SPD-Spitze: Kein Koalitionsbruch wegen Wahlrecht

Berlin (dpa) · Im Streit über eine Änderung des Wahlrechts will die SPD kurz vor Ende der Wahlperiode keinen Koalitionsbruch mit der Union in Kauf nehmen. Die Sozialdemokraten seien „selbstverständlich vertrags- und koalitionstreu“, verlautete am Montag aus der SPD-Spitze.

Allerdings müsse die Union erklären, warum sie das Risiko eingehen wolle, ein vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuftes Wahlrecht für die nächste Bundestagswahl anzuwenden. Dies könne zur Belastung für die Demokratie werden, hieß es aus der SPD weiter.

Die Grünen appellierten dagegen an die SPD, ihren Antrag zur Änderung des Wahlrechts am Freitag im Bundestag zuzustimmen. „Verfassungswidrige Gesetze müssen geändert werden, und zwar jetzt und nicht später“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast am Montag im Bayerischen Rundfunk. Der Widerstand der Union dürfe für die Sozialdemokraten kein Hindernis sein.

Der Grünen-Vorstoß, den auch die Linkspartei mittragen will, schließt Überhangmandate bei Wahlen weitgehend aus. Solche Mandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zufallen. Die Karlsruher Richter hatten vor einem Jahr die bisherige Praxis bei den Überhangmandaten als verfassungswidrig erklärt, dem Parlament für die Änderung aber eine Frist bis Mitte 2011 gelassen.

Nach Ansicht von SPD, Grünen, Linken und auch einzelnen Unionspolitikern wie Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) sollte die Neuregelung bereits vor der Wahl am 27. September vorgenommen werden. Bei einem knappen Ausgang drohe sonst möglicherweise eine Regierungsbildung mit „verfassungswidrigem Anstrich“, argumentieren die Sozialdemokraten. Unter Hinweis auf das Gerichtsurteil lehnt die Union jedoch eine Änderung noch in dieser Wahlperiode ab. Nach Ansicht von Experten profitiert insbesondere die Union von der jetzigen Praxis.

SPD, Grüne und Linke verfügen im Plenum zusammen über eine Mehrheit. Im Koalitionsvertrag ist ein gemeinsames Abstimmungsverhalten von Union und SPD im Parlament festgelegt. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, hatte nicht ausgeschlossen, dass seine Fraktion für den Grünen-Antrag stimmen könne. Er hege „große Sympathien“ für das Vorhaben, sagte er der „Frankfurter Rundschau“.

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