Noch 100 Tage: Wahlkampf im Zeichen der Krise

Berlin (dpa) · Countdown bis zur Bundestagswahl: Noch 100 Tage, dann steht die neue politische Landkarte fest. Längst hat sich Endzeitstimmung über die große Koalition gelegt.

Noch einmal kommt der Bundestag Anfang Juli zur gemeinsamen Plenarsitzung zusammen, dann verabschieden sich die Politiker in die Sommerpause. In diesem Jahr werden die Ferien für viele aber wohl kürzer ausfallen als sonst. Denn es ist Wahlkampf - und das inmitten der Wirtschaftskrise. Die Partner der Zweckehe, Union und SPD, blicken schon seit geraumer Zeit sehnsüchtig auf den Wahltermin am 27. September. Die meisten in den Parteien erhoffen sich neue politische Beziehungen.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) findet trotz vieler Streitereien, dass Union und SPD ihre Sache so schlecht nicht gemacht haben. „Wir haben in dieser großen Koalition durchaus etwas erreicht.“ Er wird fast ein wenig melancholisch: „Man sollte - wie auch im Leben, wenn man auseinandergeht - nicht das, was man miteinander gut gemacht hat, dann auch noch schlechtreden.“

Union und SPD haben sich in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren auf größere Reformen wie die Rente mit 67, das Elterngeld, das Klimapaket oder die Schuldenbremse von Bund und Ländern verständigt. Sie räumten auch so strittige Themen wie die Gesundheitsreform oder die Abgabe von künstlichem Heroin ab. Das heißt allerdings nicht, dass damit dann alle Fragen geklärt sind. Der Streit etwa über die Ärztehonorare dauert an. Auf den letzten Metern droht nun doch noch so einiges zu kippen. So ist offen, ob das Gesetz zur CO2-Speicherung noch kommt.

Kanzlerin Angela Merkel warnt die Union nach der Europawahl vor zu viel Übermut. „Die (Europawahl) hat uns Mut gemacht, nicht mehr und nicht weniger“, sagt die CDU-Chefin. Auch wenn CDU und CSU bei der Wahl zum Europaparlament 17 Prozentpunkte Abstand zur SPD gehabt haben, weiß Merkel: „Wir müssen um jede Stimme kämpfen.“ Denn verloren hat die Union bei der Europawahl ebenfalls, sie fuhr aber ein besseres Ergebnis als bei der Bundestagswahl 2005 ein. Merkel ist vorsichtig geworden. Vor vier Jahren sahen die Umfragen die Union lange klar vorn - dann fuhr Merkel mit ihrer CDU das bis dahin zweitschlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein.

Die jüngste Forsa-Umfrage sah die Union bei der Sonntagsfrage bei rund 35 Prozent, dem Bundestagswahlergebnis 2005. Die SPD sackte nach dem schon schlechten Europawahl-Ergebnis um 3 Punkte auf 21 Prozent ein, doch die Zahlen wurden noch vor dem SPD-Parteitag erhoben, auf dem Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier seine Partei auf eine „fulminante“ Aufholjagd einschwor. Er will „Kanzler aller Deutschen“ werden.

Ein bisschen erinnert das an den Wahlkampf 2005 unter Regierungschef Gerhard Schröder (SPD). Doch vieles ist diesmal anders. Es geht nicht um eine Neuwahl, bei der auch die Reform-Agenda Schröders zur Entscheidung stand, es geht um Rezepte gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise. Da handeln Union und SPD bisher zwar weitgehend gemeinsam. Die Abgrenzung wird bisher aber vor allem sichtbar in der Frage, wie weit die Staatshilfe bei angeschlagenen Unternehmen gehen soll. Merkel sieht Opel als Sonderfall, die SPD will auch Arcandor helfen.

Den Wahlkampf wird auch die Suche nach neuen Bündnissen bestimmen. Die SPD flirtet mit Grünen und FDP, um eine „Ampel“ zu schmieden. Die Grünen lassen vieles offen und lehnen bisher eine „Jamaika“-Koalition mit CDU und Liberalen ab. Die Linke steht da außen vor. Sie weiß, dass ihr die Sozialdemokraten derzeit keine Avancen machen.

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