"Ortsbeiräte brauchen mehr Kompetenzen"

Trier · Wofür stehen die sechs Parteien und der politische Verein FWG, die bei der Kommunalwahl antreten? Der TV gibt in einer Serie einen Überblick zu den wichtigsten Themen in der Stadt Trier. Dazu haben wir mit den jeweiligen Spitzenkandidaten gesprochen. Heute: die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Petra Kewes.

 Hier gestalten: Unter diesem Motto steht der Kommunalwahlkampf der Grünen mit Spitzenkandidatin Petra Kewes. TV-Foto: Friedemann Vetter

Hier gestalten: Unter diesem Motto steht der Kommunalwahlkampf der Grünen mit Spitzenkandidatin Petra Kewes. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Bei der Stadtratswahl 2009 bekam die Partei Bündnis 90/Die Grünen 17,6 Prozent der Stimmen und damit zehn Mandate. Im März 2014 nominierten die Mitglieder des Kreisverbands Trier Petra Kewes bei einer Gegenstimme zur Spitzenkandidatin für die Wahl des Stadtrats am 25. Mai.
Die 51-Jährige ist auch Vorstandssprecherin des Kreisverbands. Im Interview mit TV-Redakteur Marcus Hormes beantwortet Kewes den Fragenkatalog des TV.
Frau Kewes, warum sollten die Trierer am 25. Mai ihre Kreuzchen bei den Grünen machen?
Petra Kewes: Die wichtigsten Themen, die die Leute bewegen, sind die Verkehrssituation, die Schulen und der Einzelhandel. Die Bürger sollen Grün wählen, weil wir zum Beispiel den Öffentlichen Personennahverkehr stärken und damit attraktiver für Pendler machen wollen, damit sie auf Bus und Bahn umsteigen.
Sind Sie dafür, den Ticketpreis für Busfahrten zu senken?
Kewes: Der Preis spielt eine Rolle, ist aber für den Dauernutzer mit Monats- oder Jahreskarte nicht der ausschlaggebende Punkt. Es kommt auf die gute Vertaktung und die Vermeidung von Brüchen bei der Linienführung an, die zum Umsteigen zwingen. In Ferienzeiten gibt es abgespeckte Fahrpläne, aber das ist schlecht für die Pendler. Der Preis muss sinken, aber erst muss klar sein: Auf wie viel Geld von den Stadtwerken als Betreiber ist die Stadt bereit zu verzichten, um den ÖPNV zu subventionieren?
Was sagen die Grünen zum Thema ...
… Bahn: Nutzt der Stadt der Ausbau der Westtrasse und der Bahnhaltepunkte?
Kewes: Für den innerstädtischen Verkehr nutzt das zwar relativ wenig. Aber deshalb muss die Planung für die Osttrasse der Regionalbahn folgen, auch ein Busverkehr zwischen Ost- und Westtrasse.

… Verkehr: Braucht Trier den Moselaufstieg und die Nordumfahrung?
Kewes: 60 Prozent des Verkehrs in Trier sind innerstädtisch. Da würde eine Nordumfahrung nichts bringen. Sie soll zudem 315 Millionen Euro kosten, der Moselaufstieg weitere 60 Millionen. Die Realisierung würde 15 bis 20 Jahre dauern. Wir sollten stattdessen die Osttrasse der Bahn angehen und die Höhenstadtteile vernünftig anbinden mit einer urbanen Seilbahn.
Der Petrisbergaufstieg ist demnach noch nicht endgültig zu den Akten gelegt?
Kewes: Nein, auf keinen Fall. Die Untersuchungen der Stadtwerke haben belegt, dass die Seilbahn ein preiswertes und effektives Verkehrsmittel ist. Es gibt keinen Stau, und man muss nicht umsteigen. Wir können uns auch eine solche Anbindung in Richtung Hochschule Schneidershof, nach Sirzenich oder Mariahof vorstellen.

… Tempo 30: Auf welchen Straßen sollte das Tempolimit in der Stadt ausgeweitet werden?
Kewes: Die Grünen sind prinzipiell für Tempo 30 innerhalb geschlossener Ortschaften. Es geht um mehr Sicherheit und weniger Lärm. Wir haben den Antrag im Rat gestellt, uns an einem Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz zu Tempo 30 auf Bundesstraßen zu beteiligen. Konkret ging es um die B 53 beziehungsweise die B 51 in Trier-Pallien und Trier-West.
… Grundschulen: Welche Standorte haben keine Zukunft?
Kewes: Das Schulentwicklungskonzept wird durch die gegensätzliche Position der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ad absurdum geführt, etwa zur Zusammenlegung von Ehrang und Quint. Das ist eine Entmachtung des Rats. Das können wir nicht einfach hinnehmen. Wir stehen zu den beschlossenen Standorten, auch zu Egbert. Unser eigenes Konzept ging noch weiter und sah einen Ringtausch von Gebäuden vor.
… weiterführende Schulen: Wie viele Realschulen plus braucht die Stadt Trier?
Kewes: Das hängt zum großen Teil von der noch ausstehenden Entscheidung des Lands ab. Auf dieser Basis müssen wir weitermachen. Wir favorisieren, den Standort West zu stärken.
Was bedeutet das für die Standorte Nelson Mandela und Trier-Ehrang?
Kewes: Je nachdem, wie das Land entscheidet, muss man dann überlegen: Hält man auch am Standort Nelson Mandela und am Standort Ehrang fest? Sonst hängen wir wieder in der Luft wie bei unserem Beschluss zu den Grundschulen, und die ADD grätscht uns rein.Kommunalwahl 2014 Der Endspurt


… Fastnacht und Alkohol: Welches Modell hat sich am Weiberdonnerstag bewährt: Fastnacht ohne Kontrollen, Fastnacht ohne Alkohol oder Fastnacht mit Narrenkäfig?
Kewes: Alles zu verbieten, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Man verlagert damit nur das Ganze. Es kommt darauf an, den Jugendlichen präventiv den vernünftigen Umgang mit Alkohol nahezubringen. Bei der Planung der Alternativprogramme im Mergener Hof und im Exhaus muss man die Jugendlichen mehr ins Boot nehmen, damit diese Partys auch akzeptiert und angenommen werden.
… Altstadtfest: Soll die Stadt wie in den vergangenen Jahren auch weiterhin als Veranstalter auftreten?
Kewes: Die Verwaltung ist kein Festkomitee. Der Standard ist sehr gut, aber die Stadt sollte es nicht langfristig machen, allein schon wegen der Personalkosten. Das Moselfest Zurlauben wird von einer Gemeinschaft organisiert und läuft sehr gut.
… Friedhöfe: Braucht Trier so viele Friedhöfe, wie es derzeit hat?
Kewes: Man muss sehen, wie sich die Bestattungskultur wandelt und wie man das Potenzial langfristig anders nutzen kann. Man kann einige Friedhöfe nach und nach in Parks und Friedwälder umwandeln, wobei die Liegezeiten natürlich gewahrt werden müssen.
… Seniorenbeirat: Braucht die Stadt ein solches Gremium?
Kewes: Nein. Diese Altersgruppe wird zwar immer größer, ist aber im Stadtrat und den Ortsbeiräten verankert. Anders als in den Fällen Behindertenbeirat und Jugendparlament. Das Seniorenbüro hat einen sehr guten Job gemacht und sollte weiter auf Vernetzung setzen.
... Kultur: Wie kann auf Dauer ein Drei-Sparten-Haus in Trier finanziert werden?
Kewes: Uns schwebt die Umwandlung in eine Gesellschaftsform vor, bei der die Landkreise mit eingebunden werden. Mindestens die Hälfte aller Theaterbesucher kommt aus den Landkreisen. Deshalb müssen die Kreise in die Haftung genommen werden. Der zweite Aspekt ist das Land: Städte mit einem Staatstheater sind weitaus höher bezuschusst worden als Trier. Da muss das Land mit in die Bresche. Ein Theater wird nie kostendeckend arbeiten.
… Verwaltung: Sollte Trier alle Ortsbeiräte in ihrer bisherigen Struktur behalten?
Kewes: Wir sind dafür, die Anzahl der Ortsbeiräte zu reduzieren. Aber da es sich um die basisdemokratische Ebene handelt, sollte die Mitgliederzahl der jeweiligen Ortsbeiräte nicht reduziert werden. Der Ortsbeirat Feyen/Weismark ist ein gut funktionierendes Beispiel. So könnte man etwa auch Süd und Heiligkreuz zusammenführen.
Ortsbeiräte kämpfen seit Jahren um echte Entscheidungskompetenzen. Was halten Sie davon?
Kewes: Wir sind dafür, bestimmte Themen in den Ausschüssen des Stadtrats zu beraten und dann zur abschließenden Entscheidung an den jeweiligen Ortsbeirat zu geben. Die Ortsbeiräte brauchen mehr Kompetenzen, dann bekommen die Ortsbeiratsmitglieder für ihre Arbeit eine ganz andere Wertschätzung.
… Finanzen: Wie kann die Stadt Einnahmen erhöhen, wo kann sie sparen?
Kewes: Wir haben die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B angehoben. Da sind wir an der Grenze angekommen. Wir haben uns in vielen Bereichen beschnitten, das war schmerzhaft. Einrichtungen wie das Schwimmbad oder die Bibliothek zuzumachen, würde an der Lebensqualität in der Stadt kratzen. Die Stadt will Firmen und Arbeitnehmer locken, um zu wachsen. Dann muss sie auch Attraktivität bieten.
Wie soll die Stadt dann ihre Aufgaben finanziell stemmen?
Kewes: Das Land muss beim kommunalen Finanzausgleich, der Anfang dieses Jahres reformiert wurde, seinen Pflichten gerecht werden. In dem Gesetz ist festgelegt, dass nach drei Jahren geprüft wird, was umgesetzt ist und wo nachzujustieren ist. Der Bund wiederum will das zugesagte Geld für die Wiedereingliederungshilfe erst später zahlen. Das geht nicht! Auch der Bund ist in der Pflicht.

… Werbe- und Gestaltungssatzung: Muss die City in Sachen Handel und Gastronomie stärker reglementiert werden?
Kewes: Wir haben eine Gestaltungssatzung, die im Prinzip gut ist. Noch mehr mit Verboten und Reglements zu arbeiten, ist nicht in unserem Sinn. Wir stehen dafür ein, dass das Personal beim Ordnungsamt aufgestockt wird und die Einhaltung dieser Statuten kontrolliert wird. Die Stadt lebt davon, dass sich etwas auf der Straße tut. Wenn es die Straßencafés nicht gäbe, wäre viel Flair verloren.
… Einkaufszentrum/ECE: Braucht die Stadt weitere Einzelhandelsflächen und ein weiteres großes Einkaufszentrum?
Kewes: Als der Oberbürgermeister erzählt hat, dass er die Entwicklungsvereinbarung mit dem Investor ECE schon fast eingetütet hat, sind wir dagegen Sturm gelaufen. Wir wollen zumindest im Bereich Europahalle kein Einkaufscenter. Das Konzept von einem solchen Center ist, die Leute hineinzulocken und drin zu halten. Die Kaufkraft würde dort gesammelt und dem Rest der Stadt verloren gehen.

Sehen Sie denn eine Möglichkeit am nördlichen Ende der Fußgängerzone?
Kewes: Eventuell infrage käme der Standort Kaufhof/Karstadt. Aber selbst diese zwei Flächen zusammen wären wahrscheinlich für Betreiber eines Einkaufscenters nicht groß genug. Vielleicht käme die Treviris-Passage noch mit hinein. Aber in diesem gesamten Bereich gibt es verschiedene Grundstückseigner, was die Sache noch schwieriger macht.
Diese Eigentümer müssten erst einmal verkaufsbereit sein …
Kewes: Genau. Wir warten die Untersuchung für das Strategische Entwicklungs- und Nutzungskonzept Innenstadt ab. Prinzipiell sehen wir die Attraktivität dieser Stadt in Bereichen wie der Neustraße oder dem Karl-Marx-Viertel, das sich jüngst zusammengeschlossen hat. Was von unten heraus wächst, indem sich Geschäftsleute und Anwohner damit identifizieren, hat die größte Chance, auf Touristen oder die anderen Bürger auszustrahlen - eher als ein Shoppingcenter. Um den hohen Zentralitätswert Triers bei der Kaufkraft zu halten, müssen wir die Einzigartigkeit dieser Stadt herausstreichen.
Zum Schluss: Ihre Prognose - wie viele Stadtratsmitglieder werden Die Grünen nach der Wahl stellen?
Kewes: Auf unserem Gruppenplakat sind wir zwölf Kandidaten. Wir wollen mindestens wie bisher zehn Mandate bekommen, aber gerne auf zwölf wachsen. Das streben wir an.

Mit der heutigen Ausgabe beschließen wir die Interviewreihe im Vorfeld der Kommunalwahl in der Stadt Trier.

Alle Interviews der Spitzenkandidaten finden Sie im Internet unter

volksfreund.de/wahlenExtra

Die Grünen treten mit 44 Kandidaten zur Trierer Stadtratswahl an. Davon sind 22 Frauen und 22 Männer. Der Altersdurchschnitt der Kandidaten der Liste liegt bei 43 Jahren. Auf Platz zwei nach Kewes kandidiert Thorsten Kretzer. Die Grünen treten außerdem in neun von 19 Trierer Stadtteilen bei den Ortsbeiratswahlen an. cusExtra

Petra Kewes (51) ist seit 2009 Parteimitglied der Grünen. Im Januar 2010 rückte sie in den Stadtrat nach. Im Januar 2014 wählten die Trierer Parteimitglieder Kewes zur Vorstandssprecherin in einer Doppelspitze mit Wolf Buchmann. Die Betriebswirtin arbeitet als kaufmännische Leiterin. Sie ist verheiratet und kinderlos. cus

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort