Wallfahrt gehörloser Menschen: Singen und beten mit Händen und Mimik

Trier · Mehr als 200 gehörlose und schwerhörige Menschen sind auf Einladung der Katholischen Gehörlosengemeinde Trier aus ganz Deutschland, Luxemburg und Frankreich nach Trier gekommen. Nach dem Gottesdienst in der Pfarrkirche Herz Jesu und dem gemeinsamen Mittagessen gingen sie in leiser Prozession zum Gewand Jesu in den Dom.

 In der Herz-Jesu Kirche feierte die Katholische Gehörlosengemeinde mit einem Gebärdenchor den Gottesdienst.

In der Herz-Jesu Kirche feierte die Katholische Gehörlosengemeinde mit einem Gebärdenchor den Gottesdienst.

Foto: Bistum Trier

Immer wieder fallen sie auf, die Pilgergruppen, die singend und betend, lachend und plaudernd aus allen Himmelsrichtungen zur Trierer Bischofskirche ziehen. Auf ganz eigentümliche Art macht eine mehr als 200 Menschen zählende Gruppe auf sich aufmerksam. Still, ja nahezu lautlos gehen sie mitten durchs sonntägliche Getümmel. Vorneweg ein Pilgerstab und zwei Fahnen. Ansonsten fällt diese große Gruppe kaum auf. Nur gelegentlich dringt ein herzliches Lachen heraus zu den Passanten am Wegesrand.

Und doch unterhalten sich diese Wallfahrer sehr angeregt. Sie erzählen unterwegs von ihrer Reise nach Trier, denn viele kommen von weither. Sie sprechen über Alltägliches und tauschen sich über ihre Eindrücke von der bisherigen Wallfahrt aus. Allerdings sprechen diese Menschen mit den Händen. Und sie sprechen durch Bewegungen der Lippen, durch ihre Augen und die gesamte Mimik. Blitzschnell fliegen Finger und Hände durch die Luft. Und die Gesichter zeigen etwas von der Stimmung der Gesprächsinhalte. Strahlende Augen und ein fröhliches Lachen wechseln mit ernster Mine und erstauntem Blick.

Sehr schnell ist auch der Gast einbezogen in die Gemeinschaft. Hier ein freundliches Lächeln, von dort ein liebevoller Klopfer auf die Schulter und ein munteres "Daumen hoch." Die Freude über das gemeinsame Ziel, über den Tag mit Gleichgesinnten steckt unweigerlich an.

Aus Mainz und Köln, aus Limburg und Aachen, Regensburg, Würzburg und Freiburg, aus Luxemburg und Frankreich und natürlich aus dem Bistum Trier, in dem laut Auskunft von Pfarrgemeinderatsvorsitzendem Norbert Herres 500 gehörlose Menschen leben, sind die Gäste im Zeichen des Heiligen Rockes zusammengekommen. Und natürlich im Zeichen der Katholischen Gehörlosengemeinde (KGG): Ausgestreckter Daumen, Zeige- und kleiner Finger bei eingeklapptem Mittel- und Ringfinger vor dem Kreuz sagen: "Jesus sagt vom Kreuz zu jedem Menschen zu: Ich liebe Dich."

"Mit Jesus auf dem Weg" - mit den Klängen des Schlussliedes machen sich die 200 Teilnehmer nach dem Gottesdienst mit KGG-Pfarrer Ralf Schmitz und nach einem stärkenden Eintopf auf ihren Pilgergang zum Heiligen Rock. Dabei sind auch Petra und Markus Rienermann mit ihren beiden gehörlosen Kindern Fabian (12) und Melanie (8). Der 15-jährige hörende Lukas ist diesmal nicht dabei. Er hat als Dom-Ministrant morgens das Pontifikalamt mit Kardinal Marx gedient und macht jetzt eine verdiente Pause.

"Es ist uns sehr wichtig, unseren Kindern das Schöne und den Sinn des Glaubens mitzugeben", erläutert Petra Rienermann. Im "normalen" Gottesdienst bekämen Fabian und Melanie davon leider zu wenig mit. Daher besucht die Familie regelmäßig die einmal im Monat stattfindende Messe in der Gehörlosengemeinde.

Natürlich müsse die Familie immer wieder einen großen Spagat machen zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt. "Gehörlose Menschen fühlen und denken ganz anders, teilen sich anders mit", sagt Vater Markus Rienermann. Auch Probleme spricht die Familie an, nennt die zu geringe Zahl von Dolmetschern für Gehörlose und katastrophale Qualität der Untertitel von Fernsehnachrichten.

Den Heiligen Rock hat Fabian mit seiner Familie schon vor diesem Sonntag angeschaut. "Es geht uns auch darum, den Kindern etwas von dieser wunderbaren Stimmung mitzugeben", nennen die Eltern ihre Motivation für den erneuten Gang zur Tunika. Fabian und Melanie sind zwar richtig müde nach dem langen Tag. Aber sie nehmen viele Eindrücke mit nach Hause, die in den nächsten Tagen und Wochen in den Familiengesprächen verarbeitet werden - mit Händen, Augen und Mimik, wie es bei Familie Rienermann so üblich ist.

Informationen über die Katholische Gehörlosenseelsorge im Bistum Trier gibt es im Internet unter www.kgg-trier.de .

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