WORKPLACE - DIE BESTEN ARBEITGEBER DER REGION Arbeitsplatz "zum Altwerden" gesucht!

Wissen weitergeben lassen, statt selber am Gröbsten zu schrauben. Wertschätzung für Detailkompetenz auch wenn es manchmal länger dauert. Gerade ein Zusammenspiel der Generationen mit ihren Stärken kann ein Unternehmen stärken und Mitarbeiter halten. Foto: Archiv

Worauf es bei der Wahl des Arbeitsplatzes zunehmend ankommt, ist die Alltagstauglichkeit im Alter

Weil die ,,Babyboomer" langsam aber sicher aus dem Erwerbsleben ausscheiden und die Arbeitskräfte immer knapper werden, belegen Studien, was der gesunde Menschenverstand längst weiß: Wir werden zunehmend bis in ein höheres Alter arbeiten müssen, als die Generationen zuvor. Es macht also besonders viel Sinn bei einem Jobwechsel auch den ,,Wohlfühlfaktor 50plus" im Blick zu haben - und für Unternehmen etwas dafür zu bieten.

Viele Unternehmen legen großen Wert darauf, besonders modern, innovativ, spritzig, irgendwie jugendlich zu wirken. Klar, dass da die Belegschaft mitziehen muss - von der Technik über die Inhalte, oft bis in die Sprache und das Auftreten. Oft finden sich so länger gediente Mitarbeiter in einem Umfeld wieder, in dem die Zeit rückwärts zu laufen scheint. Und mit jedem Jahr müssen sie die Anstrengungen vergrößern, um weiter ins Bild zu passen. Oder sie suchen sich einen neuen Platz, bei dem in Würde älter zu werden ,,erlaubt" ist.

Buhlen um die Boomjahrgänge

Der Fachkräftemangel in Deutschland wird sich in den kommenden Jahren in vielen Bereichen weiter verschärfen – vor allem im Verkauf, in Kitas, der Sozialarbeit und Krankenhäusern. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Um die drohende Personallücke zu schließen, müssen demnach vor allem mehr Menschen in Arbeit gebracht werden – und später in den Ruhestand gehen.

,,Wenn wir es schaffen, die Babyboomer nur etwas länger arbeiten zu lassen, wäre uns bereits enorm geholfen", sagte Studienautor Alexander Burstedde.

Große Lücke bei sozialen Berufen erwartet

Das IW schlüsselt in der Studie anhand bekannter Daten auf, wie sich der Mangel an Arbeitskräften in einzelnen Berufsgattungen bis 2026 entwickelt. Die größte Lücke dürfte demnach in der Kinderbetreuung, der Kranken- und Altenpflege sowie der Sozialarbeit klaffen. Noch vor ihnen liegt der Verkauf, dem es etwa an Kassenpersonal fehlt. Der Bereich unterliegt allerdings großen Schwankungen. Ein wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel sei, dass die Babyboomer, also die besonders geburtenstarken Jahrgänge, Schritt für Schritt in Rente gingen. Zugewanderte Arbeitskräfte allein könnten diese Lücke nicht schließen, zumindest nicht beim aktuellen Tempo der Zuwanderung.

Länger arbeiten gesamtgesellschaftlich viel wichtiger als Zuwanderung

,,Heute gehen Beschäftigte im Schnitt mit gut 64 Jahren in den Ruhestand", sagt Burstedde: ,,Wenn wir da nur etwas mehr rausholen, haben wir schon viel geschafft." Denn Ältere in Arbeit zu lassen, sei der mit Abstand wichtigste Hebel gegen den Fachkräftemangel: ,,Grob gesagt etwa dreimal so wichtig wie die Zuwanderung." Dabei sei es nötig, Älteren die passenden Angebote zu machen - etwa das Arbeiten in Teilzeit.

Mehr Flexibilität für ältere Beschäftigte

Dem stimmt auch Sebastian Dullien zu, Ökonom am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Ältere könnten im Kampf gegen den Fachkräftemangel eine wichtige Rolle spielen: ,,Allerdings muss man ihnen die Flexibilität am Arbeitsplatz geben, die sie brauchen." Um die großen Personallücken etwa in Krankenhäusern zu füllen, brauche es eine neue Organisation der Arbeit. ,,In der Pflege und den medizinischen Berufen gehen uns die Leute aus, weil sie nicht mehr können", sagt der Ökonom. Dass Beschäftigte hier ausbrennen, dürfe nicht passieren. Um die Berufe wieder attraktiv zu machen, brauche es zudem eine bessere Bezahlung. Auch beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe sieht man die Mehrarbeit kritisch. ,,Wir sehen schon jetzt in den Pflegeberufen, dass Ausfälle durch Krankheit und ein früheres Ausscheiden aus dem Beruf deutlich höher sind als in anderen Berufen", sagt deren Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper. Bei diesen Bedingungen die Arbeitszeit noch zu erhöhen, verschärfe das Problem. Stattdessen brauche es Strukturen in der Pflege, die das Arbeiten bis zur Rente überhaupt ermöglichen.

Arbeitsbedingungen müssen sich besonders in herausfordernden Berufen bessern

An qualifiziertem Personal mangelt es offenbar nicht: Wie aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Sommer 2022 hervorging, könnten rechnerisch mindestens 300.000 Vollzeitstellen in der Pflege durch Rückkehrer und Aufstocker besetzt werden, vorausgesetzt, die Arbeitsbedingungen entwickelten sich zum Besseren. Bereits jetzt ist die Personaldecke im Bereich ,,Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung" ein Brennpunkt. Im Dezember blieben hier mehr als die Hälfte der ausgeschrieben Stellen ohne passende Besetzung, wie das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des IW in einer anderen Studie berichtete. Immerhin ergab sie auch, dass der Fachkräftemangel im vierten Quartal 2022 leicht zurückging. Die Experten betonten aber, dass er weiter auf hohem Niveau verharre.

Immer mehr Branchen und Unternehmen betroffen

Auf eine große Personalnot steuern auch Betriebe aus dem Bauwesen und dem Handwerk hin - allen voran aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Sie müssen in den kommenden Jahren etwa den energetischen Umbau vieler Eigenheime stemmen. Die Ausbildungszahlen seien hier zwar etwas besser als im allgemeinen Trend, sagte Carsten Müller-Oehring vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima. ,,Das reicht jedoch in keiner Weise, um den großen Bedarf an Fachkräften zu decken, der erforderlich ist, um die politisch ausgerufenen Aufgaben zu erfüllen", sagte Müller-Oehring. Viele Wirtschaftsbereiche sind vom Fachkräftemangel betroffen: Im Jahr 2021 litten unter den 1300 untersuchten Berufsgruppen gut 400 an Personalnot. Bis 2026 werde das auf knapp 560 steigen. ,,Der Fachkräftemangel breitet sich also auf weitere Berufe aus", heißt es in der Studie. Ein entscheidender Faktor am Arbeitsmarkt wird daher die Alterstauglichkeit der jeweiligen Stellen sein: Wo immer möglich, sollten Arbeitgeber nach Lösungen und Angeboten suchen, die die Arbeit auch für Fachkräfte auf der Zielgeraden zur Rente attraktiv und umsetzbar hält.

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