Herbert Mertin, ein Taktiker der leisen Töne

In der Welt der Politik gilt die Macht des Wortes. Dennoch beherrschen nur die wenigsten Abgeordneten im Landtag die Kunst der freien Rede. Einer von ihnen ist der liberale Spitzenkandidat Herbert Mertin. Was er zu sagen hat, stößt im Parlament stets auf hohe Aufmerksamkeit, obwohl der in Chile Geborene mit dem markanten Vollbart kein Lautsprecher, sondern ein Mann der leisen und präzisen Töne ist. Mertins ruhige und sachliche Art steht sinnbildlich für die landespolitische Arbeit der FDP-Fraktion in den vergangenen fünf Jahren.

Herbert Mertin schreitet im Landtag ans Rednerpult. In der Hand hält er - nichts. Andere lesen ihr Manuskript ab, der Zigarilloraucher braucht keins. Mit kurzen, knackigen, pointierten Beiträgen trifft er meist den Nagel auf den Kopf. Seine Worte wirken wie Nadelstiche. Manche wie Keulenhiebe. Selbst Parteifreunde trifft es mit überraschender Wucht.

Als der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle kürzlich im Kreuzfeuer der Kritik stand, befand Mertin, Westerwelle sei im rheinland-pfälzischen Wahlkampf ein "Klotz am Bein". Womit der auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwalt bundesweit Aufmerksamkeit erregte.

Monate später sind die Worte und das parteiinterne Gerangel vergessen und verziehen. Doch der Zweck ist erfüllt: Westerwelle ist aus den Schlagzeilen, in der FDP ist Ruhe eingekehrt - womit Mertin sein Ziel erreicht hat. Dass er deshalb zwischenzeitlich nicht auf einer Linie mit FDP-Landeschef und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle lag, hat Mertin hingenommen. Sein Kommentar: "Er war nicht begeistert."

Der kleine Vorfall mit der großen Wirkung beweist das strategische Geschick des liberalen Spitzenkandidaten. Wenig sagen, viel erreichen, so hält es Herbert Mertin - und fährt gut damit. Schon kurz nach dem Parteieintritt 1984 übernimmt er als Vorsitzender der Jungen Liberalen Verantwortung. Kommunale Erfahrung sammelt er als Stadtrat in Koblenz. Der 52-Jährige, verheiratet und Vater von vier Kindern, wird 1996 erstmals in den Landtag gewählt und drei Jahre später in der sozial-liberalen Koalition Justizminister.

Als die SPD bei der Wahl 2006 die absolute Mehrheit holt, geht es in die Opposition. Mertin und mit ihm die FDP-Fraktion, deren Chef er wird, widerstehen den Lockrufen der Sozialdemokraten, sich als ehemalige Partner weiterhin einspannen zu lassen. Im Nachhinein betrachtet ein kluger Schachzug: Die fundamentale Kritik der Liberalen am Projekt Nürburgring oder an SPD-Justizminister Heinz Georg Bamberger hätte ansonsten wohl unglaubwürdig geklungen.

Herbert Mertin übt seinen Job leidenschaftlich gern aus. "Schon als Kind habe ich mich für Politik interessiert, als andere noch mit Rennautos spielten." Lange galt der Mann, der ein gutes Buch schätzt und Wein mag, als heimlicher Oppositionsführer, obwohl er nicht der größten Oppositionspartei angehört.

Bei der Wahl repräsentiert Mertin erstmals die FDP als Nummer eins. Trotz bescheidener Umfragewerte bleibt er optimistisch. "Die Stimmung ist sehr gut für uns und wird kontinuierlich besser", sagt er. 2006 sei es andersherum gewesen. Damals holte die FDP acht Prozent. "Die Grünen werden noch weiter absacken", prophezeit der Liberale.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Mertin ein Gespür für Stimmungslagen bewiesen hätte. Jedenfalls hat der gewiefte Taktiker kürzlich im Landtag vorgebeugt, falls es am Ende doch zu Koalitionsverhandlungen mit der SPD kommen sollte. Nachdem er in einer vorherigen Sitzung heftig mit Ministerpräsident Kurt Beck aneinandergeraten war, signalisierte er Friedfertigkeit und schickte an einem für die Regierung kritischen Punkt einen Kollegen ans Rednerpult. Sogar wortlos hat er damit etwas erreicht.

Frank Giarra

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