Grüne und SPD gegen Merz als EU-Kommissar

Berlin (dpa) · Der bisher eher verhaltene Europa-Wahlkampf wird vom Streit über den künftigen deutschen EU-Kommissar angeheizt. Bei der Vorstellung des Wahlaufrufs bestand die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel am Montag in Berlin darauf, dass künftig die Union den Posten in Brüssel besetzt.

SPD und Grüne lehnten den ehemaligen Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) ab, der von Unions-Politikern ins Gespräch gebracht wurde. CDU und CSU wollen mit einem EU-kritischen Programm bei der Europawahl am 7. Juni in Deutschland wieder stärkste politische Kraft werden.

CDU und CSU verabschiedeten am Montag bei einer gemeinsamen Präsidiumssitzung in Berlin einmütig einen Aufruf für die Europawahl am 7. Juni, der sich zu einem „starken und bürgernahen Europa“ bekennt, aber der Europäischen Union auch klare Grenzen setzen will. „Nicht jedes Problem in Europa ist ein Problem für Europa“, sagte Merkel. Europa müsse sich „auf das Wesentliche konzentrieren“.

CSU-Chef Horst Seehofer versicherte, auch seine Partei stehe im Grundsatz „ohne Wenn und Aber“ zu Europa. Insbesondere in Zeiten der Krise wollten die Christsozialen den Menschen klarmachen, welche Bedeutung Europa für sie habe. Laut Merkel ist es Ziel der Union, dass CDU und CSU bei der Europawahl zusammen politisch die stärkste Kraft in der Bundesrepublik werden.

Vor fünf Jahren - zur Zeit tiefster Verwerfungen in der SPD wegen der Reformpolitik des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder - hatte die Union 44,5 Prozent der Stimmen erhalten. Die Sozialdemokraten waren abgeschlagen auf 21,5 Prozent gekommen.

Nach den Angriffen von SPD und Grünen versicherte Merkel, dass sie wegen des künftigen deutschen EU-Kommissars noch keine Gespräche geführt habe. Sie bestritt damit nochmals, Kontakt zum ehemaligen Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz aufgenommen zu haben. Nach 15 Jahren habe die Union aber wieder einen Anspruch auf einen Kommissar in Brüssel.

Die SPD will nach den Worten ihres Generalsekretärs Hubertus Heil aber keinen deutschen EU-Kommissar mittragen, „der nicht bereit ist, den Weg in ein soziales Europa mitzugehen“. Der bisherige deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) scheidet in diesem Jahr nach zwei Amtszeiten aus. Auch die Grünen lehnten Merz ab.

Merkel wies darauf hin, dass in Brüssel in absehbarer Zeit noch nicht über die Besetzung der Posten der Kommissare gesprochen werden solle. Zunächst gehe es um den EU-Kommissionspräsidenten und die Verteilung der Ressorts in der Kommission an die jeweiligen Länder. Erst danach könne über konkrete Personen gesprochen werden. Dies solle erst nach dem irischen Referendum über den Vertrag von Lissabon geschehen, das für den Herbst erwartet wird. Hintergrund ist, dass mit dem Vertrag sich auch die Zusammensetzung der Kommission ändern wird.

Die Koalitionspartner streiten bereits seit einiger Zeit über die Besetzung des Postens. Die SPD möchte aber ihren Europawahl-Spitzenkandidaten Martin Schulz durchsetzen und fordert dessen Nominierung noch vor Ablauf der Bundestagswahlperiode.

Der Wahlaufruf von CDU und CSU ist kein gemeinsames Wahlprogramm. Wie schon bei den vergangenen Europawahlen ziehen beide Parteien mit getrennten Wahlprogrammen in die Auseinandersetzung. Der Wahlaufruf stellt praktisch eine Schnittmenge dieser Leitsätze dar. So ist in ihm nicht die CSU-Forderung nach Volksentscheiden über wichtige europäische Fragen enthalten, die die CDU ablehnt. Einig sind sich beide Parteien in der Ablehnung eines Beitritts der Türkei zur EU.

Der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Martin Schulz, kritisierte den Wahlaufruf. Dieser könne die Gräben zwischen beiden Parteien in der Europapolitik nicht überdecken. „Während sich die CSU für Volksabstimmungen bei europapolitischen Entscheidungen ausspricht, ist die CDU dagegen. Während sich die CDU dafür ausspricht, dass Europa eine gemeinsame Verfassung bekommt, ist die CSU dagegen“, sagte Schulz. Er lehnte ebenfalls Merz als EU-Kommissar strikt ab: „Mehr Kapitalismus mit Friedrich Merz in Europa zu wagen ist nicht akzeptabel und widerspricht deutschen Interessen.“

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