Shitstorm wegen Nazi-Verdacht Pantera und Rock am Ring: Warum jetzt auch die Toten Hosen in der Kritik stehen

Düsseldorf · Die Band Pantera ist nach einer Nazi-Diskussion von Rock am Ring ausgeladen worden. Pantera-Sänger Phil Anselmo hatte sich bei Konzerten mit Hitlergruß und „White Power“-Parolen in die rechte Ecke gestellt. Warum die Reaktion der Hosen darauf viele Fans verärgert.

Sänger Campino tritt am 04.06.2023 mit der Punkband "Die Toten Hosen" auf der Hauptbühne des Musikfestivals Rock am Ring auf. Einen Tag nach dem Auftritt von Pantera.

Sänger Campino tritt am 04.06.2023 mit der Punkband "Die Toten Hosen" auf der Hauptbühne des Musikfestivals Rock am Ring auf. Einen Tag nach dem Auftritt von Pantera.

Foto: picture alliance / Thomas Frey/d/Thomas Frey

Rock am Ring hat auf die Kritik der Rock am Ring-Fans reagiert und die Band Pantera aus dem Lineup geworden. Der Grund: Viele Festivalfans sehen den Sänger der Band als zu rechts an, um auf einem Rockfestival zu spielen, das in eigenen Worten für „Diversität, Toleranz, Gleichberechtigung und gegen jede Form von Diskriminierung“ stehen will. Auch die Punkrockband Die Toten Hosen hat sich in die Diskussion eingeklinkt – und für ihr Statement ordentlich Gegenwind geerntet.

Pantera und der Hitlergruß von Phil Anselmo

Die texanische Metal-Band Pantera gründete sich schon Anfang der 80er und verkaufte bis zur Trennung der Band im Jahr 2003 etwa 40 Millionen Tonträger. Damit gilt Pantera als eine der erfolgreichsten Metal-Bands aller Zeiten und hatte in ihrer über zwanzigjährigen Karriere sehr starken Einfluss auf das Genre. 2022 feierte Pantera seine Wiedervereinigung und setzt nun 2023 zu einer Reunion-Tour an. Auch in Deutschland sind Auftritte geplant.

Für Aufregung sorgt Pantera-Sänger Phil Anselmo, welcher bereits vor der Auflösung der Band 2003 immer wieder durch rassistische Ansagen über „White Power“ und rechtsradikale Entgleisungen auf der Bühne auffiel. Der Eindruck, Anselmo gehöre eher dem rechten Spektrum an, verhärtete sich dann 2016 bei einem Konzert in Los Angeles, als er vor laufenden Kameras betrunken auf der Bühne den Hitlergruß zeigte und Naziparolen rief.

Weder die Band noch Phil Anselmo reagierten zunächst auf den Vorfall. Erst nach öffentlichem Druck durch Fans und andere Metal-Bands, wie Anthrax oder Metal Head, gab Anselmo nach und entschuldigte sich. Es handele sich um ein Missverständnis und „White Power“ habe sich in diesem Kontext auf den im Backstage ausgeschenkten Weißwein bezogen. Bis heute kaufen viele dem Sänger diese Entschuldigung nicht ab.

Rock am Ring gibt Statement zu Pantera

Die Auftritte von Pantera in Deutschland stoßen seit ihrer Ankündigung auf Gegenwehr. Neben großer Empörung im Netz hatte zum Beispiel die grüne Stadtratsfraktion in Nürnberg vom Veranstalter gefordert, auf den Auftritt von Pantera bei Rock im Park zu verzichten. Nach einigem Unverständnis auf Seiten der Rock am Ring-Fans, warum Pantera überhaupt zum Festival eingeladen worden war, reagierte der Veranstalter mit einem beschwichtigenden Statement.

Man habe im Vorfeld das Gespräch mit Pantera gesucht, erklärt der Veranstalter. Dabei habe die Band versichert, dass Phil Anselmos Verhalten von 2016 in keinem Fall die Ansichten der Band widerspiegele und er sein Auftreten aufrichtig bereue. Zunächst hatte Rock am Ring sich entschlossen „der Band Pantera eine Chance zu geben und somit unzähligen Rockfans den Traum zu erfüllen, das Werk von Pantera noch einmal live zu erleben“, heißt es in einem Statement.

Rock am Ring entfachte damit in den sozialen Medien einen Sturm der Enttäuschung und des Unverständnisses. „Wieso wird Bands überhaupt noch eine Bühne gegeben, wenn sie in der Vergangenheit ganz klar verkackt haben?“, fragt ein Nutzer auf Instagram „Unglaublich. Ich bin schockiert, was mit Rock am Ring nach Marek Lieberberg [dem ehemaligen Veranstalter von Rock am Ring] passiert ist. Würdet ihr für euer ‚Diversitäts-Statement‘ wirklich einstehen, hättet ihr trotz allem Pantera den Auftritt untersagt.“

Andere Fans stellen die Ernsthaftigkeit des Veranstalters bezüglich seiner Regeln für Diversität und Toleranz in Frage: „Versteh ich das richtig: Wenn ein Künstler, der rechtes Gedankengut zum besten gibt, für den Zeitraum des Auftritts nichts Rechtes macht oder sagt, dann ist es ok und bedeutet‚ wir geben Diskriminierung keine Plattform? Hmmm, schwierig. Ich bin generell dafür, Menschen eine zweite Chance zu geben, aber bei ihm sehe ich das einfach nicht!“

Rock Am Ring Headliner Die Toten Hosen zu Pantera

Für noch mehr Wasser in den Mühlen der Kritiker sorgte dann ein Statement der Toten Hosen zum Pantera-Auftritt im Netz. Für die Toten Hosen ging es dabei um die Frage, ob sie ihren eigenen Auftritt abgesagt hätten, wenn Pantera am Ring gespielt hätte. Die Antwort der Band lautete zunächst: Nein.

Die Toten Hosen verurteilen in ihrem Statement die rassistischen Ausfälle des Pantera-Sängers und zweifeln auch an der Glaubwürdigkeit seiner Entschuldigung. Die politisch sensible Einstellung der Fans sei großartig und ein Grund, warum die Hosen immer wieder gerne zum Ring kämen.
Pantera ist laut der Toten Hosen jedoch auf zahlreichen Festivals in Europa gebucht, auf denen Bands spielen würden die „schwerlich in die rechte Ecke zu stellen sind“. Auch habe Pantera denselben Booking-Agent wie die Band Rage Against the Maschine, welche sich niemals von jemandem vertreten lassen würde, der gleichzeitig Rechtsradikale im Programm hat, heißt es im Statement der Hosen. „Die Rockmusikwelt scheint dem Sänger seine Läuterung abzunehmen“, so die Toten Hosen.

Zahlreichen Fans der Toten Hosen ging dieses Statement jedoch nicht weit genug. Als „Haus und Hof-Band des Rings“ habe die Punkband deutlich mehr Einfluss als andere Bands, finden manche Fans: „Sagt doch einfach, dass euch das alles egal ist, statt euch so billig hinter anderen zu verstecken. Die Toten Hosen hätten sehr wohl Einfluss auf das Line-Up, finden die Fans. „Macht euch nicht kleiner als ihr seid“, lautet einer der über 1100 Kommentare zu dem Statement. „Nazis raus ruft es sich leichter, da wo es keine Nazis gibt“, zitiert ein anderer Nutzer aus einem Song der Band Kraftklub. „Nennt euch bitte nicht mehr links mit klarer Kante. Das ist Wischiwaschi.“

Die Toten Hosen ließen Ende der Diskussion offen

Zwei Tage später reagierten die Toten Hosen mit einem erneuten Statement auf den aufgeladenen Shitstorm. Darin erklärte die Band ihre Entscheidung damit, dass man die Fans, welche bereits wegen ihnen eine Karte für Rock am Ring oder Rock im Park gekauft hätten, nicht enttäuschen wolle.

Hunderte Kommentare, die die Entscheidung der Band entweder verteidigen oder verurteilen, fluten die Kommentarspalten unter dem Statement auf Instagram und Facebook. Die Toten Hosen beendeten ihr Statement mit einer mysteriös anmutenden Aussage: „Doch es geht natürlich noch um viel mehr. Wir halten Euch auf dem Laufenden.“

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