Nach Streit um Kreistagsliste: Grünes Vorstandstrio tritt drei Monate vor der Kommunalwahl ab

Daun/Gerolstein · Die Grünen des Kreises Vulkaneifel stehen drei Monate vor der Kommunalwahl ohne geschäftsführenden Vorstand da: Außer dem Kassierer sind alle drei Spitzenleute zurückgetreten. Grund war ein Streit über die Listenaufstellung für den Kreistag, bei dem das einzige Kreistagsmitglied Karl-Wilhelm Koch und Rückkehrer Eckard Wiendl vorderste Plätze beansprucht haben.

 10.10.2012 Schmetterling zu Besuch auf einer Sonnenblume !!

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Foto: ALICE STEYER - FONCK

Daun/Gerolstein. Auf der Homepage des Grünen-Kreisverbands Vulkaneifel sieht es aktuell sehr leer aus - zumindest wenn man den Button "Vorstand" anklickt: Aufgeführt als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands ist dort nur noch Uller Koenig, Schatzmeister. Vom eigentlichen Spitzentrio um Geschäftsführer Rainer Klippel, Sprecherin Theresia Utters und Sprecher Edwin Kreitz ist nichts mehr zu sehen und zu lesen. Grund: Es ist komplett zurückgetreten.
Auf TV-Anfrage erklärt derzurückgetreteneGeschäftsführer Rainer Klippel aus Daun-Pützborn, der das Amt vor knapp drei Jahren übernommen hat: "Wir sind damals angetreten, um die politische Kultur im Kreisverband zu erneuern, die Zusammenarbeit zu verbessern. Wir dachten auch, das sei uns gelungen. Bei der jüngsten Vorstandssitzung zur Listenaufstellung mussten wir aber leider feststellen, dass wir wohl doch gescheitert sind. Die alten Gräben sind wieder aufgerissen."
Im Kern der Auseinandersetzung ging es um die Verteilung der vorderen Plätze für die Kreistagsliste: Während das Vorstands trio laut Klippel "Konsequenzen aus dem schlechten Wahlergebnis von 2009 ziehen" und "neue Leute nominieren" wollte, meldeten die Spitzenkandidaten von 2009, Eckard Wiendl und Karl-Wilhelm Koch, erneut Anspruch auf vorderste Listenplätze an.
Zunächst sei es um die Plätze zwei und drei gegangen, nach einigem Hin und Her dann um drei und vier. Unumstritten war lediglich Listenplatz eins für Eva Pestemer vom Ortsverein Kelberg. Aktuell haben die Grünen einen Sitz im Kreistag, Karl-Wilhelm Koch hat den Platz inne.
Klippel, der bewusst keine Namen nennen wollte, sagte auf TV-Anfrage: "2009 hatten wir kein gutes Wahlergebnis. Daher sollten sich die Spitzenkandidaten von damals mit hinteren Listenplätzen begnügen und neue Leute vorlassen. Damit wir besser abschneiden und wieder mindestens zwei Sitze erringen."
Die ebenfalls zurückgetretene Vorstandssprecherin Theresia Utters aus Daun-Boverath fügte hinzu: "Wir dachten, das Miteinander spielt bei uns wieder eine größere Rolle. Wir mussten jetzt aber feststellen, dass das bei Personalentscheidungen und letztlich auch Machtfragen doch nicht so ist. Daher unser Rücktritt." Auf die Frage, ob sie den Zwist vor allem an Rückkehrer Eckhard Wiendl festmache, sagte sie: "Er ist ja sehr davon überzeugt, dass er im Kreis gute Arbeit geleistet hat und deshalb vorne stehen muss. Aber dieser Meinung waren wir eben nicht."
In die gleiche Kerbe schlägt das ehemalige Kreistagsmitglied und der heutige Sprecher des einflussreichen Grünen-Ortsverbands Gerolstein, Tim Steen: "Grund für das jetzige Zerwürfnis ist, dass diejenigen, die für das desaströse Wahlergebnis vor fünf Jahren verantwortlich sind, Eckard Wiendl und Karl-Wilhelm Koch, nicht bereit sind, Konsequenzen zu ziehen. Im Gegenteil: Sie drängen sich wie vor fünf Jahren nach vorne. Vor allem Wiendl ist total uneinsichtig."
Er und auch das Vorstandstrio hatten hingegen für Platz zwei den Grünen-Landtagsabgeordneten Dietmar Johnen vorgesehen, der seit einigen Monaten im Kreis Vulkaneifel lebt - in Kalenborn-Scheuern in der VG Gerolstein. Nach dem ganzen Zwist machte der jedoch einen Rückzieher. Er sagte: "So einen Stil habe ich noch nie erlebt - weder in meinem bisherigen Kreisverband Bitburg-Prüm noch auf Landesebene. Als Konsequenz werde ich auf dieser Liste nicht erscheinen."
Grünen-Kreistagsmitglied Karl-Wilhelm Koch, der das Mandat vor gut zweieinhalb Jahren von Eckard Wiendl wegen dessen Wegzugs aus dem Kreis übernommen hatte, meinte, dass er den Schritt des Vorstandstrios "außerordentlich bedauere". Dennoch rechtfertigte er seine Haltung: "Ich habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren gute Arbeit geleistet, was mir auch vielfach bestätigt worden ist. Da ist es selbstverständlich, dass ich den ersten freien Platz auf der Liste beanspruche." Und das sei wegen des Frauenstatuts eben Platz zwei. Er hätte auch kein Problem damit, gegen Johnen um Platz zwei zu kandidieren, sagt Koch. Ihn und Eckard Wiendl alleine für das schlechte Wahlergebnis 2009 verantwortlich zu machen, sei nicht gerechtfertigt. Koch: "Den Schuh ziehe ich mir nicht an, das hat viele Gründe gehabt."
Ähnlich argumentierte auch Eckard Wiendl, der nach rund zwei Jahren in Trier wieder im Kreis lebt und arbeitet, sagte: "Wenn ich Interesse an der Kreistagsarbeit habe, dann muss ich auch vorne kandidieren. Alles andere macht keinen Sinn." Ihm das schlechte 2009er-Ergebnis anzukreiden sei ebenso falsch wie der Vorwurf, er dränge sich von außen rein: Wiendl: "Ich bin seit 1991 im Kreis und stets im Kreisverband geblieben. Ich war nur für zwei Jahre nicht mehr so präsent." Er bedauere außerordentlich den Rücktritt des Vorstands, habe sich von ihm aber auch "mehr Durchhaltevermögen" gewünscht. Jetzt gehe es darum, "durch viele Gespräche den Laden zusammenzuhalten, denn es ist alles schon traurig genug."
Die Kreismitgliederversammlung, bei der die Grünen-Kreistagsliste beschlossen werden soll, ist auf den 16. März terminiert. Die Geschäfte führt bis zur Wahl eines neuen Vorstands der Landesverband der Grünen.Meinung

Rückfall in alte Zeiten
Im landschaftlich reizvollen und daher hochgradig schützenswerten Kreis Vulkaneifel gibt es sicherlich viele Menschen, die gerne grün wählen würden. Der Gesteinsabbau, der Autobahnbau, der Ausbau der Bahnstrecken sind nur einige Themen, die den Grünen Unterstützer und Wähler bescheren dürften. Tut es aber nicht. Wieso? Es ist der unsägliche Streit innerhalb des Kreisverbands, der die Arbeit der Ökopartei schon seit vielen Jahren zumindest lähmt, bereits mehrmals zum Erliegen gebracht und das Image ramponiert hat. Wer schon einmal auf einer Mitgliederversammlung war, weiß: Da wird nicht selten um des Diskutierens willen diskutiert. Da wird gezankt - was auch okay ist. Da können die einen nicht mit den anderen - wie bei so manch anderer Partei. Aber, und das ist der große Unterschied: Da wird lieber blockiert, als mit der Faust in der Tasche einem Kompromiss zugestimmt oder sich selbst zurückgenommen. Da sind für den kleinen Kreisverband einfach zu viele Egomanen am Werk. Man hatte gemeint, mit dem neuen Vorstand seien in den vergangenen Jahren die Zwistigkeiten beigelegt, stärker das Miteinander betont, der Ausgleich gefördert worden. Wirklich. Und jetzt das. Ein Rückfall in alte Zeiten. Drei Monate vor der Wahl einen solchen Streit eskalieren zu lassen, zeugt von großer politischer Dummheit, der den zweiten oder dritten Kreistagssitz in weite Ferne rücken lässt. Die anderen Parteien wird es freuen. m.huebner@volksfreund.deExtra

Bei der Kreistagswahl 2009 haben die Grünen im Kreis laut amtlichem Endergebnis 4,0 Prozent der Stimmen erzielt, somit nur noch einen Sitz im Kreistag errungen und den Fraktionsstatus verloren, der deutliche größere Einflussmöglichkeiten bietet. 2004 waren es noch 4,7 Prozent und zwei Mandate, 1999 waren es 4,6 Prozent und ebenfalls zwei Mandate und somit Fraktionsstatus. mh

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