Trier Karl-Marx-Statue: Applaus für Wu Weishan und sein Werk

Trier · 28 Kamerateams, Hunderte Menschen: Die Enthüllung der Karl-Marx-Statue wird zum Medienspektakel.

Einen solchen Presserummel hat die Stadt Trier vermutlich noch nie erlebt. 28 Kamerateams hatten sich für die Enthüllung der Karl-Marx-Statue angemeldet. Auf dem extra dafür hinter dem abgesperrten Gästebereich aufgebauten Podium fanden bei weitem nicht alle Platz. Die über Lautsprecher geäußerte Bitte an die Ehrengäste, während des großen Moments mit Rücksicht auf die fotografierende und filmende internationale Presse sitzen zu bleiben, war auch deshalb angebracht.

Bevor das rote Tuch jedoch ohne die befürchtete Panne unter großem Applaus von der 5,5 Meter großen Bronzeskulptur gezogen wurde und der große Sohn der Stadt Trier erstmals in voller Größe zu bewundern war, mussten die vielen Zuschauer Geduld beweisen. Ohne Reden kommt schließlich kein bedeutender Termin wie dieser aus. Aber möglicherweise trug auch der pralle Sonnenschein am Samstagmittag dazu bei, dass die Rufe der Gegendemonstranten schnell leiser wurden.

„Zu unserer Demokratie gehört auch, sich öffentlich auseinanderzusetzen. Genau das passiert hier.“ Ob dieser Hinweis von Oberbürgermeister Wolfram Leibe auf die ausdrücklich tolerierten Proteste an diesem Tag auch von den chinesischen Gästen als Aufforderung verstanden worden ist, war bei dieser Feierstunde nicht zu erkennen. Guo Weimin, Vizeminister des Informationsbüros des Staatsrates der Volksrepublik China zeigte sich jedenfalls in seiner Ansprache ebenso wenig irritiert wie der chinesische Botschafter Shi Mingde, der aus Berlin zur offiziellen Überreichung des 2,3 Tonnen schweren Geschenks seines Landes nach Trier angereist war.

„Karl Marx war ein Denker, der die Welt verändert hat. Ein Gedanke sollte aber niemals ein Dogma sein, sondern weiterentwickelt werden.“ Für diese und die meisten anderen Aussagen zur Freundschaft zwischen Deutschland und China erhielt der Botschafter freundlichen Applaus, auch von vielen der Hunderten Zuschauer, die das Enthüllungsspektakel außerhalb des abgesperrten Bereichs verfolgten. Deutlich herzlicher war aber auch ihr Beifall für Wu Weishan, den Künstler, der die Bronzestatue geschaffen hat und die Freude über sein Werk lauter als alle anderen Redner über den Simeonstiftplatz schmetterte. „Der Sonnenschein heute steht für die Freundschaft, die Liebe und die Zukunft“, übersetzte die Dolmetscherin. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer erinnerte an die Notwendigkeit des permanenten Dialogs für eine Freundschaft. Die Statue sei eine Säule der Partnerschaft. „Sie schafft Räume, um sich auszutauschen.“

Einweihung der Karl-Marx-Statue in Trier
21 Bilder

Einweihung der Karl-Marx-Statue in Trier

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Foto: Rainer Neubert

Zumindest am Samstagmittag wurden diese Räume genutzt, sobald die Ordner – nach dem offiziellen Teil und den kleineren, symbolischen Protestaktionen am Fuße der Statue – die Absperrgitter beiseite räumten und die Skulptur für die Bürger nahbar machten. Gesprächsstoff zu Karl Marx, seine Ideen und deren Folgen fand sich reichlich, auch beim sich anschließenden Fest auf dem Simeonstiftplatz. Mindestens ebenso häufig Thema war die Ästhetik der Statue, die dank der vielen Journalisten in ganz Europa und in Asien beurteilt werden kann.

„Kunst braucht Freiheit!“ Triers Baudezernent Andreas Ludwig, der noch einmal an die politischen Diskussionen um das Werk in den vergangenen Monate erinnert hatte, zeigte sich mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. „Ein großer Philosoph braucht eine große Skulptur.“ Für diese Aussage wird er trotz der optisch gelungenen neuen Touristenattraktion am Rande des Simeonstiftplatzes allerdings nach wie vor nicht die Zustimmung aller Trierer Bürger bekommen.

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