Beispiel die AfD: "Der Mensch hat drei Kilogramm Darmbakterien, aber nur 1,5 Kilogramm Gehirnzellen. Da frage ich mich bei manchen: Wer hat da das Sagen?"
Und wer das mit der Politik und dem Theater nicht mehr hören kann, den bringt Rainer Lübeck - auch dank einer tollen schauspielerischen Leistung - als Almbauer auf andere, meist frivol-frechere Gedanken. Oder Andrea Ley (Korrespondentin) und Marika Leonardy (luxemburgische Bäuerin): Die Landwirtin aus dem Ländchen und die überambitionierte, aber zunehmend verwirrte Frau vom Fernsehen ergänzen sich perfekt.

Ein bisschen Theater sei abschließend doch noch mal erlaubt. Wen Helmut Leiendecker bei der Erstbesteigung auf dem Petrisberg getroffen hat? Karl Sibelius, der mit den Armen im Schnee herumrudert und ein Ein-Mann-Stück aufführt. Der Titel: "Der Eisvogel oder Millionen Flocken schmelzen in meiner Hand".
Die Mitwirkenden: Mehringer Winzerkapelle (Leitung: Walter Madert), Edith Bretz (Herold), Prinzessin Tanja I. vom Eiscafé Calchera samt Gefolge und Stadtgarde, Harald Reusch, Alexander Houben (Sitzungspräsident und Bütt), Heuschreck-Chor (Leitung: Stefan May), Heuschreck-Kinder- und Jugendgarde, Garde und Ballett (Choreographie Reveriano Camil), Gerhard Kress, Pratzbähnt, Andrea Ley, Marika Leonardy, Jakob Leonardy, Rainer Lübeck, Thomas Frings, Helmut Leiendecker & Leiendecker Bloas
Die weiteren Sitzungen: Samstag, 18. Februar, 19 Uhr, Sonntag, 19. Februar, 15 Uhr, Samstag, 25. Februar, 19 Uhr
Viele weitere Fotos gibt es im Internet unter <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/fastnacht" text="www.volksfreund.de/fastnacht" class="more"%>
DIE BESTEN SPRüCHE DES ABENDS


Extra

 Das Publikum hat sich passend zum Motto in Dirndl und Lederhosen geworfen.

Das Publikum hat sich passend zum Motto in Dirndl und Lederhosen geworfen.

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Heuschrecken schaffen die Erstbesteigung
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 Das – pardon – Wichshännsjen (Alexander Houben).

Das – pardon – Wichshännsjen (Alexander Houben).

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 „Was kann Sibelius dafür, dass er so schön ist?“ Gerhard Kress und der Heuschreck-Chor rechnen mit der Trierer Theater-Affäre ab.

„Was kann Sibelius dafür, dass er so schön ist?“ Gerhard Kress und der Heuschreck-Chor rechnen mit der Trierer Theater-Affäre ab.

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 Halaudi! Der Heuschreck sorgt für Heiterkeit.

Halaudi! Der Heuschreck sorgt für Heiterkeit.

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"Das grenzt ja schon an Dummheit." "Nein, an Dummheit grenzen Kanada und Mexiko." (Andrea Ley und Marika Leonardy als Korrenspondentin und luxemburgische Bauersfrau) "Bei uns glauben ja schon viele Leute, sie seien gebildet, wenn sie sich mit dem Kulturteil des Volksfreunds den Hintern abputzen." (Harald Reusch als Gebirgsforscher) "Wenn Oberbürgermeister Leibe angeln geht, stellt er sich ans Zurlaubener Ufer, zeigt auf die Fische und sagt: ,Du, du, du und du - rauskommen!' (Alexander Houben als das "Wichshännsjen") "Steuern, Steuern, Steuern - sie beteuern: Sind gut angelegt. Steuern, Steuern, Steuern - sie befeuern, dass Verschwendung geht." (Thomas Frings und der Heuschreck-Chor zur Melodie von Abbas "Money, money, money")

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