Keine Beweise für angebliche Manipulationen Faktencheck: Droht bei einer Briefwahl in den USA Betrug?

Bis zur US-Wahl greift die Corona-Pandemie noch um sich. Um kein Infektionsrisiko einzugehen, dürften viele Bürger per Brief abstimmen. Präsident Trump wittert Betrug.

Faktencheck: Droht bei einer Briefwahl in den USA Betrug?
Foto: dpa/Rick Bowmer

Wenn in den USA am 3. November gewählt wird, könnte die Furcht vor dem Coronavirus viele vom Gang ins Wahllokal abhalten. Deshalb wollen US-Bundesstaaten es leichter ermöglichen, per Brief über den kommenden Präsidenten abzustimmen. Doch Amtsinhaber Donald Trump sät Misstrauen. Sind seine Zweifel berechtigt?

BEHAUPTUNG: Eine Briefwahl öffnet Manipulationen Tür und Tor.

BEWERTUNG: Experten und Institutionen sehen keinerlei Betrugsgefahr, Studien untermauern das.

FAKTEN: Über 200 000 Todesfälle gibt es mittlerweile laut Behördenangaben im Zusammenhang mit dem Coronavirus in den USA. Die Demokraten fordern daher, die Briefwahl möglichst vielen Amerikanern zu ermöglichen, um das Infektionsrisiko bei der Stimmabgabe zu minimieren.

Dagegen läuft der Republikaner Trump Sturm: Briefwahl könne zu Manipulationen führen, meint der US-Präsident. «Das wird der größte Wahlbetrug in unserer Geschichte», twitterte er und riet: Um das System auf die Probe zu stellen, sollten Briefwähler versuchen, zusätzlich auch noch persönlich im Wahllokal abzustimmen. Experten und selbst viele Republikaner weisen Trumps Warnungen zurück, stichhaltige Beweise für angeblich drohende Manipulation bleibt der Präsident bisher schuldig.

Wahlbetrug kommt in den USA tatsächlich äußerst selten vor. Selbst kleinere Fälle wie eine unberechtigte Stimmabgabe führen oft zu Gefängnisstrafen, wie eine Übersicht der konservativen Stiftung Heritage Foundation zeigt.

Die US-Denkfabrik Brennan Center for Justice hält eine Manipulationsgefahr bei der Briefwahl für äußerst unwahrscheinlich. Das überparteiliche Institut an der New York University Law School stellt klar: Dass ein Amerikaner die Briefwahl manipuliere, sei weniger wahrscheinlich als vom Blitz getroffen zu werden. «Trumps Behauptungen sind falsch», heißt es dort. «Betrug bei der Briefwahl kommt unglaublich selten vor.»

Den Experten zufolge waren bei untersuchten Abstimmungen nur rund 0,0025 Prozent der in Wahllokalen abgegebenen Stimmen von Betrug betroffen, bei Briefwahl noch weniger. Eine Analyse der Arizona State University kam 2012 zum selben Ergebnis: Bei allen untersuchten Wahlen sei die Zahl der Betrugsversuche «verschwindend gering» gewesen.

Auch die US-Geheimdienste und das FBI sehen derzeit keine Anzeichen für eine drohende Manipulation. Weder gebe es Hinweise darauf, dass andere Staaten versuchten, die Briefwahl in den USA zu torpedieren, noch auf koordinierte Versuche, bei der Briefwahl zu betrügen, sagten Vertreter mehrerer US-Behörden in einem Briefing.

Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies erklärt: «Sie bekommen nur eine Wahlbenachrichtigung, wenn sie sich als Wähler haben aktiv registrieren lassen.» Im US-Bundesstaat Florida etwa wird diese im Wahllokal eingescannt. Wenn jemand bereits Briefwahl gemacht hat, kann mit dieser Wähler-ID kein weiterer Stimmzettel eingereicht werden.

Wer seine Stimme in betrügerischer Absicht doppelt abgebe, mache sich strafbar, so Politikwissenschaftler Thunert. Nach US-Bundesrecht kann die Abgabe von mehr als einer Stimme bei einer Präsidentschafts- oder Kongresswahl eine Geldstrafe von bis zu 10 000 Dollar (8500 Euro) oder auch bis zu fünf Jahre Haft nach sich ziehen. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 hatte rund jeder vierte Wähler per Brief abgestimmt - ohne dass es dabei zu nennenswerten Unregelmäßigkeiten kam.

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