Theater Der junge Karl (vor allem) für Trierer

Trier · Viele Einheimische fremdeln mit dem berühmtesten Sohn der Stadt. Johannes Kram will das mit „Marx! Love! Revolution!, einem Theaterstück zum Mitgehen, ändern. Am Mittwoch war Premiere.

 Die Thermen am Viehmarkt sind eine von zwölf Stationen von „Marx! Love! Revolution!“, einem Theaterstück zum Mitgehen von Johannes Kram (Bildmitte hinten). Rechts Tobias Schwieger, der den Abiturienten Karl Marx verkörpert.

Die Thermen am Viehmarkt sind eine von zwölf Stationen von „Marx! Love! Revolution!“, einem Theaterstück zum Mitgehen von Johannes Kram (Bildmitte hinten). Rechts Tobias Schwieger, der den Abiturienten Karl Marx verkörpert.

Foto: Trierischer Volksfreund/Roland Morgen

Wenn der Wahl-Berliner Johannes Kram (51) als Kulturmacher in seine Heimatstadt Trier zurückkehrt, dann ist Spannung garantiert. Sein vielleicht größter Coup liegt genau 20 Jahre zurück. Am 1. Mai 1998 verabschiedete die ARD mit einer Livesendung vom Hauptmarkt Guildo Horn zum Finale des Eurovision Song Contest nach Birmingham. Kram, Manager von Guildo Horn, hatte das Projekt eingefädelt; und die Show unter anderem mit Nena, Rosenstolz und den Jungen Tenören (mit dem Trierer Thomas Kiessing) erwies sich als beste Tourismuswerbung.

2018 geht es weniger spektakulär zu, nichtsdestotrotz hochambitioniert. Die Jahreszahl signalisiert bereits, worum es geht: Karl Marx. Vor 200 Jahren geboren in Trier, dort aufgewachsen, ehe er als 17-Jähriger wegging um das zu tun, was er in seiner Stadt nicht konnte: studieren. Kram hat ein Theaterstück über den berühmtesten Trierer geschrieben: „Marx! Love! Revolution.“ Kein „normales“ Stück. „Aber bei Marx war und ist vieles ganz anders“, sagt Kram. „Das fängt damit an, dass ausgerechnet viele Trierer mit ihm fremdeln, obwohl er doch einer von ihnen ist.“ Krams Mission wider diese Form der Entfremdung: „Eine emotionale Beziehung herstellen. Einen Beitrag dazu leisten, dass die Trierer ,ihren’ Marx kennenlernen und sich mit ihm auseinandersetzen.“ Nicht das Schauspielhaus ist die Bühne, sondern die Altstadt. Zu zwölf authentischen Schauplätzen schickt Kram seinen Protagonisten und das Publikum. Der Kölner Tobias Schwieger (27) spielt den Abiturienten Marx, der letztmals auf seinem Schulweg unterwegs ist – in Begleitung seines Alter Ego. Das Stück „zum Mitgehen“ beginnt auf dem Simeonstiftplatz, wo der Teenager auf sein historisches Über-Ich trifft. Fortan hat Marx den Bronzemann (bei der Premiere am Mittwoch verkörpert von Lars Müller) im Schlepptau – oder der ihn. Jung-Marx arbeitet sich an dem (schweigenden) Alten ab, hadert mit ihm, zitiert ihn gar: „Ich bin kein Marxist!“ Gleichwohl will er die Welt verändern – und seine geliebte Jenny von Westphalen erobern.

Das Publikum erfährt viel über das Trier in der frühen Preußenzeit. Über Elend, Hunger, Unterdrückung und das Abgekoppelt-Sein von Fortschritt. Karl Marx, dessen Vater Jude war und zum evangelischen Glauben konvertieren musste, um als Rechtsanwalt arbeiten zu können, „hat das alles gesehen und wurde von diesen Trierer Eindrücken geprägt“, sagt Kram.

Sein Marx sei ein Marx vor allem für Trierer, aber nicht nur: „Ich will ihn bekannter machen und eine Debatte anstoßen, wie ich, der ich ebenfalls am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Abitur gemacht habe, sie leider nicht erlebt habe.“

Einen Seitenhieb auf die Bronzestatue aus China kann er sich nicht verkneifen: „Ein merkwürdiger Anachronismus. In demokratischen Ländern ersetzen das Wort und das Gespräch Denkmäler. Da müssen wir hinkommen.“

Johannes Kram hat eine sehens- und mitgehenswerte Steilvorlage geliefert.

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