TV-Interview: Arenz will erneut antreten

Im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund erklärt Werner Arenz, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Obere Kyll, Hintergründe des Untreue-Falls im Rathaus und nimmt zu kritischen Punkten Stellung.

(sn/cus) Der ehemalige Kämmerer der VG Obere Kyll habe sich das Vertrauen mit großer Fachkompetenz und Zuverlässigkeit erarbeitet und für seinen Betrug ausgenutzt, sagt Bürgermeister Werner Arenz (CDU) beim Interview mit den TV-Redakteuren Marcus Hormes und Stefanie Glandien.
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Herr Arenz, die Aufregung um den Untreue-Fall scheint sich etwas gelegt zu haben. Auch die Fraktionen halten sich zurück. Die Ruhe nach dem Sturm?
Werner Arenz: Die Fraktionen sind sich eigentlich mit mir einig in der Beurteilung dieser schlimmen Unterschlagungssache. Wir sind einem wahnsinnig intelligenten und fachkundigem, zielgerichtet und verdeckt arbeitenden Täter aufgesessen. Der anfängliche Schock ist einer Politik des kühlen Kopfes gewichen. Wir konnten die Sache aufarbeiten und Schwachstellen abstellen.
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Warum gab es in der VG keine gültige Dienstordnung und keinen Geschäftsverteilungsplan?
Arenz: Doch, das gab es schon. Wir haben sowohl eine Dienstordnung, als auch einen Geschäftsverteilungsplan, der ist aber nicht bis in alle Details ausgearbeitet. Es gibt auch für jeden einzelnen Mitarbeiter Aufgabenzuweisungen, die man in der jeweiligen Personalakte nachschauen kann.
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Der inzwischen gestorbene Kämmerer war gleichzeitig auch Personalratsvorsitzender und EDV-Administrator. Zu viel Machtfülle?
Arenz: Das habe ich weitgehend so vorgefunden, auch die Konstellation, dass der Kämmerer gleichzeitig Kassenaufseher war. Das gibt es übrigens bei vielen Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz. Der Mann hat hier vor 40 Jahren von der Pike auf gelernt. Er war wahnsinnig fleißig, erreichte Spitzennoten. Auch in anderen Verwaltungen war sein Rat gefragt. Aus dieser Fachkompetenz ergab sich eine Vertrauensstellung. Er war ein Mensch, der dadurch bei anderen sehr beliebt war.
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War es blindes Vertrauen?
Arenz: Vertrauen bekommt man nicht von heute auf morgen, das muss man sich erarbeiten, und es hat auch Grenzen. Es gab sicherlich kaum jemanden in diesem Haus, dem größeres Vertrauen entgegengebracht wurde.
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War es ein Stück Bequemlichkeit, ihn alles machen zu lassen?
Arenz: Einer, der sich immer als zuverlässig, hilfsbereit, der Sache dienlich erwiesen hat, dem es nie zu viel war, in jede Gemeinderatssitzung zu gehen, der zum Dienst kam, obwohl er akut erkrankt war: Dann ist einfach ein Gefühl da, das ich Vertrauen nenne. Das habe ich als Fehler eingestanden; man hätte hellhöriger sein sollen.
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Laut Prüfbericht der Gekom gab es keine Kontrolle über Tun und Lassen des Kämmerers.
Arenz: Die Gekom sagt, dass der Täter äußerst geschickt vorgegangen ist und ihm mit normalen Mitteln nicht auf die Schliche zu kommen war. Im Nachhinein kann man sagen, da hätte man häufiger hinschauen sollen. Überall dort, wo Leute in Führungspositionen sind, muss aber auch ein Stück Vertrauen vorhanden sein.
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41 Inhaber-Barschecks wurden ohne Auszahlungs-Anordnung ausgestellt. Für Überweisungen genügten Bildschirm-Ausdrucke.
Arenz: Wenn man damals mit Überweisungen und Verrechnungsschecks gearbeitet hat, hat es einige Zeit gedauert. Bei manchen Darlehen ist der Tageszins entscheidend, da musste es schnell gehen. Schecks sind an sich nichts Ehrenrühriges. Die Banken hätten die Häufigkeit und die Summen in verdächtiger Größenordnung erkennen müssen. Das Frühwarnsystem der Banken hätte funktionieren müssen.
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Auch andere Mitarbeiter haben sich nicht an die Auszahlungsvorschriften gehalten.
Arenz: Da gab es eine gute Portion Gutgläubigkeit seiner engsten Mitarbeiter. Wenn man in einem Großraumbüro sitzt und hat zehn oder 30 Jahre miteinander gearbeitet, entsteht auch Vertrauen. Dass dann mal flott eine Unterschrift unter ein Dokument gesetzt wird, das dürfte zwar nicht sein, aber das passiert leider überall.
Wieso hatte der Kämmer auch nach 2002, als ein EDV-Administrator eingestellt wurde, noch volle Zugriffsrechte auf das Programm?
Arenz: Das ist natürlich nicht gut, den Schuh müssen wir uns anziehen. Dass man ihm die Aufgabe zwar abgenommen hat, aber durch ein Versäumnis dieses Recht nicht widerrufen worden ist. Es ist aber nicht ursächlich für das, was er getan hat.
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Er hat auch Aufgaben von anderen übernommen, zum Beispiel den Kassenabschluss. Das gab ihm Möglichkeiten zur Manipulation.
Arenz: Das war nicht sein Job, das ist richtig. Wir sind eine kleine Gemeinschaft mit rund 40 Mitarbeitern. Die mit breitester Ausbildung, die alles machen können, davon haben wir nur wenige. Wenn einer nicht da ist und ein anderer ihn vertreten muss, dann ist das mit dem Vier-Augen-Prinzip so eine Sache. Dann passiert es schon mal, dass jemand eine Tätigkeit ausübt, die er nicht machen dürfte. Da die Grenzen zu ziehen, ist schwierig. Es ist aber niemand an mich herangetreten und hat gesagt, ihm sei etwas seltsam vorgekommen.
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Seit 2001 war der Kämmerer nicht mehr Aufsichtsbeamter der Kasse. Dennoch prüfte er statt des beauftragten Büroleiters noch dreimal die Kasse. 2003 und 2005 gab es gar keine örtliche Prüfung.
Arenz: Den Wechsel hatte ich angemahnt. Ich wollte eine stärkere Trennung zwischen anweisender und ausführender Stelle. Die unvermutete Kassenprüfung ist nur eine Momentaufnahme. Die Vorschriften tragen dem modernen Kassenwesen überhaupt keine Rechnung. Kassenprüfungen aufgrund von Ausdrucken auf Papier und Geldzählen in der Barkasse sind veraltet, da muss man in die EDV rein. Die Art Prüfungen, bei denen innerhalb von ein bis zwei Stunden nur der Barbestand der Kasse gezählt wird – das ist nicht besonders schlimm, wenn die mal ausfallen sollte.
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Die höheren Kassenkredite, über die der Geldabfluss aufgefangen wurde, und die hohen Kassenausgabereste sind weder im Haus noch von der Kreisverwaltung erkannt worden.
Arenz: Zur Rolle der Kreisverwaltung steht es mir nicht zu, etwas zu sagen. Natürlich wäre man auch hier für entsprechende Hinweise dankbar gewesen. Nur eine neutrale, übergeordnete Stelle kann uns Vergleichszahlen nennen, wie es bei anderen Verbandsgemeinden aussieht und wie es dann hier aussehen sollte.
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Sie sagten mal, Sie hätten dem Kämmerer sogar ihr Testament anvertraut. Dabei wussten Sie doch anscheinend nicht viel von seinem Privatleben.
.Arenz: Doch, natürlich wussten wir ganz gut, wie er sich privat verhält. Wir wussten, dass er als Junggeselle sehr zurückgezogen lebt, ein Technik-Freak. Er hat sich in der Kirche engagiert. Wir wussten, dass er häufig am Wochenende einen Kurztrip nach Berlin gemacht hat, dass er eine Freundin dort hat. Er fuhr ein altes Auto, seine Kleidung war eher bescheiden. Absolut nichts Auffälliges.
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Welche Konsequenzen gab es in Ihrem Haus? Es hieß, Mitarbeiter seien strafversetzt worden.
Arenz: Das ist die frei erfundene Behauptung eines politischen Scharfmachers. Den neuen Finanzabteilungsleiter habe ich mir aus dem Haus geholt, ein äußerst gewissenhafter Mann. Er war stellvertretender Bauabteilungsleiter, diese Lücke musste gestopft werden durch einen anderen. Dadurch gab es ein umfangreiches Stühlerücken. Der EDV-Administrator ist in der Zentralabteilung angesiedelt, die Anbindung zur Finanzabteilung gekappt. Konsequenzen wegen eines persönlichen Fehlverhaltens eines Mitarbeiters hat es noch nicht gegeben.
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Sie sind seit 15 Jahren Bürgermeister der VG Obere Kyll. Treten Sie 2009 wieder an?
Arenz: Ja. Warum sollte ich nicht? Ich lasse mich doch nicht von einigen Scharfmachern hier ins Bockshorn jagen. Wer mich kennt, der weiß: Das werde ich durchstehen. In der Vergangenheit hatte ich gut dotierte Angebote eines Wechsels in die private Wirtschaft ausgeschlagen.
Wie die Bürger später bei den Wahlen abstimmen, ist eine völlig andere Frage. Die Kritiker haben jetzt natürlich jede Menge Zeit, die Leute weiter gegen mich aufzuhetzen.
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Wird die CDU Sie als Kandidat nominieren?
Arenz: Das weiß ich nicht, es ist auch Sache der Partei. Die Frage ist noch lange nicht akut. Wenn ja, ist es gut, wenn nicht, dann trete ich eben als freier Einzelbewerber an. Das wird parteiintern wohl erst in einem Jahr besprochen.
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Verlieren Sie bei einem Rücktritt Ihre Pensionsansprüche?
Arenz: Bis zum 60. Lebensjahr gibt es eine sogenannte Wiederkandidatur-Verpflichtung. Man muss also kandidieren, sonst verliert man alle Pensionsansprüche. Auch bei einem Rücktritt, nicht jedoch bei einer Abwahl. Dass ich nun 33 Jahre umsonst gearbeitet haben soll, ist kaum einzusehen. Doch das ist für mich nicht der Hauptantrieb. Ich habe einen Auftrag aus der Bevölkerung bekommen. Die Zweidrittel-Mehrheit, mit der ich 2001 bei zwei Gegenkandidaten gewählt worden bin, ist für mich Ansporn, Aufgabe und Verpflichtung zugleich. Die Menschen, die mir nicht gut gesonnen sind, kennt man. Sie schreiben Leserbriefe, hetzen an irgendwelchen Theken und schicken mir üble anonyme Briefe. Ich bekomme aber auch jede Menge Zuspruch, der gut tut und für den ich danke. Ich werde also nicht zurücktreten. Für mich ist das Amt des Bürgermeisters Aufgabe und Verantwortung zugleich.


ZUR PERSON

Werner Arenz, 1955 geboren in Trier, trat nach dem Abitur 1975 in den Dienst der Stadtverwaltung Trier ein. 1978 schloss er mit Prädikatsexamen die heutige Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz ab. Nach kurzer Dienstzeit als Sachbearbeiter im Bauverwaltungsamt bei der Stadtverwaltung Trier wechselte er 1979 als Sachbearbeiter zum Innenministerium nach Mainz. 1992 wählte ihn der Verbandsgemeinderat Obere Kyll zum Bürgermeister. 2001 setzte er sich bei der Urwahl mit 65,4 Prozent der Stimmen gegen den unabhängigen Kandidaten Nikolaus Simon und den SPD-Kandidaten Elk Rohde durch. Arenz ist CDU-Mitglied seit 1976 und Mitglied des Kreistags Vulkaneifel. (cus)

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