SZ-Serie Sommer erleben Tipps für kleine Trips in der Großregion

Trier/Saarbrücken · Der coolste Bahnhof Europas, Mergelgrotten, französisches Kristall, belgische Bouletten und grenzenloser Wanderspaß. Hier ein paar Ideen für Urlaubstage im nahen Ausland.

 Der futuristische Bahnhof Lüttich-Guillemins wurde vom spanisch-schweizerischen Stararchitekten Santiago Calatrava entworfen – und ist ein Symbol für den kulturellen Aufschwung in Lüttich. 

Der futuristische Bahnhof Lüttich-Guillemins wurde vom spanisch-schweizerischen Stararchitekten Santiago Calatrava entworfen – und ist ein Symbol für den kulturellen Aufschwung in Lüttich. 

Foto: picture alliance / Pascale Berou/Pascale Beroujon

Sonniger könnte das Wetter in Spanien kaum werden. Warum also in die Ferne schweifen, wo es in der grenznahen Großregion doch so einfach ist, Urlaubsgefühle zu bekommen? Man braucht bloß über die Grenze zu fahren (oder zu wandern), um das nahe Ausland zu genießen. Hier ein paar Tipps für längere und kürzere Ausflüge im Herzen Europas.

Lüttich, Maastricht und das Mergelland: Wärmstens zu empfehlen ist ein langes Wochenende – oder auch eine ganze Woche – im Limburger Mergelland (niederländisch: Heuvelland).  Dieser allersüdlichste Zipfel der Niederlande hat (auch, wenn es sich um die höchsten Berge des Landes handelt) so atemberaubend sanfte Hügel, so grüne Wiesen, so fröhlich durch die Auen schwingende Bäche, so idyllische Fachwerkdörfer, so gesellige Gasthöfe und freundliche Einwohner, dass man unweigerlich an J.R.R. Tolkiens Auenland denken muss. Einfach irgendwo an den Flüsschen Gulp oder Geul eines der schnuckeligen Häuschen beziehen und schöne Ausflüge machen. Wandern und radeln kann man mit hoher Sicherheit direkt vor der Haustüre: Mehrere Hundert Kilometer gut ausgeschilderte und reizvolle Wander- und Radwege durchziehen die Region. Eine Festung,  mehrere Mergelgrotten und viele Restaurants locken in das Touristen-Städtchen Valkenburg. Wer es lebendiger, großstädtischer und authentischer möchte, sollte nach Maastricht (Niederlande, 121 000 Einwohner) und Lüttich (Belgien, knapp 200 000 Einwohner) fahren.

So nah diese beiden Städte sich auf der Karte auch sind (nur eine halbe Stunde dauert die Fahrt), so unterschiedlich sind sie.

Maastricht, die Hauptstadt der niederländischen Provinz Limburg und eine der ältesten Städte der Niederlande, passt perfekt zum Mergelland. Sie ist sehr gepflegt, voller Geschichte, voll hübscher Gassen und Orten der Geselligkeit. Selbst im strömenden Novemberregen sitzen Menschen draußen auf den Terrassen, um nach der Shoppingtour, für die sich die Stadt dank zahlloser Boutiquen fantastisch eignet, ihr Bierchen zu trinken. Nicht nur für Bücherfans sehenswert ist die Buchhandlung in der Dominikanerkirche. Wer Kultur mag, ist hier auch am rechten Ort: Theaterhochschule, Kunsthochschule, ein Konservatorium, eine Philharmonie, oder das Bonnefantenmuseum für alte und zeitgenössische Kunst machen Maastricht zum kulturellen Zentrum von überregionaler Bedeutung.

Wie anders ist Lüttich (Luik, Liège), wo einst die Industrialisierung des europäischen Kontinents begann. Großstädtisch cool empfängt das kulturelle Zentrum der Wallonie seine Besucher im vielleicht spektakulärsten Bahnhof Europas. Ein futuristisches Meisterwerk aus Stahl, Glas und weißem Beton des Architekten Santiago Calatrava. Während in Maastricht alles wie geleckt ist, begegnet man in Lüttich zwischen schönen Kirchen, historischen Häusern und prächtigen Plätzen auch den Bausünden vergangener Jahrzehnte,  blätterndem Putz und jungen Bettlern. Gourmets werden Lüttich lieben: Chocolatiers, Pattissiers und Metzger präsentieren ihre Kreationen in Schaufenstern schöner als wertvolles Geschmeide. Spätestens nach dem sonntäglichen Wochenmarkt La Batte, einem Besuch im Kunstmuseum Le Grand Curtius oder der Besteigung der Montagne de Bueren wird es Zeit, in einem der vielen guten Restaurants essen zu gehen, die einen schönen Mix aus belgisch Bodenständigem (zum Beispiel Lütticher Bouletten) und französischer Raffinesse auf die Teller bringen. Wer später in den Kneipen tanzen will, sollte nicht zu viel Cassoulet (Bohneneintopf) essen.

Grenzenloser Wanderspaß: An den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien kann man die abwechslungsreichen Landschaften – tiefe Täler, verrückte Felsformationen, weite Hochebenen – wunderbar erwandern. Hier eine Auswahl fünf besonders schöner Wege:

Felsenweg 1, Echternach: Bizarre Felslandschaften, eine Schlucht, Orchideen-Wiesen und farnreiche Wälder kennzeichnen diese lange, anstrengende aber lohnenswerte Wanderroute im NaturWanderpark delux (www.naturwanderpark.eu), die auch zahlreiche Sehenswürdigkeiten bietet wie die Liborius-Kapelle, das barocke Schloss Weilerbach oder das römische Diana-Denkmal in Bollendorf. Info: knapp 20 km, sechs Stunden, schwer. Start: Rue du Pont an der alten Grenzbrücke in Echternach.

Nat‘Our Route 1 im Dreiländereck Belgien, Luxemburg, Deutschland: Diese Tour (www.naturwanderpark.eu) verläuft wahrlich im Herzen Europas. Das urige, steile Ourtal, in dem die seltene Flussperlmuschel lebt, hat sich zwischen Tintesmühle und Ouren tief ins Schiefergebirge gegraben. Seltene Auwälder, in denen Eisvögel, Reiher und Schwarzstörche heimisch sind, tolle Ausblicke und das Europadenkmal in Ouren zählen zu den Höhepunkten der leichten Tour. Info: knapp 13 km, 3,5 Stunden, leicht. Start: Parkplatz an der K 148 bei der Brücke in Tintesmühlen.

Traumschleife Schengen grenzenlos: Da, wo am 14. Juni 1985 das Schengen-Abkommen unterzeichnet wurde, können Wanderer heute zwischen Luxemburg und Frankreich umherwandern, ohne die Grenze auch nur zu erahnen. Der Weg durchs Naturschutzgebiet Stromberg  bietet tolle Ausblicke ins Moseltal nach Luxemburg, Frankreich und Deutschland. Seltene Pflanzen, Kalksteinbrüche, der Fernblick auf die Festung von Sierck-les-Bains und ein Besuch im europäischen Museum machen die Route zu etwas Besonderem. Info: 8,1 km, 3,5 Stunden, mittelschwer. Start: Tourist-Info an der Mosel in Schengen.

Traumschleife Grenzblickweg: Wanderer laufen hier streckenweise mitten auf der Grenze zwischen Lothringen und dem Saarland. Eine Grenze mit bewegter Geschichte.  Alte Grenzsteine zeugen davon ebenso wie Schützengräben des Zweiten Weltkriegs und ein schlichtes Holzkreuz an einem Ort, an dem einst Soldaten kämpften und starben. Heute ist es hier ruhig. „Ein Land verliert sich ins andere“, heißt es in der Routenbeschreibung. Europa sei Dank. Info: 13,2 km, 4,5 Stunden, Mittelschwer. Start: Heininger Kirche in Leidingen. Mehr Infos: www.saar-hunsrueck-steig.de

Seitensprung Wehrer Rosenberg: Mit Blick über die Mosel auf Luxemburg führt diese kurze, aber schöne Tour zu Überresten einer frühmittelalterlichen Fliehburg. Weil es auf Trittsteinen durch den wildromantischen Helterbach geht und mit Trittleitern und Seilsicherungen auf den Wehrer Rosenberg hinauf ist die Route trotz ihrer nur knapp fünf Kilometer (zwei Stunden) mittelschwer. Start: Parkplatz am Bahnhof Wehr. Mehr Infos: www.moselsteig.de

Épinal/Vittel/Baccarat: Wer im Sommer Frankreich wirklich entdecken will, muss nur die schnurgeraden Autorouten mal links liegen lassen und die Route Nationale oder, noch besser, die kleinen Départementales nehmen, die sich durch die grünen Hügel der Region Grand Est winden. Mit vielen Kurven, die schon beim Fahren entschleunigen.

Gut zwei Autostunden von Saarbrücken, drei von Trier aus, lohnt Épinal sogar mal ein verlängertes Wochenende. Stolz nennt man sich Hauptstadt des Département Vosges, ist mit gut 31 000 Einwohnern aber eher ein Hauptstädtchen mit zum Teil gut konserviertem mittelalterlichen Charme, einer hübschen Burgruine, netten Cafés, Restaurant und überraschend vielen gut sortierten Antiquariaten. Stunden kann man da mit Stöbern zubringen.

Dass die in der Vogesen-Stadt so zahlreich sind, hat seinen Grund. Seinen Eintrag ins Geschichtsbuch hat sich Épinal mit der Druckkunst verdient, genauer mit den Bilderbogen. Im Grunde so was wie Urururahnen der Comics. Wunderbar bunte und facettenreiche Bildgeschichten über Helden und Heilige, über Napoleons Schlachtenglück – aber auch über sein Waterloo. Sie boten (und bieten) Unterhaltung, waren früher Zeitung, Illustrierte und Fernsehen zugleich. In Zeiten, als längst noch nicht jeder lesen und schreiben konnte. Ein gewisser Charles Perrin (1756  bis 1836) begründete in Épinal diese Tradition. Geschäftstüchtig druckte er Bilderbogen, Heiligenbilder aber auch Spielkarten; Himmel und Hölle zugleich. Die „Maison Imagerie d’Épinal“ gibt es heute noch, die letzte Bilderbogendruckerei, wo man das Drucken miterleben kann, aber auch viel über die Historie der bunten Bilderbögen aus Lohringen erfährt.

Épinal hat aber auch als Kommune die Chance genutzt, seine Geschichte zu präsentieren und sich 2003 ein neues, schickes, auch architektonisch beeindruckendes Musée de l’Image gegönnt. Das ist ein modernes Mitmachmuseum mit vielen Angeboten für Kinder, in dem man auch viel über Medien, die Macht der Bilder und moderne Kommunikation erfährt.  Außerdem kann man vor hier aus zum „Chemin des Images“ starten, einem Weg der Bilder durch die ganze Stadt zu Schaukästen, die immer wieder neu von Künstlern bestückt werden (mehr Infos: www.museedelimage.fr und www.imagesdepinal.com)

Von Épinal aus ist es bloß ein beherzter Steinwurf bis nach Baccarat. Gut 4000 Einwohner zählt das Städtchen, seit Jahrhunderten aber sorgt man für den großen Glanz auf den gedeckten Tafeln der echten und der Möchtegern-Majestäten – mit edlem und sündteurem Kristallglas. Ludwig XV. selbst gab Order, eine Glasbläserei in Baccarat zu eröffnen. Die bekam 1823 die erste königliche Bestellung. Und bald schon lieferte die Manufaktur ihren transparenten Luxus – Gläser, Vasen, Leuchter – in alle Welt. Im Musée du Cristal zeigt man heute, wie der Luxus gemacht wird und welch’ wunderbare Blüten die Glasmacher schon getrieben haben. Mehr Bling-Bling in Glas geht nicht. Wer die gläserne Schönheit aber mit mehr Andacht genießen möchte, kommt in der täglich bis 17 Uhr geöffneten Kirche Saint-Rémy zur Ruhe. Quasi schnörkellos das Betongehäuse aus den 1950er Jahren, aber was für ein Rahmen für die über 20 000 Kristallglasteile und Glasfenster. Beeindruckend!

 Das Limburger Mergelland ist mit seinen sanften Hügeln ein Mekka für Radsportbegeisterte. Jährlich findet in der Umgebung Valkenburgs das Amstel Gold Race statt.

Das Limburger Mergelland ist mit seinen sanften Hügeln ein Mekka für Radsportbegeisterte. Jährlich findet in der Umgebung Valkenburgs das Amstel Gold Race statt.

Foto: picture alliance / dpa/Peter Dejong / Pool
 Grenzenlos wandern: An der Obermosel laden mehrere Traumschleifen des Saar-Hunsrück-Steigs und Seitensprünge des Moselsteigs zu internationalen Wanderungen ein.

Grenzenlos wandern: An der Obermosel laden mehrere Traumschleifen des Saar-Hunsrück-Steigs und Seitensprünge des Moselsteigs zu internationalen Wanderungen ein.

Foto: TV/Katharina de Mos
 Marktstände in Maastricht vor dem Rathaus. Eine Stadt, die zum Bummeln und Genießen einlädt.

Marktstände in Maastricht vor dem Rathaus. Eine Stadt, die zum Bummeln und Genießen einlädt.

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Berg
 Schon architektonisch ist es spannend: Das Bonnefantenmuseum in Maastricht.

Schon architektonisch ist es spannend: Das Bonnefantenmuseum in Maastricht.

Foto: TV/Peter Reinhart

Jeder kennt natürlich die Flaschen mit dem rot-weißen Etikett, wer aber war schon mal in Vittel? Gut 5000 Einwohner reichen sicher nicht für ein pulsierendes Leben. Aber das Wasser aus den kühlen Quellen lockte schon die Römer, um diverse Zipperlein zu kurieren. Alte Wandelhalle, Kurpark und ein erstaunlich üppiger Bahnhof mit einer schmucken Schalterhalle wirken fast schon mondän, wecken schönste Kurbad-Romantik. Die allerdings ist auch trügerisch. Die Quellen werden nämlich seit Ende der 1960er Jahre vom Nestlé-Konzern im wahrsten Sinne des Wortes ausgebeutet. Der Lebensmittelriese füllt, so heißt es, über zwei Millionen Flaschen Mineralwasser ab – pro Tag.  So viel, dass man überlegen musste, ob man für die Einwohner das Trinkwasser von anderswo per Pipeline ranschafft. Das brachte die sonst eher ruhigen Kurbad-Bewohner dann aber richtig auf die Palme.

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