Göring-Eckardt: "Wir schaffen Rot-Grün"
Berlin · Trotz nicht gerade berauschender Umfragewerte für Rot-Grün gibt sich Katrin Göring-Eckardt Siegesgewiss. Die Wahl entscheide sich in den letzten Tagen, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Berlin. In ihrem Berliner Bundestagsbüro entspannt sich die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, auch schon mal auf einem Trampolin vom Wahlkampf. Unsere Berliner Korrespondenten Stefan Vetter und Werner Kolhoff trafen Sie dort, um über die Chancen für einen rot-grünen Regierungswechsel zu sprechen:
Frau Göring-Eckardt, noch 37 Tage bis zur Bundestagswahl - richten Sie sich wieder auf Opposition ein?
Göring-Eckardt: Nein. Wir kämpfen für Rot-Grün. Und das schaffen wir, frühere Wahlen haben das gezeigt, siehe Niedersachsen. In den Ländern werden schon 50 Millionen Bundesbürger von Rot-Grün regiert. Wir überlegen, wie wir Koalitionsverhandlungen mit der SPD gut vorbereiten.
Aber nach sämtlichen Umfragen sind sie von einer Mehrheit weit entfernt.
Göring-Eckardt:Die Erfahrung lehrt, dass sich sehr viele Leute erst in den letzten Wochen oder sogar Tagen entscheiden.
Was sollte die Wähler bewegen, sich in den letzten Tagen anders zu entscheiden, als sie es heute sagen?
Göring-Eckardt: Der entscheidende Punkt ist, dass es wirklich eine politische Alternative gibt. Mehr als 70 Prozent der Deutschen sagen: Es geht nicht gerecht zu. Das kann man anpacken, beispielsweise mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Wir sagen dazu Ja, die Union will eine Mogelpackung. Oder nehmen Sie die Energiewende. Die Strompreise galoppieren davon, weil Subventionen unsinnigerweise auch an Pommesfabriken oder den Wetterdienst gehen. Oder gucken Sie auf den maroden Zustand vieler öffentlicher Schulen.
Mal ehrlich, hat Sie der glücklose SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schon zur Verzweifelung gebracht?
Göring-Eckardt: Ich erlebe einen Peer Steinbrück, der wirklich kämpft und eine SPD mit großer Angriffslust. Das ist gut, aber für uns geht es um starke Grüne. Dafür kämpfe ich.
Merkel einen Mangel an Europa-Begeisterung wegen ihrer ostdeutschen Herkunft vorzuwerfen und damit auch viele Ossis zu verprellen, war von Steinbrück weniger klug, oder?
Göring-Eckardt: Deutlich zu machen, dass Merkel wenig Begeisterung für Europa entfaltet, war völlig richtig. Aber das hat nichts mit ihrer ostdeutschen Herkunft zu tun. Im Gegenteil: Die Ostdeutschen haben mit dafür gesorgt, dass Europa ein Ganzes wurde.
In Europa gibt es wieder Wachstum, besonders in Deutschland. Damit punktet Merkel.
Warum sollten die Menschen Veränderungen wollen?
Göring-Eckardt: Ich will überhaupt nicht kritisieren, was sich in Europa jetzt glücklicherweise etwas positiver entwickelt. Die vielen Beschlüsse des Bundestages für Rettungspakete haben wir ja auch mitgetragen. Für Deutschland gilt die Frage, wie sich dieser Erfolg im Leben der Leute auswirkt. Und da zeigt sich, dass der Aufschwung im Portemonnaie vieler Menschen eben nicht ankommt. Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen. Und auch der öffentliche Investitionsstau ist unübersehbar. Merkel sagt, alles prima, aber sie vergisst, dass der Alltag der Leute ganz anders aussieht.
SPD und Grüne fordern viele Steuer- und Abgabenerhöhungen und wollen auch den Spitzensteuersatz anheben. Das würde auch die breite Mittelschicht treffen, oder nicht?
Göring-Eckardt: Das mittlere Netto-Einkommen in Deutschland beträgt 1600 Euro im Monat. Das muss man wissen, wenn man über die Mittelschicht redet. Das sind die Menschen, die eine größere Entlastung brauchen. Das sind aber auch die Menschen, die eine gut funktionierende Infrastruktur brauchen. Die Mittel dafür kommen auch durch Einsparungen und Subventionsabbau. Aber das reicht alleine nicht aus. Deshalb wollen wir auch die stärkeren Schultern stärker beteiligen.
Angenommen, es reicht nicht für eine Regierung mit der SPD. Welche Optionen halten Sie noch für denkbar?
Göring-Eckardt: Programmatisch liegen wir mit Union und FDP sehr weit auseinander. Und ich kann da auch keine Kompromissmöglichkeiten erkennen. Auf der anderen Seite steht eine Linkspartei, die einen national-chauvinistischen Europa-Kurs verfolgt und Deutschland außenpolitisch isolieren würde. Auch hier sehe ich nicht, wie das mit den Grünen zusammen geht.
Dann bleibt nur noch eine große Koalition. Ist die Ihnen lieber?
Göring-Eckardt: Nein. Aber für eine verlässliche Regierungsarbeit müssen die Inhalte stimmen. Deshalb wollen wir den Regierungswechsel zusammen mit der SPD.
Trauen Sie sich ein Ministeramt zu?
Göring-Eckardt: Ich möchte, dass Rot-Grün das Land regiert und natürlich kann ich mir vorstellen, Ministerin einer gemeinsamen Regierung zu sein.
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