Report: Es grünt im Südwesten

Stuttgart (dpa) · Jubel bei Grün-Rot, Trauer bei den Regierungsfraktionen: Die Stimmung bei den Parteien im Stuttgarter Landtag spiegelt am Sonntagabend den historischen Machtwechsel in Baden-Württemberg wider.

„Wechsel, Wechsel“ skandieren die Anhänger der SPD, als die Prognosen über die Bildschirme flimmern. Auch die Grünen feiern ihren designierten ersten Ministerpräsidenten mit frenetischen „Winfried-Winfried-Rufen“.

Gegen 18.44 Uhr betritt der Wahlsieger das Parlament: Grünen-Frontmann Winfried Kretschmann. Als sich der 62-Jährige im Pulk der Kameras durch das Foyer des Landtags schiebt, toben seine Anhänger. In Anspielung auf die Haltung der Grünen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sind „Oben-bleiben-Rufe“ zu hören. Kretschmann genießt das Bad in der Menge, er lässt sich von einem TV-Sender zum anderen schieben. Immer wieder betont er die „historische Zäsur“ und zeigt sich zufrieden darüber, dass es „gelungen ist, die CDU auf die Oppositionsbank zu schicken“.

Auch Nils Schmid lässt sich feiern, als er in den Landtag kommt. „Baden-Württemberg hat den Wechsel gewählt“, frohlockt der SPD-Spitzenkandidat. Dass er vermutlich nicht der jüngste Regierungschef im Südwesten werden wird und dass seine Partei schlecht abgeschnitten hat, trägt der 37-Jährige öffentlich mit Fassung. „Wir werden eine Regierung auf Augenhöhe bilden“, sagt er.

Vor der ersten Prognose ist bereits Katerstimmung bei der CDU zu spüren, die seit der Gründung Baden-Württembergs in der Regierungsverantwortung stand. „Das muss man erst einmal verarbeiten“, urteilt der frühere Sozialminister Friedhelm Repnik. „Die Wahl wurde in Japan entschieden“, sagt CDU-Generalsekretär Thomas Strobl in Anspielung auf die Atomkatastrophe von Fukushima. „Dass dies so reinschlägt, hätte ich nie gedacht“, sagt der scheidende Landtagspräsident Peter Straub (CDU) und schüttelt immer wieder den Kopf.

Mit Sachargumenten sei ihre Partei nach Japan einfach nicht mehr durchgekommen, urteilt Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) mit versteinerter Miene. „Japan hat alles überlagert“, ist auch der ungewohnt ernste Finanzminister Willi Stächele (CDU) überzeugt. Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) spricht vom „bittersten Tag“ für die CDU und fordert eine Analyse der Niederlage.

Die FDP-Fraktionsspitze geht zunächst in eine Art Klausur. Das Zittern ums Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde treibt Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Bleiche ins Gesicht. Auch Justizminister Ulrich Goll ist nicht zum Lachen; er gibt „schwere Einbußen“ zu.

Als letzter der Spitzenkandidaten kommt der Wahlverlierer. Stefan Mappus klammert sich beim wohl schwersten Gang seiner politischen Karriere mit seiner rechten Hand an seine Frau Susanne Verweyen-Mappus und verliest im Foyer des Landtags einen vorbereiteten Text. Er räumt die Wahlniederlage ein, spricht von einem „schlechten Tag“ für Baden-Württemberg und erntet dafür Buh-Rufe von politischen Gegnern. Seine politische Zukunft lässt er offen.

Die Niederlage schmerzt Mappus offenbar so sehr, dass er sich bei der Pressekonferenz der Spitzenkandidaten von seiner engen Vertrauten Tanja Gönner vertreten lässt. Eines ist klar: Sein Amtsbonus nutzte ihm nichts - der Atom-Befürworter wird als am kürzesten amtierender Ministerpräsident im Land „abgeschaltet“.

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