"Vernünftige Leute aus der Mitte der Gesellschaft"

Die eurokritsche Alternative für Deutschland (AfD) hat nach Meinungsumfragen gute Chancen, Ende Mai ins Europaparlament einzuziehen. Einer ihrer prominentesten Vertreter ist der Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty. Mit dem emeritierten Wissenschaftler sprachen die TV-Redakteure Rolf Seydewitz und Thomas Zeller.

 Joachim Starbatty tritt für die AfD bei der Europawahl an. TV-Foto: Friedemann Vetter

Joachim Starbatty tritt für die AfD bei der Europawahl an. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die AfD machte zuletzt mehr durch innerparteiliche Differenzen auf sich aufmerksam als durch programmatische Dinge. Woran liegt das?
Starbatty: Das ist bei jeder neuen Partei so. Die Leute müssen sich erst finden. Und es kommen natürlich auch Leute, die die Partei nicht nach vorne bringen wollen, sondern sich selbst darstellen. Die sind mal hier, mal da, ich nenne das Flugsand.

Wie lange dauert denn dieser Findungsprozess?
Starbatty: Noch ein Jahr, dann hat sich das erledigt.

Trotz des innerparteilichen Streits steht die AfD in Meinungsfragen bei fünf bis sieben Prozent …
Starbatty: Die Leute sehen, dass wir ein wirklich gutes Europaprogramm erarbeitet haben. Wir haben auf dem Erfurter Parteitag leidenschaftlich und sachorientiert diskutiert. Das haben übrigens auch jene Journalisten gemerkt, die uns vorher gerne in die rechtspopulistische Ecke gestellt haben. Die haben nach Erfurt ihre Ansicht korrigiert.

Werden aus den aktuellen Umfragewerten am 25. Mai Wahlergebnisse, ziehen Sie ins Europaparlament ein. Und dann?
Starbatty: Werde ich mich für ein Europa der Bürger starkmachen. Und für ein Europa freiheitlicher Demokratien. Seit die Nichtbeistands-Klausel der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vom Tisch gewischt wurde, haben die nationalen Parlamente nämlich nichts mehr zu sagen. Das muss wieder rückgängig gemacht werden. Jedes Land muss dann wieder für sich schauen, dass es mit seinen Finanzen hinkommt.

Um Ihre Ideen umzusetzen, brauchen Sie Mitstreiter. An wen haben Sie denn da gedacht?
Starbatty: Um Einfluss und bestimmte Rechte zu haben, muss man eine Fraktion bilden. Meine Präferenz wären die britischen Konservativen. Deren Denke ist mir vertraut.

Die französischen und niederländischen Rechtspopulisten umwerben die AfD bereits und wollen mit ihr im zukünftigen Europaparlament eine Fraktion bilden. Was halten Sie davon?
Starbatty: Unter keinen Umständen. Ich habe mir das Programm des französischen Front National
angesehen: Die sind gegen Freihandel und Freizügigkeit. Das ist nicht mein Programm.
Deutschland lebt vom Freihandel. Wir sind das Land mit dem höchsten Exportüberschuss in Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Sie stört also vor allem das Wirtschaftsprogramm der Rechtsextremen?
Starbatty: Nein. Das ist schon tiefer gehend. Mit Le Pen und Wilders wollen wir nichts zu tun haben.

Die AfD wirbt mit dem Spruch: Mut zur Wahrheit. Was ist denn die Wahrheit?
Starbatty: Nehmen wir als Beispiel die Währungsunion; wenn ich weiß, dass etwas falsch ist, dann sage ich das auch. Wir wissen, dass der Euro ein Würgeeisen ist für die Staaten, die den Euro nicht aushalten können: etwa Spanien oder Frankreich. Und dann werden diese Länder noch gezwungen zu sparen. Das ist ein völlig falsches Programm. Dadurch wird man nicht wettbewerbsfähig, sondern nur durch ein neues Geschäftsmodell.

Bleiben Sie bei Ihrer Aussage: Nein zum Euro. Ja zu Europa?
Starbatty: Das haben wir so nie gesagt. Wir wollen, dass die Länder zusammenfinden, die einen starken Euro aushalten können. Und dass die Länder, die unter einem starken Euro leiden, im eigenen Interesse aus der Gemeinschaftswährung ausscheiden.

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sieht in der AfD "ein Sammelbecken für Unzufriedene am rechten Rand". Inwiefern hat er recht?
Starbatty: Das ist glatter Unsinn. Wer einen Parteitag wie in Erfurt oder Zeltingen erlebt hat, hat gesehen, dass vernünftige, sachkundige Leute aus der Mitte der Gesellschaft dabei sind. Aber natürlich gibt es in der AfD verschiedene Strömungen.

Sie sagen Strömungen, Güllner spricht von Verschwörungstheorien, denen die AfD-Anhänger gerne anhängen. Stimmt das?
Starbatty: Ach, es gibt halt immer Leute, die sagen, der Zweite Weltkrieg sei von anderen angezettelt worden. Das ist der Flugsand, von dem ich sprach. seyExtra

Joachim Starbatty ist emeritierter Professor für Volkswirtsachaftslehre. Der 73-Jährige wohnt in Tübingen und kandidiert für die AfD für die Europawahl. Früher gehörte Starbatty der CDU und dem Bund freier Bürger an. Vor drei Jahren reichte er mit Peter Gauweiler (CSU) Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Rettungsfonds ein. sey

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