Planetary Health Diet Wie es im Alltag klappt, möglichst gesund und nachhaltig zu essen
Trier · Wissenschaftler haben eine Ernährungsweise zusammengestellt, die möglichst gesund für den Menschen und möglichst gut für unseren Planeten ist. Wie sieht sie im Detail aus und funktioniert es, im Alltag so zu essen? Ein Praxistest.
Ich stehe in meiner Küche und sortiere Karotten- und Tofustücke auseinander, die ich am Tag zuvor noch in einer großen Schüssel vermischt und mit Gewürzen und Olivenöl angerichtet habe. Denn das Verhältnis der beiden Lebensmittel zueinander stimmt nicht ganz: zu wenig Gemüse, zu viel Bohnenquark.
Normalerweise hätte mich das nicht gestört, ich wäre auch gar nicht darauf aufmerksam geworden. Aber ich will ausprobieren, mich nach der Planetary Health Diet zu ernähren – und da ist genau vorgegeben, wie viel Gramm von welcher Lebensmittelgruppe man pro Tag (oder pro Woche) essen sollte.
Was ist die Planetary Health Diet und auf wen geht sie zurück?
Die Planetary Health Diet ist ein Speiseplan, der sowohl auf eine gesunde als auch eine nachhaltige Ernährung abzielt – also „die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützen könnte“, wie es das Bundeszentrum für Ernährung ausdrückt.
Dahinter steckt die EAT-Lancet-Kommission. Das ist eine Kooperation zwischen der globalen Nichtregierungsorganisation EAT, die sich für ein faires und nachhaltiges sowie gesundes globales Ernährungssystem einsetzen, und der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“. Zu der Kommission gehören 37 Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern und Disziplinen, zum Beispiel Gesundheit, Ernährung und Klima.
Diese EAT-Lancet-Kommission hat im Januar 2019 einen Report veröffentlicht, der zeigt, dass eine grundlegende Veränderung der Landwirtschaft und Ernährungsweise nötig ist, um alle Menschen der Welt bis zum Jahr 2050 gesund und nachhaltig zu ernähren. Dabei ist auch der Speiseplan der Planetary Health Diet herausgekommen. Er besteht vor allem aus Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen.
Wie ernährt man sich bei der Planetary Health Diet?
Für jede Lebensmittelgruppe ist dabei eine empfohlene Menge pro Tag angegeben, mit möglichen Spannbreiten, um verschiedene Ernährungsstile, aber auch kulturelle Traditionen und persönliche Präferenzen zu berücksichtigen. Die Mengenangaben in Gramm basieren auf einer täglichen Energieaufnahme von 2500 Kilokalorien.
- Vollkorngetreide: 232 g
- Stärkehaltiges Gemüse (Kartoffeln, Maniok): 50 g (0 bis 100 g)
- Gemüse: 300 g (200 bis 400 g)
- Obst: 200 g (100 bis 300 g)
- Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch: 14 g (0 bis 28 g)
- Geflügel: 29 g (0 bis 58 g)
- Eier: 13 g (0 bis 25 g)
- Fisch: 28 g (0 bis 100 g)
- Hülsenfrüchte: 75 g (0 bis 100 g)
- Nüsse: 50 g (0 bis 75 g)
- Milchprodukte (Vollmilch oder aus dieser Menge hergestellte Produkte): 250 g (0 bis 500 g)
- Ungesättigte Fette (z.B. Olivenöl): 40 g (20 bis 80 g)
- Gesättigte Fette (z.B. Palmöl oder Schmalz): 11,8 (0 bis 11,8)
- Zugesetzter Zucker (alle Süßungsmittel): 31 (0 bis 31)
Diese Kritik gibt es an der Planetary Health Diet
Kritik an diesem Essensplan gibt es auch. Ein Knackpunkt ist, dass 2500 Kilokalorien pro Tag je nach Tätigkeit für die einen zu viel, für die anderen zu wenig ist. Außerdem haben nicht alle Menschen auf dieser Erde überhaupt so viele Kalorien pro Tag zum Essen zur Verfügung. Zum anderen bedeutet diese Ernährungsweise teils eine große Umstellung. So dürfte zum Beispiel in Nordamerika nur noch etwa ein Siebtel der üblichen Menge an rotem Fleisch verzehrt werden.
Vorbereitungen für eine Woche Planetary Health Diet im Praxistest
Ob es auch für mich eine zu große Umstellung ist, will ich innerhalb einer Woche testen. Auf den ersten Blick scheint es mir nicht unbedingt so, da ich mich vegan ernähre. So liegt die Spanne der tierischen Produkten, die bei der Planetary Health Diet nur in geringen Mengen verzehrt werden dürfen, automatisch bei Null. Allerdings stolpere auch ich über den ersten Kritikpunkt: 2500 Kalorien sind für mich als Frau mit überwiegend sitzender Tätigkeit trotz regelmäßigen Sports zu viel.
Das ist aber kein großes Problem, da ich die Mengen herunterrechnen kann. Dafür brauche ich nicht einmal eine Excel-Tabelle, wie ursprünglich geplant, denn es gibt mittlerweile auch Apps zur Planetary Health Diet. Ich entscheide mich für „planeatary“, eine App, die ich als iPhone-Nutzerin kostenlos im AppStore herunterlade. Darin kann ich meine Ernährungsweise (vegan) und meine täglichen Kalorien (1900) eingeben, dann werden die empfohlenen Mengen auf Basis der Planetary Health Diet berechnet.
Für mich ergibt sich mit den Veränderungen vegan und weniger Kalorien bei der Planetary Health Diet folgende Zusammenstellung pro Tag (Mengenangaben in Gramm):
- Getreide: 187 g
- Stärkehaltiges Gemüse: 40 g
- Gemüse: 241 g
- Obst: 161 g
- Hülsenfrüchte: 76 g
- Nüsse: 59 g
- Pflanzenöle: 32 g
- Palmöl: 5 g
- Zucker: 24 g
Zur Vorbereitung auf meinen Praxistest überprüfe ich bereits vor dem Start, was ich an meiner Ernährung ändern muss. Als erstes gebe ich in die App ein, was ich normalerweise esse: Haferflocken mit Leinsamen, Sojajoghurt und Hafermilch sowie einen Obst-Gemüse-Smoothie zum Frühstück, Brot mit Aufstrich und Essiggurken zu Mittag, eine Banane und einen Müsliriegel zwischendurch, ein einfaches Pfannengericht mit einer Kohlenhydratquelle wie Nudeln und der bereits erwähnten im Ofen vorbereiteten Tofu-Karotten-Mischung zum Abendessen, schließlich als Nachspeise noch etwas Sojajoghurt.
Planetary Health Diet
Speiseplan für die Planetary Health Diet
Heraus kommt: Ich esse zu viel Getreide, zu viel Obst (im Smoothie steckt mehr drin als gedacht) und zu viele Hülsenfrüchte, aber dafür viel zu wenige Nüsse. Das lässt sich ändern. Ich bastle in der Theorie etwas an den Mahlzeiten herum, überlege, begutachte meine Vorräte und sortiere wie anfangs beschrieben Tofu und Karotten auseinander. Mein optimierter Speiseplan, der bis auf wenige Gramm genau auf die Mengenangaben passt, sieht danach so aus:
- Frühstück: 20 g geschrotete Leinsamen, 20 g Sonnenblumenkerne, 20 g Haferflocken, 160 g Sojajoghurt und etwas Hafermilch für die Konsistenz; dazu ein Glas (ca. 180 Milliliter) grüner Smoothie (Apfel, Banane, Spinat, Birne, Grünkohl, Ingwer, Matcha)
- Mittagessen: 2 Scheiben Vollkornbrot, veganer Aufstrich (60 g veganer „Frischkäse“ aus Mandeln mit ca. 8 g Jackfrucht-Erbsen-Mischung), 40 g Essiggurken
- Zwischendurch: 1 Hafer-Müsliriegel; ca. 30 g Nüsse
- Abendessen: 200 g Karotten und 100 g Tofu (im Ofen vorbereitet mit etwas Olivenöl), 250 g gekochte Nudeln (oder andere Getreideprodukte in vergleichbarer Menge), angebraten mit ca. 20 g veganer Kokos-Streichcreme
- Nachspeise am Abend: ca. 130 g Sojajoghurt
- An einem Tag der Woche statt der Getreideprodukte zum Abendessen Kartoffeln, da 40 Gramm pro Tag für mich nicht funktioniert, auch weil ich Kartoffeln nicht gut lagern kann. Zum Ausgleich rechne ich an den anderen Tagen mit einer etwas höheren Menge an Getreideprodukten.
Mehrkosten durch die Planetary Health Diet?
Gerne würde ich an dieser Stelle herunter rechnen, was mich die Planetary Health Diet kostet – aber ich habe nichts neu gekauft, außer der Sonnenblumenkerne und der Nüsse. Und die vorhandenen Lebensmittel zu Hause wegwerfen, um für den Test neue zu kaufen, kommt natürlich nicht in Frage.
Deshalb zur Orientierung: Ich gebe wöchentlich etwa 50 Euro für Lebensmittel und Haushaltsprodukte wie etwa Spülmittel oder Klopapier aus. Dabei kaufe ich aus Kostengründen im Discounter oder Supermarkt vor allem günstigere Produkte der jeweiligen Eigenmarken, versuche aber, auf Regionalität und Bio zu achten. Die Karotten kommen zum Beispiel aus Deutschland, das Soja für den Tofu aus Österreich und das Soja für den Joghurt aus Frankreich. Da mit dem neuen Speiseplan weniger Obst, Getreideprodukte und Hülsenfrüchte nötig sind, würde sich das mit den Mehrkosten für die Kerne und Nüsse etwa ausgleichen.
So könnte der Speiseplan für die Planetary Health Diet besser werden
An meinem Speiseplan kann man natürlich einiges kritisieren, was Gesundheit oder Nachhaltigkeit angeht. So produziere ich zum Beispiel durch den veganen „Frischkäse“, den Sojajoghurt und den Müsliriegel viel Verpackungsmüll. Auch könnte ich für noch mehr Regionalität auf dem Wochenmarkt oder direkt beim Erzeuger im Hofladen einkaufen. Aus der Gesundheitsecke heraus könnte man anprangern, dass etwa der vegane „Frischkäse“ ein ziemlich stark verarbeitetes Lebensmittel ist.
Allerdings muss der Speiseplan realistisch zu meinem Alltag passen, sowohl aus finanzieller als auch aus organisatorischer und persönlicher Sicht. Das für den Praxistest zu verändern, wäre nicht gerade ehrlich. Außerdem habe ich einige Unverträglichkeiten, was Lebensmittel angeht. Deshalb behalte ich den Plan bei.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es natürlich auch Kritik an der veganen Ernährung generell gibt. Allerdings habe ich mich vor der Entscheidung dafür umfassend auch anhand wissenschaftlicher Literatur informiert, ich habe nach drei Jahren auch aus medizinischer Sicht keine negativen Auswirkungen und die Ernährungsweise passt unter anderem wegen der erwähnten Unverträglichkeiten am besten zu meinem Leben. Ich nehme keine Nahrungsergänzungsmittel außer Vitamin B12 und behalte das auch während der Planetary Health Diet bei. Deshalb wird hier nicht näher auf dieses Thema eingegangen.
So klappt die Planetary Health Diet in der Praxis
So viel zur Theorie, jetzt zur Praxis. Nach meinen Berechnungen beginne ich den Test an einem Montag. Zunächst auch erfolgreich, denn mithilfe des im Vorhinein aufgestellten Plans klappt alles ganz gut. Vor allem nach dem Frühstück habe ich gefühlt mehr Energie und bin wacher als sonst, auch wenn ich mir im ersten Moment bei den ganzen Körnern vorkomme wie ein Vogel und die Konsistenz des Müsli-Gemischs etwas ungewöhnlich ist.
An Mittag- und Abendessen habe ich, bis auf weniger Tofu und etwas mehr Gemüse, sowieso nicht viel verändert. Tagsüber zeigen sich bei mir auch mit insgesamt 10 Kilometern Arbeitsweg auf dem Fahrrad und bei einer Stunde Krafttraining im Fitnessstudio keine Probleme, was Kraft, Ausdauer oder Hungergefühl angeht.
Auch am Dienstag und Mittwoch komme ich gut zurecht, da ich ganz normal arbeite, meine vorbereiteten Mahlzeiten im Büro dabei habe und abends zu Hause esse. Ab Donnerstag bin ich aber unterwegs – zuerst bei einer Freundin zu Besuch, und dann gemeinsam auf einem Festival. Ab diesem Punkt klappt es nicht mehr. Wir essen vor allem außerhalb und auf dem Festivalgelände an verschiedenen Ständen, denn es gibt dort keine Möglichkeit, selbst zu kochen oder Essen mitzubringen.
An den Ständen erfrage ich nicht das genaue Gewicht und die genauen Inhaltsstoffe der Speisen (bis auf Unverträglichkeiten). Das würde bei dem dort herrschenden großen Andrang viel zu lange aufhalten, selbst wenn ich genaue Antworten darauf bekommen würde. Deswegen ist es schon nicht möglich, überhaupt herauszufinden, wie viele von welcher Lebensmittelgruppe ich gegessen habe und wie viel ich noch übrig habe. Und selbst wenn, würde ich die Vorgaben der Planetary Health Diet mit dem Angebot vor Ort auch sehr wahrscheinlich nicht einhalten können.
Natürlich könnte man kritisieren, eine Woche mit derartigem Programm für den Test herausgesucht zu haben. Da ich jedoch öfter unterwegs oder verabredet bin und dabei auch auswärts esse, wäre es realitätsfern, sieben Tage auszuwählen, an denen ich nur zu Hause bin. Und ich möchte die Ernährungsweise ja wirklich im Alltag – heißt auch in verschiedenen Situationen – ausprobieren.
Fazit nach einer Woche Planetary Health Diet
Mein Fazit nach sieben Tagen: Für mich war die Umstellung auf die Planetary Health Diet generell kein Problem, da ich wegen meiner veganen Ernährung nicht viel ändern musste. Wer dagegen viel Fleisch und wenig Gemüse isst sowie viele Milchprodukte konsumiert, wird es wahrscheinlich schwerer haben.
Außerdem habe ich keine hohen Ansprüche, was Essen angeht, und auch kein Problem mit wiederholt gleichen oder sehr ähnlichen Mahlzeiten. Das macht es aus meiner Sicht zusätzlich leichter. Der Ernährungsweise zu folgen, hat für mich aber nur funktioniert, wenn ich zu Hause gegessen und selbst gekocht habe. Sobald ich außerhalb gegessen habe, war es eher schwierig.
Mein größtes Problem mit der ganzen Sache ist jedoch generell, das Essen jeden Tag bis aufs Gramm genau zu messen, alles aufzuschreiben und sich strikt an den Plan zu halten. Theoretisch werden dabei auch die Kalorien mitgezählt. Wer sich näher mit Essstörungen beschäftigt hat oder selbst davon betroffen ist, weiß, dass all das – genaues Kalorienzählen, strikte Einhaltung eines Essensplans, Fixierung auf die Zubereitung der Mahlzeiten bis aufs Gramm – psychisch problematisch werden kann.
Aus diesen Gründen erscheint es mir nach meinem Praxistest am sinnvollsten, die Planetary Health Diet nicht bis aufs Gramm genau zu nehmen, sich aber für eine gesunde und nachhaltige Ernährung ungefähr danach zu richten. Für mich heißt das zum Beispiel, mehr Nüsse zu essen. Mein Frühstück werde ich deshalb in der neuen Form beibehalten – aber zwischendurch auch mal ganz ohne Körner Brunchen gehen. Und meine Tofu-Karotten-Mischung werde ich in Zukunft in einem anderen Verhältnis zubereiten. Aber definitiv darauf verzichten, sie wieder auseinander zu sortieren, wenn es dann doch nicht ganz passt.
Wer sich intensiver über die Planetary Health Diet informieren möchte, kann das zum Beispiel beim Bundeszentrum für Ernährung tun.