Sommerspiele in Tokio Einsatz im Finale: Was ein Trierer Badminton-Schiedsrichter bei Olympia erlebt (Video)

Tokio/Trier · Beim Blick über die Dächer Tokios im 43. Stockwerk seines Hotels genießt Christof Osebold ein seltenes Freiheitsgefühl. Warum der 56-Jährige aus Trier als Badminton-Schiedsrichter wenig von Tokio sieht aber olympische Geschichten erlebt, die im Gedächtnis bleiben, erzählt er im Interview.

  Beeindruckende Perspektive: Aus dem 43. Stock seines Hotels überblickt der Trierer Badminton-Schiedsrichter Christof Osebold weite Teile Tokios.

Beeindruckende Perspektive: Aus dem 43. Stock seines Hotels überblickt der Trierer Badminton-Schiedsrichter Christof Osebold weite Teile Tokios.

Foto: -/Christof Osebold

Sobald Christof Osebold in seinem Hotel das 43. Stockwerk erreicht, kommt doch noch ein gewisses Freiheitsgefühl auf. Von dort genießt er einen tollen Blick über die Dächer von Tokio.

Ansonsten bleiben dem Trierer die spektakulären Ecken der Millionen-Metropole verwehrt. Als Badminton-Schiedsrichter bei den Olympischen Spielen hat er sich an einen strikt getakteten Tagesablauf zu halten. Alles im Zeichen der Vermeidung von Corona-Infektionen.

„Das geht jeden Morgen mit dem Messen der Körpertemperatur los. Das Ergebnis muss über eine App eingetragen werden. Dann folgt ein Corona-Test auf dem Zimmer. Erst wenn der erledigt ist, geht‘s zum Frühstück“, berichtet Osebold. Auch die Fahrten vom Hotel zur Halle und zurück boten in den vergangenen Tagen nur einmal  eine Abwechslung: Wegen eines Unfalls auf der Strecke musste der Busfahrer eine Ausweichroute nehmen …

Olympia-Nominierung trotz Altersgrenze

Der Aufwand, die Einschränkungen – all das hat sich für Osebold gleichwohl gelohnt. Seine Nominierung für Olympia, die erfolgte, obwohl er infolge der einjährigen Verschiebung als 56-Jähriger angesichts der geltenden Altersgrenze eigentlich ein Jahr zu alt ist, wurde durch die ihm übertragene Leitung des Mixed-Doppel-Finals gekrönt. „Das war der Höhepunkt und mein Ende der Karriere auf der Welt-Bühne des Badmintons zugleich“, sagt Osebold im Videotelefonat mit dem TV.

Erst am Morgen des Endspiels bekam er Bescheid, eins der insgesamt fünf Badminton-Finals als Stuhlschiedsrichter leiten zu dürfen. „Da war ich schon ein bisschen aufgeregt“, sagt Osebold. Nicht, weil ihn in der Halle Tausende enthusiastische Fans erwarteten – coronabedingt herrschte bei den Matches meist „Totenstille“ (Osebold). Aber er wusste, dass das Endspiel zweier chinesischer Duos in Asien wohl mehr als 100 Millionen Zuschauer am Fernseher verfolgen würden.

Doch es lief alles glatt. Auch die vielleicht schwierigste Hürde – die richtige Aussprache der Sportler bei der Vorstellung der Duos – nahm er souverän.

Insgesamt neun Einsätze bei Olympia

Insgesamt war Osebold in den verschiedenen Konkurrenzen – Frauen- und Männer-Einzel sowie Frauen-, Männer- und Mixed-Doppel – neunmal als Stuhlschiedsrichter im Einsatz. Hinzu kamen sieben Matches als Aufschlagrichter.

Auch wenn die Atmosphäre in der Wettkampfhalle trotz des Einspielens einer Geräuschkulisse aus der Konserve über die Lautsprecher recht „steril“ (Oselbold) war, gab es für den Trierer doch gleich mehrere Gänsehautmomente, die den olympischen Gedanken widerspiegeln.

Da war das Spiel im Damen-Einzel zwischen der Chinesin Bing Jiao He (Weltranglisten-Neunte) und der Iranerin Soraya Aghaeihajiagha (Nummer 111). Ein ungleiches Duell. „Aber die Chinesin hat die Iranerin nicht bloßgestellt, sondern sie hat sie ihr Gesicht wahren lassen. Das war überaus sportlich und fair – und ziemlich unerwartet“, berichtet Osebold.

Und da waren die Reaktionen des 34-jährigen Kevin Gua Cordón aus Guatemala, der als Weltranglisten-59. völlig überraschend ins Halbfinale im Herren-Einzel einzog und erst im Spiel um Bronze verlor. Osebold: „Die Freude, die er zeigte, gepaart mit den Freudentränen sieht man selten.“ Auch der überschwängliche Jubel der Sieger im Mixed-Endspiel wird Osebold im Gedächtnis bleiben: „Solche Emotionen ist man bei Chinesen überhaupt nicht gewohnt.“

Was Osebold aus Tokio mit zurück nach Trier bringt

Neben Erinnerungen im Kopf hat der Trierer auch greifbare Andenken im Gepäck, wenn er in der Nacht zum Mittwoch Ortszeit ins Flugzeug nach Deutschland steigt. Da ist zum einen die Schiedsrichter-Kleidung, die in einer offiziellen Version (mit blauem Blazer und grauer Stoffhose) und einer Freizeit-Version ausgehändigt wurde. Zudem hat Osebold im Rahmen einer kleinen Zeremonie eine Abschiedsurkunde überreicht bekommen. Für andere Mitbringsel könnte es eng werden – die wenigen im kleinen Supermarkt im Hotel erhältlichen Olympia-Souvenirs waren direkt ausverkauft. Vielleicht gibt’s aber noch am Flughafen die Möglichkeit, ein Maskottchen zu erwerben.

Ab Donnerstag kehrt für Osebold in seinem Job als IT-Experte beim Europäischen Parlament in Luxemburg wieder der Alltag ein. Der Badmintonsport wird aber weiter eine Rolle spielen. Osebolds nächster Einsatz steht schon fest: Im Rahmen der U-17-Europameisterschaften in Slowenien im September wird er als Ausbilder und Prüfer fungieren.

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