Hoffen auf A's, hoffen auf Arbeit

Trier · Zwölf Schiffe und 1000 Menschen: Gestern ist der sogenannte "Schaffrock" per Lastkahn in die Innenstadt gebracht worden. Der TV hat die von der Aktion Arbeit des Bistums Trier initiierte Fahrt begleitet - Eindrücke einer ungewöhnlichen Pilgerreise.

Trier. Der Ofen bleibt wohl aus. Die letzte Hoffnung für das Trierer Stahlwerk, ein neuer Investor, ist gestern endgültig gestorben. 40 Jahre lang quoll der Dampf aus der Fabrikhalle in der Hafenstraße. Damit ist es jetzt vorbei. 300 Arbeiter stehen möglicherweise vor der Tür.

500 Meter weiter eröffnet Bischof Stephan Ackermann die Schiffswallfahrt der Aktion Arbeit. Es ist 9 Uhr. 1000 Menschen aus dem ganzen Bistum haben sich auf einem Parkplatz im Trie rer Hafen versammelt, viele sind in einer Sternwallfahrt hergepilgert. Sie wollen den Schaffrock begleiten. Per Schiff soll die sechs Meter große Skultptur nach Zurlauben transportiert werden. Die Aktion Arbeit, eine Initiative des Bistums, will damit auf die Missverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam machen: Viele Menschen haben keinen Job. Andere werden vor lauter Arbeit krank. "Herr, auch für den Arbeiter, der nur kurz Arbeit fand, hast Du den Lohn bereitgehalten", betet der Bischof vor und nimmt Bezug auf ein biblisches Gleichnis - die Fürbitte scheint wie geschaffen für die beschäftigungslosen Stahlwerker. "Herr, erbarme dich", antworten die Versammelten. Es beginnt zu regnen.

10.30 Uhr. Das Schubschiff Wincheringen hat Fahrt aufgenommen und überholt der Reihe nach die anderen Boote der Schiffsprozession. Insgesamt sind es elf Schiffe, die den großen Schubverbund mit dem Schaff rock die Mosel hinauf begleiten. Vier große Personenschiffe haben die Pilger aufgenommen. Rudolf Hammes, der Geschäftsführer der Aktion Arbeit, schaut nachdenklich die Mosel hinab und beobachtet die folgenden Schiffe. "Wir hören dauernd die schönen Meldungen vom Arbeitsmarkt", sagt er. "Aber es ist nicht alles gut, am Arbeitsmarkt." Die roten Felsen von Trier kommen in Sicht. Der Regen hat aufgehört.

Am Zurlaubener Ufer wartet die IG Metall. Die Gewerkschafter haben eine Gruppe Trommler mitgebracht. "Die kommt gut an bei Streiks", sagt Christian Glasen in den Lärm. Glasen arbeitet bei Ford in Saarlouis, ist Kolonnenführer in der Produktionshalle und Gewerkschaftsmitglied. 500 Zeitarbeiter malochen bei Ford. "Wirtschaftspuffer nennt man so was" erklärt Glasen, während der Schaffrock andockt. Ein großer Autokran steht am Ufer bereit. Von ihrer Zeitarbeitsfirma bekommen die Ford-Arbeiter acht Euro die Stunde. "Wenn wir jetzt nicht kämpfen, haben wir schon verloren", sagt Glasen.

Um 12.30 Uhr sind alle Pilger an Land und der Rock ist auf einen Tieflader gelegt. Die Polizei hat die Straßen um die Kaiser-Wilhelm-Brücke abgesperrt. Über die Nordallee zieht die riesige Pilgergruppe, die unwillkürlich an eine Demonstration erinnert, in Richtung Innenstadt, die Skulptur immer vorneweg. Auf dem Platz vor der Basilika wird der Schaffrock von Blasmusik empfangen. Eine Bergarbeiter-Kapelle aus dem Saarland spielt auf. Schon wieder fängt es an zu regnen. "Früher gab es im Saarland 17 Bergmannskapellen. Jetzt ist es nur noch eine", erzählt der Posaunist. 32 Jahre hat der Mann unter Tage gearbeitet. Mit 50 musste er in Frührente, weil keiner mehr die saarländische Kohle wollte. "Wir dürfen 400-Euro-Jobs machen, mehr nicht. Sonst verlieren wir unsere Rente". Ein Kran hebt den riesigen Rock auf ein Podest.

Vier Wochen lang können Pilger kleine A\'s kaufen und an die Skulptur hängen. Sie können ihren Namen daraufschreiben, oder Wünsche aus der Arbeitswelt. Den ganzen Rock sollen die A\'s nach der Wallfahrt bedecken. Bischof Ackermann erklärt, was er sich für sein A wünschen will: "Die politische Idee der Aktion Arbeit ist gut und wichtig. Ich wünsche mir, dass die von den Menschen wahrgenommen wird und auch ankommt." Dann marschiert er schnurschnacks in Richtung Dom.

Derweil nestelt eine Frau ihr eigenes kleines A an den Schaff rock. "Ich wünsche mir nichts Weltbewegendes" sagt sie. "Nur nette Menschen in meinem Betrieb." Fromme Wünsche, die für die Trierer Stahlwerker vermutlich nicht reichen dürften. Sie bangen um ihre Jobs und Existenzen. Ein großes A.

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