Analyse Worauf es den Wählern bei der US-Wahl ankommt

Washington · Die USA haben ein turbulentes Wahljahr erlebt, an dessen Ende die Abstimmung zwischen zwei Extremen steht. Doch worauf kommt es den Wählern am 3. November noch an als auf die Kandidaten Trump und Biden?

Worauf es den Wählern bei der US-Wahl ankommt
Foto: dpa/Chris O'meara

Die Corona-Pandemie, wochenlange Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, nun auch noch eine umstrittene Neubesetzung am Supreme Court: Die jüngsten Entwicklungen haben den Wahlkampf in den USA geprägt. Sie spielen auch für die Wähler bei ihrer Entscheidung zwischen dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden eine wichtige Rolle. Ein Überblick:

WIRTSCHAFT

Die Wirtschaft ist das bedeutendste Thema für die Wähler, wie Umfragen zeigen: 79 Prozent gaben in einer Erhebung des Forschungsinstituts Pew an, dass sie ein sehr wichtiger Faktor bei ihrer Wahlentscheidung sei.

Die Vorzeichen haben sich im vergangenen halben Jahr dramatisch geändert: Seit das öffentliche Leben wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in den USA weitgehend zum Erliegen kam, boomt die Wirtschaft nicht mehr - und die Menschen bekommen die Krise trotz Lockerungen zu spüren. Nach einer Umfrage für den Hörfunksender NPR stehen 46 Prozent der US-Haushalte vor finanziellen Problemen.

Die Corona-Pandemie hat Trump seines wichtigsten Arguments für die Wiederwahl beraubt. Im Wahlkampf wird der Republikaner nicht müde zu betonen, dass seine Regierung die «beste Wirtschaft der Welt» geschaffen habe und im Falle seiner Wiederwahl ein «großartiges nächstes Jahr» anstehen werde. Biden verspricht, die Wirtschaft «besser wieder aufzubauen». Er will Millionen Jobs schaffen, die Mittelklasse stärken und einen höheren Mindestlohn durchsetzen.

CORONAVIRUS UND GESUNDHEITSVERSORGUNG

Mehr als sieben Millionen nachgewiesene Infektionen, mehr als 200 000 Tote, Einschränkungen in fast jedem Bereich des Alltags: Das Coronavirus gehört ebenfalls zu den wichtigsten Themen für die Wähler. In der Pew-Umfrage nannten 62 Prozent die Pandemie als sehr wichtig für ihre Wahlentscheidung. Allerdings zeigten sich Anhänger Bidens deutlich besorgter als Trump-Wähler.

Trump betont immer wieder, dass die USA ohne sein Krisenmanagement Millionen Opfer zu beklagen hätten. Biden wirft dem Republikaner in der Pandemie Versagen vor. Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass die meisten Wähler dem früheren Vizepräsidenten Biden eher als Trump zutrauen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Die Wahl dürfte auch eine Abstimmung über den Kampf gegen das Virus werden.

Die Pandemie hat gezeigt, wie eng die Lage der Wirtschaft und die Gesundheitsversorgung in den USA zusammenhängen. Millionen Arbeitnehmer verloren mit ihrem Job auch ihre Versicherung. Angesichts der hohen Medikamentenpreise und Behandlungskosten kann das verheerend sein. Die USA sind das praktisch einzige entwickelte Industrieland ohne umfassende staatliche Krankenversicherung. Für Biden-Wähler ist die Gesundheitsversorgung den Umfragen zufolge wichtiger als für Trump-Wähler. Sie stellt aber insgesamt ein Thema von hoher Bedeutung dar.

SUPREME COURT

Wegen des Todes der Richterin Ruth Bader Ginsburg ist der Supreme Court in der heißen Phase des Wahlkampfes überraschend zum Top-Thema geworden. Den Wählern war das oberste US-Gericht aber bereits vorher ein Anliegen - die Benennung von Richtern am Supreme Court gilt als eine der weitreichendsten Entscheidungen, die der Präsident treffen kann. 64 Prozent gaben in der Pew-Umfrage an, dass die Besetzung der Richterposten sehr wichtig für ihre Wahlentscheidung sei.

Eine Umfrage des Senders ABC und der «Washington Post» ergab, dass 64 Prozent der Biden-Unterstützer einen Wahlsieg des Demokraten für noch wichtiger halten, seit der Posten am Supreme Court freigeworden ist. Dagegen gab die Mehrheit (62 Prozent) der Trump-Wähler an, dass die Vakanz nichts an der Bedeutung eines Sieges des Republikaners ändere.

Urteile des Obersten US-Gerichts können alle Lebensbereiche der Amerikaner betreffen. Neun auf Lebenszeit ernannte Richter haben oft das letzte Wort bei Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Trump könnte kurz vor der Wahl die Chance haben, einen dritten Richter in das einflussreiche Gericht zu bringen. Damit könnte er die bereits bestehende konservative Mehrheit auf Jahre oder gar Jahrzehnte hinaus festigen. Von seinen zehn Vorgängern konnten so viele beziehungsweise noch mehr Richter nur Ronald Reagan (drei) und Richard Nixon (vier) ernennen, wie aus einer Liste des Senats hervorgeht.

RASSISMUS, DISKRIMINIERUNG UND POLIZEIGEWALT

Wie unterschiedlich die Wählergruppen die Probleme des Landes bewerten, wird bei den Themen Rassismus und Polizeigewalt deutlich. Der Tod des Afroamerikaners George Floyd Ende Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota löste landesweit Proteste aus, die wochenlang anhielten und wegen aktueller Entwicklungen immer wieder aufflammen. Nach einer Umfrage des Magazins «Politico» gehören Rassismus und Polizeigewalt neben dem Coronavirus zu den drei wichtigsten Themen für Biden-Wähler, während sie es unter den befragten Trump-Wählern nicht einmal unter die ersten acht geschafft haben. Für viele Trump-Wähler sind die Themen Terrorismus und Einwanderung von höherer Relevanz.

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