Rückschlag für Merkels CDU - Steinmeier hofft

Berlin (dpa) · Rückschlag für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel - Hoffnungsschimmer für die Aufholjagd von SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier: Vier Wochen vor der Bundestagswahl hat die CDU nach zweistelligen Verlusten ihre Alleinregierungen an der Saar und in Thüringen eingebüßt.

Wegen der Stärke des linken Lagers droht der Union hier der Gang in die Opposition. Vor allem die Linkspartei legte bei den Landtagswahlen am Sonntag zu. Wahlsieger im Saarland, in Thüringen und Sachsen ist auch die FDP, Merkels Wunschpartner im Bund. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die CDU die Kommunalwahlen trotz klarer Verluste gewonnen.

Die SPD konnte nur in Thüringen nennenswert hinzugewinnen. Die Bundespartei spürt aber durch den Wahlausgang insgesamt Rückenwind und gab den Landesverbänden erneut freie Hand für rot-rote Bündnisse. Die CDU räumte schmerzliche Verluste ein. Nach Ansicht der Forschungsgruppe Wahlen lassen die Landtagswahlen kaum Rückschlüsse auf den Ausgang im Bund in vier Wochen zu: Jede Wahl habe eine eigene Ausgangslage, die stark von den Kandidaten vor Ort geprägt werde.

Rot-Rot-Grün im Saarland, Rot-Rot in Thüringen?

Im Saarland könnte es sowohl Rot-Rot-Grün als auch ein „Jamaika“- Bündnis aus CDU, FDP und Grünen oder eine schwarz-rote Koalition geben. CDU-Ministerpräsident Peter Müller muss um die Macht zittern: Die SPD mit Heiko Maas und die Linke mit Oskar Lafontaine an der Spitze waren nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zusammen so stark wie CDU und FDP - Zünglein an der Waage sind die Grünen.

In Thüringen sah es für die seit zehn Jahren allein regierende CDU mit Regierungschef Dieter Althaus nach dem Absturz auf ihr bisher schwächstes Ergebnis ganz schlecht aus: Hier lag Schwarz-Gelb nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis klar hinter Linken und SPD. Weil die SPD mit Spitzenkandidat Christoph Matschie weit hinter der Linken zurückblieb, war aber offen, ob es Rot-Rot geben könnte - auch eine Koalition aus CDU und SPD war möglich. Matschie hatte es im Wahlkampf für die SPD abgelehnt, in eine Regierung unter einem Linken-Ministerpräsidenten einzutreten.

Sachsen vor Schwarz-Gelb

In Sachsen läuft alles auf Schwarz-Gelb zu. CDU-Amtsinhaber Stanislaw Tillich kann nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zusammen mit der FDP regieren - oder aber mit dem schwächelnden bisherigen Juniorpartner SPD. Tillich sagte: „Es ist das eingetreten, was ich mir gewünscht habe: Ich kann wählen.“ In Sachsen gelang der rechtsextremen NPD erstmals der Wiedereinzug in ein Landesparlament.

SPD: Signal gegen Schwarz-Gelb - CDU: Alles offen

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier sieht im Wahlausgang im Saarland und Thüringen ein Signal für den Bund: „Eines ist sicher: Schwarz- Gelb ist nicht gewollt in diesem Lande.“ SPD-Chef Franz Müntefering sagte, über rot-rote Bündnisse „müssen die vor Ort Verantwortlichen entscheiden“. Die Bundes-SPD werde durch solche Koalitionen auf Länderebene „nicht in Erklärungsnot kommen“. Es gebe einen klaren Parteitagsbeschluss, dass es aber nach der Bundestagswahl am 27. September keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben werde.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte die Verluste seiner Partei schmerzlich. CDU-Vize Christian Wulff bezeichnete die Bundestagswahl als offen. Der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte er, für die Union bestehe trotz der hohen Sympathiewerte für Kanzlerin Merkel „überhaupt kein Anlass“, sich sicher zu wähnen. Bei den Koalitionsbildungen in Thüringen und im Saarland müsse es darum gehen, die Linke aus den Landesregierungen herauszuhalten.

Merkel bekräftigte ihre Vorliebe für Schwarz-Gelb. In Hamburg sagte sie: „Ich glaube, dass wir mit der Koalition mit der FDP den Pfad aus dem Tal heraus besser schaffen.“ Sie erneuerte ihre Kritik an der SPD, die eine Trendwende in Bündnissen mit der Linkspartei suche. Zugleich warnte sie in der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag) vor einer Kampagne gegen Rot-Rot: „Wer glaubt, nur gegen etwas Wahlkampf führen zu können, wird scheitern.“

FDP-Chef Guido Westerwelle äußerte sich zufrieden, sagte aber, das Gesamtergebnis sei auch ein Warnschuss: Wer nicht wähle, stärke die Ränder des politischen Systems und mache rot-rot-grüne Regierungen möglich. Er gehe davon aus, dass die SPD auch im Bund ein linkes Bündnis vorbereite.

Saar-Ministerpräsident Müller strebt ein Bündnis mit FDP und Grünen oder eine große Koalition an. Mit Blick auf „Jamaika“ sagte er: „Ich glaube nicht, dass es da unüberbrückbare Punkte gibt.“ Grünen-Chef Cem Özdemir ließ eine Präferenz für Rot-Rot-Grün erkennen: „Die SPD steht uns näher als die CDU.“ Der frühere SPD-Chef und jetzige Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte, mit den Wahlen sei ein Politikwechsel eingeleitet worden. Die Linke sei im Aufwind - die SPD im Bund müsse sich nun überlegen, ob sie sich in die Position hineintreiben lassen wolle, mit der Linken nicht zu koalieren.

In Thüringen will Althaus mit der SPD sprechen. „Es geht ja ums Land - darum, dass wir den Wählerwillen ernst nehmen.“ Linken- Spitzenkandidat Bodo Ramelow, der zusammen mit der SPD eine Regierung bilden könnte, sagte: „Die CDU hat keinen Gestaltungsauftrag bekommen, und Dieter Althaus ist abgewählt worden.“ Matschie sagte: „Ohne und gegen die SPD kann in den nächsten Jahren nicht regiert werden.“ Linken-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi betonte, seine Partei werde keine „Mätzchen“ mitmachen, wonach die schwächere SPD oder ein Parteiloser den Regierungschef stellen könnte.

Die Ergebnisse im Detail

Im SAARLAND musste die CDU nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis mit einem zweistelligen Minus und 34,5 Prozent (2004: 47,5) den bislang größten Einbruch in dem kleinsten Flächenland verkraften. Die SPD rutschte mit 24,5 Prozent (30,8) erstmals seit rund 50 Jahren unter die 30-Prozent-Marke. Die Linke schaffte mit einem zweistelligen Ergebnis und 21,3 Prozent (2,3) triumphal den Einzug in den Landtag. Die FDP verzeichnete starke Gewinne auf 9,2 Prozent (5,2). Sie konnte erstmals seit fast 20 Jahren die Grünen überflügeln, die 5,9 Prozent (5,6) erreichten. Die Sitzverteilung: CDU 19 (2004: 27), SPD 13 (18), Linke 11 (0), FDP 5 (3), Grüne 3 (3). Die Wahlbeteiligung stieg von 55,5 auf 67,6 Prozent.

In THÜRINGEN musste die CDU nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zum zweiten Mal in Folge bei Landtagswahlen ein dickes Minus verkraften und kam auf 31,2 Prozent (2004: 43,0). Die SPD erreichte 18,5 Prozent (14,5). Die Linkspartei blieb mit 27,4 Prozent (26,1) zweitstärkste Kraft. Die FDP konnte ihr Ergebnis mehr als verdoppeln und ist mit 7,6 Prozent (3,6) erstmals seit 15 Jahren wieder im Landtag. Die Grünen kamen auf 6,2 Prozent (4,5) und konnten ebenfalls nach 15 Jahren wieder ins Parlament einziehen. Die rechtsextreme NPD (4,3 Prozent) schaffte den Einzug in den Landtag nicht. Die Sitzverteilung: CDU 30 (45), Linke 27 (28), SPD 18 (15), FDP 7 (0), Grüne 6 (0). Die Wahlbeteiligung lag mit 56,2 Prozent über der von 2004 (50,6).

In SACHSEN blieb die vor fünf Jahren abgestürzte CDU nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis mit 40,2 Prozent knapp unter dem Resultat von vor fünf Jahren (2004: 41,1). Sie ist weiterhin mit Abstand stärkste Kraft. Die seit 2004 in Dresden mitregierende SPD kam auf 10,4 Prozent (9,8). Die FDP verdoppelte ihr Ergebnis fast und lag mit 10 Prozent (5,9) nur hauchdünn hinter der SPD. Die Linkspartei verlor leicht, blieb aber mit 20,6 Prozent (23,6) klar auf Platz zwei. Die Grünen schafften mit 6,4 Prozent (5,1) erneut den Einzug in den Landtag. Die rechtsextreme NPD fiel mit 5,6 Prozent (9,2) deutlich zurück. Die Sitzverteilung: CDU 58 (55), Linke 29 (31), SPD 14 (13), FDP 14 (7), Grüne 9 (6), NPD 8 (12). Die Wahlbeteiligung lag mit 52,2 Prozent deutlich niedriger als 2004 (59,6) und damit so schwach wie nie zuvor in Sachsen.

Alle Informationen zum Wahlabend auf http://www.volksfreund.de/extra

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