Interview zum Trierer Schulkonzept: "Eine gute Schule ist wichtiger als die nächstgelegene"

Trier · Er hält den Kopf hin, wo die Politik ihn einzieht: Wolf Krämer-Mandeau will der Trierer Schullandschaft eine Gesundschrumpfungs-Kur verpassen. Dass man sich dabei selten beliebt macht, weiß der Bildungsplaner aus vielen Gefechten in anderen Kommunen. Der Volksfreund startet heute eine Serie zur Zukunft der Schulen im Trierer Stadtgebiet.

 Hat den Trierern aus seiner Sicht ein maßgeschneidertes Konzept geliefert: Bildungsplaner Wolf Krämer-Mandeau. Foto: Biregio

Hat den Trierern aus seiner Sicht ein maßgeschneidertes Konzept geliefert: Bildungsplaner Wolf Krämer-Mandeau. Foto: Biregio

Im Gespräch mit den TV-Redakteuren Dieter Lintz und Michael Schmitz stand er Rede und Antwort.

Herr Krämer-Mandeau, Sie haben ihr Schulkonzept vorgelegt, und prompt rollt die Protestwelle. Das sind Sie wahrscheinlich nicht anders gewohnt. Wie ist denn der Widerstand in Trier, gemessen an anderen Kommunen?
Ich habe das Gefühl, dass allen Beteiligten zumindest bewusst ist, dass dieses St.-Florians-Prinzip aufgebrochen werden muss. Insgesamt habe ich mit noch deutlich mehr öffentlicher Unruhe gerechnet, schon wegen der Vorgeschichte. Es sind ja in Trier schon andere Schulentwicklungskonzepte zu Fall gebracht worden. Aber mein Eindruck ist: Die Erkenntnis setzt sich durch, dass es nicht mehr um das "ob", sondern um das "wie" geht.

Und dafür spielen Sie gern den Prügelknaben?
Wir müssen da von außen mit einem klugen Schuss Radikalität vorgehen, sonst dürften wir solche Planungsaufträge nicht annehmen.

Mal Hand aufs Herz: Wenn Sie einen Plan vorlegen, wie viel davon wird denn im Durchschnitt nachher auch realisiert?
Uns ist relativ egal, wie nah oder fern das Ergebnis am Ende von unserem ursprünglichen Plan liegt - Hauptsache, es gibt ein vernünftiges Ergebnis für die Schüler, und die Politik löst mit unserer Hilfe die sie lähmenden Probleme. Aber in der Regel weicht der Beschluss am Ende nicht sehr von unseren Vorschlägen und den von uns benannten Problemfeldern ab.

Und wenn der Gegendruck zu groß wird, gibt es auch so etwas wie einen Plan B?
Wir analysieren die Situation, ermitteln den Bedarf, schaffen belastbare Zahlengrundlagen, wägen Interessen ab. Daraus entsteht ein erster Vorschlag, der dann - wie jetzt in Trier - diskutiert wird. In der Regel geht dieser Vorschlag dann auch so in die zuständigen Ausschüsse. Dahinter gibt es natürlich B- und C-Pläne, und mit jedem Gespräch, das wir hier führen, bekommen wir neue Ideen. Wo sich der ideale Vorschlag nicht durchsetzen lässt, muss man eben den zweitbesten suchen.

Ist das wie orientalischer Markt? Man verlangt erstmal einen hohen Preis und schaut dann, was übrig bleibt?
Nein, das ist keine Markt-Situation. Wir feilschen nicht, aber wir müssen die Realitäten zur Kenntnis nehmen.

Beispiel?
Wenn wir etwa eine "IGS West" am Mäusheckerweg für sinnvoll halten, sich aber abzeichnet, dass das Land dort keine will. Dann hat das Auswirkungen auf die Gesamtplanung, zum Beispiel bei den Realschulen plus. Will man den R-plus-Standort in Trier-West erhalten, spielt das wieder für die Grundschulen eine Rolle. Das betrifft einen großen Baustein unserer Gesamtplanung.

Direkt oder indirekt wird oft der Vorwurf erhoben, es gehe beim Schulkonzept in erster Linie ums Geld, und die Pädagogik gerate ins Hintertreffen …
Natürlich spielt die finanzielle Machbarkeit angesichts der Situation der Stadt Trier immer eine Rolle. Je nach Planung müssen ja Räume neu geschaffen oder renoviert werden, und die Frage ist: Woher kommt das Geld und wie schnell steht es dafür zur Verfügung? Wenn ich da Lösungen vorschlage, über die sich alle freuen, die aber keiner bezahlen kann, dann hätte ich einen schlechten Job gemacht. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Wir gehen immer zuerst von der pädagogischen Aufstellung aus, vom bestmöglichen Angebot für die Schüler, von einer pädagogisch sinnvollen Größe der Schule. Erst danach kommt ein Filter der Finanzierbarkeit - vorgegeben durch die Möglichkeiten der Kommune.

Ihre ganze Planung steht und fällt mit der Datenbasis. Da hat es eine Menge Kritik gegeben, viele Schulen haben gesagt: Das stimmt so nicht, wie es im Konzept steht, da gibt es falsche Schülerzahlen.
Da bin ich ganz gelassen. In fast allen Fällen lassen sich die angenommenen Differenzen auf Nachfrage klären. Wir haben von der Stadt das beste Zahlenmaterial bekommen, was vorhanden war. Wir haben uns in einigen Schulen eigens umgeschaut. Wenn es trotzdem Fehler gibt, werden die natürlich korrigiert.
Wie sicher sind Sie denn bei Ihren Prognosen, was die künftige Entwicklung angeht? Haben Sie bei Ihren vielen Planungen mal so richtig danebengelegen?
Wir verfolgen das oft nach, teilweise schon seit 20 Jahren, und stellen fest, dass es meist nur geringe Abweichungen von unseren Prognosen gibt.

Sie sagen, dass die Schülerzahlen in Trier zunehmen werden. Gleichzeitig gibt es Grundschulen, die zu wenig Schüler haben. Das passt doch wunderbar, dann können wir alle versorgen und brauchen keine Schulen zu schließen …
So geht das eben nicht auf. Wir haben eine starke Polarisierung zwischen Schulen, die bei den Eltern sehr gefragt sind und solchen, die man weniger gerne wählt. Dafür nehmen die Eltern auch längere Wege in Kauf und stellen entsprechende Anträge, vom Schulbezirk abzuweichen.

Und wie ist das mit "Kurze Beine, kurze Wege"? Spielt das für Sie keine Rolle?
Ich glaube, dass für die meisten Eltern eine gute Schule wichtiger ist als die nächstgelegene. Sie werden in den nächsten Jahren noch viel stärker nach besonderen Merkmalen der Schulen fragen. Zukunfts- und entwicklungsfähige Grundschulen mit einem guten Angebot, möglichst ganztags, das geht einzügig nicht.

Also kurze Beine, längerer Weg?
Interessanterweise bleiben wir mit unseren Vorschlägen in fast allen Fällen innerhalb der Zwei-Kilometer-Grenze, also dem gesetzlich definierten Nah-Weg, der zu Fuß bewältigt werden kann.

Nun empfinden aber viele Stadtteile eine Schule als Ortsmittelpunkt …
Aber es gibt doch auch in Trier Stadtteile oder -viertel, die keine Schule haben. Da käme keiner auf die Idee, jetzt eine zu errichten. Und wenn wir wissen, für eine Schule ist nicht genug Nachfrage, um Zweizügigkeit zu sichern, dann können wir doch keine Entscheidung treffen, mit der wir in fünf Jahren in einer Sackgasse landen. Wenn das Ortsprinzip dominiert, können wir nichts verändern - das geht zulasten aller Schüler. Und die Stadt müsste finanziell dramatisch bluten.

Es gibt interne Widerstände, aber es gibt auch die Schulaufsicht. Mischt sich die ADD in Trier mehr ein als anderswo?
Das haben Sie gesagt, ich will das nicht kommentieren. Aber so viel steht fest: Die ADD ist ein enger Begleiter der Stadt, und gegen sie ist kein Konzept machbar. Wir hoffen, dass die Schulaufsicht wie in anderen Kreisen und Städten auch unseren Weg mitgeht.Alle Artikel zum Thema Schulkonzept haben wir für Sie hier  zusammengefasst .

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