Rock am Ring-Tagebuch: Der lange und laute Samstag

Nürburg · volksfreund.de berichtet aktuell von Rock am Ring 2010 am Nürburgring: Mit dabei: Reporter Jörg Pistorius, der sich am Samstagabend mit Muse, Gogol Bordello und Gossip auseinandersetzte. Hier seine Eindrücke.

(jp) Der Samstag ist der längste meiner vier Tage am Ring. Donnerstag und Freitag gingen mit den 22.30-Uhr-Startern Kiss und Rage against the Machine (die ich in Sektion A vor der Bühne erlebt habe und um mein Leben kämpfen musste) noch zivil gegen Mitternacht zu Ende.

Nicht so der Samstag. Es ist jetzt kurz vor Elf, Muse spielen gleich auf der Center Stage, aber ich werde wohl nach einer Stunde wechseln. Die alten Knacker von Slayer und Motörhead laden auf der Alternastage zum Late-Night-Headbang-Festival. Mal sehen, ob ich es bis zum für drei Uhr geplanten Schlussakkord aushalte. Eines steht fest: bevor Lemmy nicht „Ace of Spades“ geröhrt hat, gehe ich nicht nach Hause.

Der lange Samstag fing gut an. Gogol Bordello sind eine Gypsy-Punk-Band aus New York City und weckten mit ihrem Gute-Laune-Galopp-Punk viele, die in der Mittagssonne vor sich in dösten, aus ihrer „Ich bin schon seit Mittwoch am Ring und deshalb völlig tot“-Lethargie. Ich bin schnell für Folk und Punk zu begeistern und fand mich ein paar Minuten später in einer Polonäse wieder. Auf Gentleman habe ich verzichtet. Reggae gibt’s bei mir nur von Bob Marley oder Seeed oder gar nicht. Aber wer braucht denn auch Reggae, wenn er Krach haben kann. As I lay Dying und Lamb of God setzen auf rohe Gewalt und extreme Geschwindigkeit.

Das war angenehm und stärkte die Nerven für die dicke Dame, die mir als nächstes bevorstand. Ich habe eine Zeitlang mit mir gekämpft, aber die Neugier war stärker. Ich müsste wahrscheinlich auf Wikipedia nachschlagen, wenn mich einer fragt, was die Riot-Grrrl-Bewegung denn nun genau ist (hab ich gerade gemacht, es ist eine 1990 in Olympia/USA entstandene feministische subkulturelle Bewegung), und was Beth Ditto von Gossip auf der Center Stage sang, war eine komische Mischung aus Rock, Pop und Disko. Damit kann ich ehrlich nichts anfangen. War aber trotzdem irgendwie interessant, zuzugucken. Darüber müsste ich vielleicht mal mit meinem Therapeuten reden. Wenn ich einen hätte.

Die nächste Entscheidung stand an. 30 Seconds to Mars oder Alice in Chains? Mars oder Chains? War mein Bedarf an Krach für einen Tag nicht schon gedeckt? Nein. Also wieder auf zur Alternastage. Ordentlicher Grunge fegte die Gossip-Nachwirkungen schnell weg. Vor allem dann, wenn sich der Grunge so deutlich am Metal orientiert.

Zum großen 25-Jahre-Rock-am-Ring-Feuerwerk war ich wieder zurück vor der Center Stage. So, die Vorfreude auf Slayer und Motörhead steigt, und auch Muse wird wohl ganz lustig. Außerdem geht im Media Center gerade das Licht aus und ich sehe nicht mehr, was ich tippe. Am Sonntag wartet Rammstein. Da kommt Freude auf.

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