Gastronomie Björn Swanson in Trier und das „The Benedict“: So tickt der Berliner Sternekoch

Trier/Berlin · Sternekoch Björn Swanson hat sich in Berlin einen außergewöhnlichen Ruf erworben. Wir haben mit ihm über sein bewegtes Leben gesprochen: Was ihn von den US-Marines zur Koch-Ausbildung brachte, wieso er einmal wegen gemixten Zutaten kündigte und warum die Portionen seiner Gerichte recht groß sind.

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   Sternekoch      
   Björn Swanson.

Sternekoch Björn Swanson.

Foto: Faelt/Björn Swanson

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag ist erstmals im Juni 2022 anlässlich der Eröffnung des Benedict in Trier erschienen.

Der Tag hat gerade nicht genug Stunden für Björn Swanson. Der Spitzenkoch, der in Berlin mit seinem Sterne-Restaurant Faelt Furore macht, arbeitet an einem neuen Projekt: das Restaurant The Benedict in Trier. Anfang Juli soll das Gartenlokal auf dem Gelände des ehemaligen Central-Hotels Faßbender eröffnen und die Zeit rennt. Swansons Terminkalender ist voll. Er lernt Moselwinzer und regionale Lebensmittel-Erzeuger kennen, sucht Personal, klärt Organisatorisches und bastelt intensiv an seiner Speisekarte.

Der Hektik begegnet der 38-Jährige mit unerschütterlicher Ruhe und Gelassenheit, gespeist von der Tatsache, dass ihm fast alles, was er anpackt, gelingt.

„Trier ist ein guter Standort, um ein Konzept auszuprobieren, das es so noch nicht gibt. Es passt alles: die Weingüter, die Historie, der Charme der Stadt“, sagt der Berliner Meisterkoch des Jahres 2019. Ein bisschen, scheint es, hat er sich in die Region verliebt. „Hier hat man alles, was man braucht, ist aber schnell im Umland. Das ist unschlagbar. Außerdem ist in Trier nicht so viel Lärm wie in Berlin.“

Weil ihn der Krach der Metropole zusehends genervt hat, zog der Küchenchef vor einigen Jahren mit seiner Familie ins Havelland, 25 Kilometer von der deutschen Hauptstadt entfernt. Das Landleben gefällt ihm, seiner Frau und den beiden Kindern. Deshalb pendelt er jeden Tag. Per Elektroauto. Überhaupt ist der Mann, dem viele ein wikingerähnliches Aussehen nachsagen, lieber umweltfreundlich unterwegs. Züge zieht er Flugzeugen vor.

Björn Swanson: Vom US-Soldat zum Berliner Sternekoch

Swanson, der Individualist. Er bleibt sich stets treu. Idealist sei er. Man glaubt es ihm sofort. Wenn nötig, kehrt er um. Aber verbiegen? Niemals. Dafür nimmt der Rebell die Konsequenzen in Kauf. Mit 16 Jahren bricht der Deutsch-Amerikaner mit schwedischen Wurzeln die Schule ab. Sein Vater arbeitet als Soldat in der US-Armee, sein großes Vorbild: „Mein Wunsch war es immer, US-Soldat zu werden“, sagt er. Also meldet sich der 17-Jährige freiwillig bei den Marines. Nach eineinhalb Jahren hat er einen Trainings-Unfall, der seine Karriere jäh beendet. Sein Knie ist kaputt. Er kehrt zurück nach Berlin. Doch im Jahr 2003 sind Ausbildungsplätze in Deutschland rar. „Ich hatte die Wahl, entweder Bäcker oder Koch zu werden“, grinst Swanson. „Da ich ungern früh aufstehe, bin ich Koch geworden. Es war viel Zufall und viel Glück dabei.“

Der Zufall verschlägt ihn ins Alte Zollhaus, wo er seine Lehre beginnt. „Ein sehr traditionelles Gasthaus mit grundsolider klassisch-französischer Küche. Dort habe ich alle Basics gelernt.“ Wie es sich für einen Jungkoch gehört, zieht er weiter, verfeinert sein Handwerk in Berlin im Fischers Fritz (heute Charlotte und Fritz) unter Zwei-Sterne-Koch Christian Lohse, in der Weinbar Rutz (heute Drei-Sterne) unter Marco Müller, im Facil (heute zwei Sterne) unter Michael Kempf und arbeitet ein Jahr in Spanien bei dem hochdekorierten spanischen Sternekoch Paco Pérez. Mit einschneidenden Folgen.

Die sogenannte Molekularküche ist Anfang der 2000er Jahre ein regelrechter Hype. Eine experimentelle Art zu kochen, die Gerichte mit völlig neuartigen Eigenschaften erzeugt, etwa mit Schäumen und Mousses, warmen Gelees, heißem Eis, das beim Abkühlen im Mund schmilzt, Bonbons aus Olivenöl oder Kaviar aus Melonen. „Als diese Küche 2007/2008 aus Spanien herüberschwappte, dachte jeder, das ist super“, erzählt Swanson. „Paco Pérez ist ein Schüler von Ferran Adrià, dem bekanntesten Vertreter der Molekularküche. Eine Art von Küchenphilosophie allerdings, die ich nicht mittragen konnte und kann. Da geht es nur um Kreativität zu Lasten des Produktes.“ Als ihm daher sein Chef den Auftrag erteilt, eine Creme aus Beluga-Kavier und Meerwasser im Mixer herzustellen, platzt Swanson der Kragen. Er kündigt.

Sternekoch Björn Swanson: 2017 eröffnet er das Golvet, 2020 das Faelt

 Sashimi vom Müritz Zander mit Brühe und geräucherter Crème fraîche.

Sashimi vom Müritz Zander mit Brühe und geräucherter Crème fraîche.

Foto: Faelt/Björn Swanson

Arbeitslos wird der eigensinnige Koch dennoch nicht. Nachdem er 2015 einen Stern im Gutshaus Stolpe (Mecklenburg-Vorpommern) verteidigt hat, eröffnet er 2017 in Berlin das Restaurant Golvet. Am schicken Potsdamer Platz genießen Gäste und Gourmetkritiker fortan seine Kreationen. Das Ergebnis: Bereits nach einem halben Jahr zeichnet ihn der rennomierte Restaurantführer Guide Michelin mit einem Stern aus.

Das hätte jetzt das Ende der Geschichte von Sternekoch Björn Swanson in Berlin sein können. Doch dem ist nicht so. 2020 kommt der Wendepunkt. Nicht wegen der Corona-Pandemie, sondern weil sich der bärtige Küchenchef mit der Betreibergesellschaft nicht auf eine weitere Zusammenarbeit einigen kann.

Dessert vom Apfel mit gerösteter Hefe.

Dessert vom Apfel mit gerösteter Hefe.

Foto: Faelt/Björn Swanson

Ohne Angst vor dem großen Risiko, das er mitten in der Pandemie eingeht, schließt er daher im Oktober 2020 die Tür zu seinem eigenen Restaurant „Faelt“ - schwedisch für Feld - im Berliner Stadtteil Schöneberg auf. Jetzt kann Swanson endlich sein eigenes Ding machen. Mit 36 Jahren besinnt er sich. Auf das, um was es beim Kochen im Kern geht: die Produkte. Gerichte, reduziert auf das Wesentliche. „Es kommt eine Phase, wo man gründlich nachdenkt. Das war wie eine Reinwaschung. Das Faelt ist mein Laden, und ich kann dort meine Philosophie präziser umsetzen. Ich dachte, wenn ich den Betrieb gegen die Wand fahre, dann ist das meine Sache.“ So beginnt er von neuem. Kreativ. Nachhaltig. Schnörkellos. Pur. „Ich brauche keine zehn Komponenten auf dem Teller. Ein Fisch mit einer guten Soße. Das reicht. Das Produkt muss für sich selbst sprechen. Weniger ist mehr.“ Vier Wochen lang bewirtet er seine Gäste in dem kleinen Restaurant mit gerade mal 20 Sitzplätzen. Dann macht der Lockdown alle weiteren Pläne zunichte. Als im März 2021 der gestrenge Restaurantführer Guide Michelin erscheint, macht dessen Kritik selbst Björn Swanson sprachlos: Das Faelt sei eine Küche voller Finesse, einen Stopp wert und wird mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Für Swanson der Beweis: Er ist auf dem richtigen Weg.

Die Auszeichnung bestätigt seine Ansicht, ohne Hummer, Kaviar, Gänseleber oder Trüffel auf hohem Niveau kochen zu können. Rigoros lehnt er gewisse Luxusprodukte für seine Küche ab: „Wir bereiten keine Meeresfische, sondern Süßwasserfische aus der Mecklenburger Seenplatte zu. Bevor man mit Steinbutt anfängt, sollte man mit heimischen Sorten wie Zander arbeiten.“ Jedes Produkt habe seinen Wert, stellt Swanson klar. „Aber 3500 Euro für ein Kilo Albatrüffel, das ist schon verrückt. Anstatt Pasta mit Trüffel auf den Tisch zu bringen, finde ich eine Champingnonrahmpfanne viel leckerer. Da ist mehr Handwerk drin. Ich will diese Statussymbolik auch gar nicht.“

Für das Benedict in Trier will er daher ebenfalls möglichst viele regionale Produkte einkaufen. „Es wird keine Importware geben. Die Küche soll heimatverbunden sein. Ich will nichts, was mit dem Flugzeug hergebracht wurde.“ Statt Mangos also Quitten, statt Bananen Birnen, Stachelbeeren oder Äpfel. So setzt er eher auf ein Tartar von der Forelle als vom Wildlachs, liebäugelt mit heimischem Wild und bemüht sich um Produzenten, die ihm Fleisch von Rindern und Schafen aus der Region liefern können. Nachhaltig ist das allemal und das Credo von Björn Swanson, wenn man so will. In seiner Küche werfen die Mitarbeiter kaum etwas weg. Sein Personal behandelt er fair, sagt er. Ebenfalls ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Tatsächlich ist er der Ansicht, dass die Gastronomen an der jetzigen Personalkrise nicht ganz unschuldig seien. Wertschätzung sei das Schlüsselwort. „Bei meinen Mitarbeitern gibt es keine Unterschiede.“

So soll es auch in Trier sein. Swanson pflegt einen offenen und ehrlichen Umgang. Geradeheraus und echt. Was auf Gegenseitigkeit beruht. Er ist offen für Kritik. „Wenn ein Gericht nicht funktioniert, nehme ich es wieder von der Karte. Bei aller Kreativität bin ich ein bodenständiger Typ. Ich habe in eine Brandenburgische Familie eingeheiratet. Ich weiß wie das ist auf dem Land. Also werden die Portionen im Benedict entsprechend groß sein. Die Gäste wollen etwas haben für ihr Geld.“

The Benedict in Trier soll „zivile Preise“ haben

Das Sternerestaurant Faelt in Berlin.

Das Sternerestaurant Faelt in Berlin.

Foto: Björn Swanson/Lily Roggemann

Apropos Geld. Erstaunlich, aber wahr: In seinem Sternerestaurant kostet das 9-Gänge-Menü 99 Euro. An diesem Preis will er nicht rütteln. Er sagt: „Wir wollen kein etepetete Schickimicki-Restaurant sein. Es soll mehr so sein wie ein nach Hause kommen. Zu Freunden.“ Auch im Benedicts will er die Preise zivil halten. Zwölf bis 16 Euro für die Vorspeisen, 18 bis 22 Euro für die Hauptgänge. Auf der Getränkekarte werden regionale Weine und Biere überwiegen.

Vier bis sechs Wochen will der Berliner Starkoch mit seiner Familie in Trier verbringen, um dem neuen Lokal Starthilfe zu geben. Ganz oben auf Swansons Liste steht ein Besuch beim Trierer Sternekoch Wolfgang Becker, den er zwar nicht persönlich kennt, der aber „der Küchenstar meiner Jugend ist“. Mit Harald Rüssel, Sternekoch und passioniertem Jäger aus Naurath, verbindet ihn die Mitgliedschaft bei den Jeunes restaurateurs, einer Vereinigung europäischer Köche der gehobenen Gastronomie und die Tatsache, dass beide bereits im Fernsehen aufgetreten sind. Swanson war 2019 Gastjuror in The Taste von Sat.1, und im Februar 2022 Kochgegner von Tim Mälzer in einer Episode von Kitchen Impossible bei Vox. Rüssel moderierte in „Zwei Mann für alle Gänge“ im SR-Fernsehen gemeinsam mit Manuel Andrack sowie in Einfach köstlich – Kochen mit Harald Rüssel für den SWR.

Vielleicht haben beide sogar Zeit, miteinander auf die Jagd zu gehen. Eine Gelegenheit für Björn Swanson, dem heimischen Wild hautnah auf der Spur zu kommen.

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