"Und trenne, was nicht zusammengehört"

Trier · Ingrid Matthäus-Maier setzt sich seit Jahrzehnten für die strikte Trennung von Kirche und Staat ein. Denn die Privilegien der Kirche widersprächen dem Grundgesetzartikel: "Es besteht keine Staatskirche". Im Rahmen des alternativen Pilgerprogramms "Heiligs Röckle" zeigte sie den 120 Gästen in der Tufa anhand zahlreicher Beispiele Verflechtungen zwischen Staat und Kirche auf.

 Ingrid Matthäus-Maier fordert die strikte Trennung von Staat und Kirche. TV-Foto: Katja Bernardy

Ingrid Matthäus-Maier fordert die strikte Trennung von Staat und Kirche. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Während "Tatort"-Fans im Textorium gespannt den Krimi verfolgten, ging es parallel dazu im großen Tufa-Saal ebenso aufregend zu: Am Rednerpult stand eine Politikerin, der die Verflechtungen von Staat und Kirche seit Jahren ein Dorn im Auge sind. "Trotz der weltanschaulich und religiösen Neutralität unserer Verfassung, hat sich an dem politischen Einfluss und den Privilegien der beiden großen Kirchen bis heute nichts geändert", wetterte Ingrid Matthäus-Maier. Und das, obwohl ein Drittel der 82 Millionen Deutschen konfessionsfrei sei. Die Giordano-Bruno-Stiftung, deren Beiratsmitglied die Rednerin ist, hatte in Zusammenarbeit mit der Hochschulgruppe Evolutionäre Humanisten Trier und der Tufa zu der Gegenveranstaltung zur Heilig-Rock-Wallfahrt eingeladen. Etliche Beispiele der Verflechtungen hatte die 66-Jährige parat: Trotz enormer Staatsverschuldung verstoße die Politik gegen das seit 90 Jahren bestehende Verfassungsgebot, die Staatsleistungen etwa für die Besoldung von Bischöfen abzulösen. Doch nach wie vor bezahle der Staat die Bischöfe.
Ein Musterbeispiel der Privilegierung sei die Kirchensteuer. Aber weitaus niedriger als allgemein angenommen sei der finanzielle Anteil der Kirchen an sozialen Leistungen: Ein katholischer Kindergarten in Königswinter etwa erhalte keinen Cent von kirchlicher Seite. So erhalte Kirche gratis die Oberhoheit über die Erziehung der Kinder. Maximal läge die Unterstützung der konfessionellen Kindergärten bundesweit bei zehn Prozent, meinte die SPD-Politikerin. "Dort wo Kirche draufsteht, ist eben nicht immer Kirche drin", folgerte sie. Ebenso sähe es in katholischen und evangelischen Krankhäusern oder Seniorenheimen aus. Auch religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz war ein Thema im Tufa-Saal. "Die Religionszugehörigkeit darf keine Rolle spielen, ob ein qualifizierter Bewerber eine Arbeitsstelle erhält oder nicht", fordert Matthäus-Maier. katExtra

Ingrid Matthäus-Maier, 66, war von 1976 bis 1982 Bundestagsabgeordnete der FDP und von 1983 bis 1999 für die SPD. Bis 2008 war sie im Vorstand der Kreditanstalt für Wiederaufbau, zuletzt als Chefin. Gemeinsam mit Liselotte Funcke (FDP) forderte sie bereits 1974 die klare Trennung von Staat und Kirche. Sie ist Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung. Als 22-Jährige war sie aus der evangelischen Kirche ausgetreten.

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