Trotz Ausbildungspakt: Zehntausende Lehrstellen fehlen

Berlin (dpa) - Trotz des Ausbildungspaktes von Wirtschaft und Bundesregierung werden zum gesetzlichen Stichtag 30. September noch etwa 35 000 bis 40 000 unvermittelte Jugendliche erwartet.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (beide SPD) und die Präsidenten der Wirtschaftsverbände gaben am Dienstag in Berlin den Startschuss für die bisher aufwendigste Nachvermittlungs-Aktion. Dazu zählen persönlichen „Kompetenzchecks“ der Unversorgten durch Kammern und Arbeitsämter sowie das Angebot von bis zu zwölfmonatigen Einstiegs-Qualifikationen und Praktika bei Betrieben.

Clement sieht zwischen Angebot und Lehrstellennachfrage bundesweit noch eine rechnerische Lücke von etwa 20 000 bis 30 000 Plätzen. Handelskammer-Präsident Ludwig Georg Braun sagte: „Der Pakt wirkt. Wir haben das Ziel vor Augen. Erreicht haben wir es noch nicht.“ Gleichwohl gaben sich alle Partner zuversichtlich, bis Jahresende den größten Teil der Unversorgten in eine Ausbildung zu bringen.

Zum Vergleich: Im vergangenem Jahr gab es zum 30. September rund 35 000 Unversorgte bei einer rechnerischen Lücke von 20 000 Stellen. 1997 - in der letzten Ausbildungsbilanz der Regierung Helmut Kohl (CDU) - waren es 47 500 Unversorgte.

Mit Hilfe des Lehrstellenpaktes sind den Angaben zufolge bisher gut 35 000 neue Plätze gewonnen worden - zum größten Teil in Betrieben, die bisher nicht ausgebildet haben. Wegen der Wirtschaftslage hätten aber andere Unternehmen weiter Stellen abgebaut. Dennoch bleibe unter dem Strich ein Plus von 10 800 zusätzlichen Plätzen. Gleichzeitig gibt es in diesem Jahr aber rund 20 000 Schulabgänger mehr, was die Lage zusätzlich erschwert.

Jugendliche, die der Einladung von Kammern und Arbeitsämtern zur Beratung oder zum „Kompetenzcheck“ nicht folgen, werden aus der Bewerberliste gestrichen und verlieren zunächst auch Anspruch auf Sozialförderung. Braun forderte die jungen Menschen auf, diese „Checks“ nicht als Prüfung, sondern als individuelle Chance zur Vermittlung zu begreifen. Clement bedauerte es, dass bei früheren Aktionen dieser Art nur 60 Prozent der Eingeladenen erschienen sei.

Wer nachträglich nicht in eine reguläre Ausbildung vermittelt werden kann, soll eine Einstiegs-Qualifikation angeboten bekommen. Die Zeit kann später bei einer regulären Lehre angerechnet werden. Der Bund zahlt den Jugendlichen monatlich knapp 200 Euro zum Lebensunterhalt und übernimmt auch die Sozialversicherungskosten. In Clements Etat sind dafür 270 Millionen Euro vorgesehen.

Bulmahn forderte von den Ländern mehr Anstrengungen, die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss zu verringern. Derzeit verlässt jeder zehnte die Schule ohne Abschluss. Diese Zahl müsse bis 2010 mindestens halbiert sein.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, sagte, die drohende Ausbildungslücke gefährde den Ausbildungspakt. Wenn sich die Prognose bestätige, sei dies „ein schlimmes Signal“ an die Jugend. Sie verwies darauf, dass in Sachsen jeder fünfte junge Mann NPD gewählt habe. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer gab der Bundesregierung die Schuld an der Lehrstellenlücke.

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