Tragik in Holz

SCHWEICH. Auf eine ganz neue und sehr eindringliche Weise erlebten die Besucher des Theaterzentrums Stierstall in Schweich den klassischen Opernstoff Rigoletto: Ausdrucksstarke Holzfiguren, geführt von Puppenspielern des Kobalt Figurentheaters aus Berlin, vermittelten intensive Dramatik.

Eine ungewohnte Sichtweise bot das beim Kultursommer Rheinland-Pfalz aufgeführte Stück für diejenigen Besucher, die Rigoletto bislang nur von der Opernbühne kannten. In einem einfachen Bühnenbild in Form eines Schafottkarrens, der sich mit wenigen Handgriffen zu verschiedenen Schauplätzen verwandeln ließ, agierten ungewöhnliche Darsteller.Geschnitzte Charaktertypen

Charaktervolle Typen, aus Holz geschnitzt von den tschechischen Künstlern Michaela Bartonova und Antonin Müller. In raffiniert eingesetzter Beleuchtung, sichtbar geführt und gesprochen von Silke Technau und Stephan Schlafke, entwickelten die eigentlich starren Mienen Leben und ungeheure Ausdruckskraft. Ein Weilchen brauchten die meisten Zuschauer schon, bis sie sich von der Beobachtung der Menschen im Hintergrund lösen und sich auf die Figuren selbst konzentrieren konnten. Dann aber war es wie ein Bann - in der ICV-Halle in Issel hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Das Stück fesselte vor allem mit seiner Dramaturgie. Eigens für die Figuren war der ursprüngliche Stoff von Victor Hugos "Le Roi s'amuse" umgeschrieben worden. Hugo hatte sein Drama im Frankreich der Renaissance angesiedelt und seine Hauptfigur, den Hofnarr Triboulet, Mordpläne gegenüber dem mächtigen König Francois I. schmieden lassen. Das Werk wurde verboten, später aber von Verdi entdeckt und aufgegriffen. Motive seiner weltberühmten Oper, in Aufnahmen mit Maria Callas und Tito Gobbi, setzte das Berliner Ensemble immer dann ein, wenn Gefühle und Konflikte der Charaktere höchste Intensität erreichten. In den gesprochenen Sequenzen dazwischen entwickelten sich, gewürzt mit Humor und viel Gefühl, die tragischen Verwicklungen, als deren Höhepunkt Rigoletto durch den Tod seiner Tochter zum Opfer der eigenen Rachepläne wird. Auf virtuose Weise und mit viel Herzblut vermittelte das Figurentheater Kobalt aus Berlin ein neues Verständnis des klassischen Rigoletto.

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