Unikate aus Paraffin

Eine Osterfeier ohne Osterkerze: Das ist nicht vorstellbar. Die sich selbst verzehrende Flamme symbolisiert die Selbstopferung Christi und erinnert zugleich daran, dass Licht ein Zeichen des Lebens ist. In der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag wird die Kerze am Osterfeuer entzündet, sie erleuchtet an diesem Abend als einzige Lichtquelle den Kirchenraum.

 Corinna Hamacher gibt den Kerzen ihre richtige Stärke, in dem sie sie in flüssiges Wachs eintaucht. Fotos: Miguel Castro

Corinna Hamacher gibt den Kerzen ihre richtige Stärke, in dem sie sie in flüssiges Wachs eintaucht. Fotos: Miguel Castro

Eine Osterfeier ohne Osterkerze: Das ist nicht vorstellbar. Die sich selbst verzehrende Flamme symbolisiert die Selbstopferung Christi und erinnert zugleich daran, dass Licht ein Zeichen des Lebens ist. In der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag wird die Kerze am Osterfeuer entzündet, sie erleuchtet an diesem Abend als einzige Lichtquelle den Kirchenraum. Vorn an der Kerze das Kreuz, begleitet von Jahreszahl, Weihrauchkörnern und dem ersten und letzen Buchstaben im griechischen Alphabet - "ich bin das A(lpha) und das O(mega), der Anfang und das Ende”, heißt es in der Offenbarung des Johannes. Ein Unikat, das von Experten hergestellt wird.

In seiner Werkstatt hält Stephan Hamacher eine Osterkerze hoch: Etwa einen Meter ist sie lang, das prächtige Rot des Kreuzes fesselt den Blick des Betrachters. "Eines meiner Schmuckstücke", sagt Hamacher, Kerzenmacher und Chef des gleichnamigen Familienbetriebes im Norden Triers. Die Verzierungen sind bemalte Wachsplättchen. Seit fast 200 Jahren stellt der Betrieb Altar-, Oster-, Erstkommunions-, Tauf- und Brautkerzen her, aber Hamacher hat es an diesem Morgen etwas eilig. "Wir haben jetzt Hochsaison", entschuldigt sich der hoch- gewachsene ältere Herr beim Rundgang durch die Betriebsräume.

Zur Osterzeit herrscht bei Kerzenmachern Hochkonjunktur - nicht nur des höchsten christlichen Festes wegen. Eine Woche später wird die Erstkommunion gefeiert. In einem Nebenraum bringt Cornelia Hamm grüne Ranken quer über einen dünnen Rohling an, dann folgt ein goldfarbener Kelch und der Name des Kindes.

Ortswechsel: Etwa einen Kilometer flussaufwärts arbeitet auch Heinz Bermel-Meyer an einer Kerze, einer Osterkerze. Diese hier ist aber vom Boden aufwärts in einem leuchtenden Orange-Ton gehalten, der oben ins Weiß und Gelb der Kerze übergeht. "Es gibt auch für solche Kerzen Interesse", sagt der Inhaber der gleichnamigen Wachswarenfabrik am Trierer Moselufer - ebenso wie Hamacher ein Familienbetrieb, der sich auf Kerzen für den kirchlichen Bedarf spezialisiert hat.

Erst Kerzen schaffen das Ambiente für Andacht, Besinnung oder einfach nur ein wohliges Gefühl. Der Stoff, der die Flamme nährt, ist aber ein "Abfallprodukt" des Erdöls: Paraffin. Vor dessen Entwicklung im 19. Jahrhundert nutzte die Masse der Bevölkerung so genannte Unschlittkerzen aus tierischem Talg. Ruß und ein ranziger Geruch waren die Begleiterscheinungen.

Für edle Anlässe wie zu Ostern kommt bis heute jedoch auch Bienenwachs zum Zuge, es macht zehn Prozent einer Osterkerze aus. Ein edler und angenehm riechender Rohstoff - und teuer. "Bienenwachs war bereits im Mittelalter nur für privilegierte Schichten erschwingbar", sagt Wolfgang Reich, Geschäftsführer der Bayerischen Wachszieherinnung - die bundesweite Vertretung handwerklich orientierter Kerzenmacher. Weil Paraffin, das auch für Lippenstifte oder Medikamente verwendet wird, aber mittlerweile ebenfalls im Preis steigt, suchen Kerzenmacher nach Alternativen. "Es ist durchaus vorstellbar, dass wir in 15 Jahren Kerzen anzünden, die aus Soja hergestellt sind", sagt Reich unter Verweis auf laufende Versuche und Entwicklungen.

In Manderscheid präsentiert Michael Moll in seiner Hand einen Quader mit funkelnden kristallinen Mineralien: Stearin, ein aus pflanzlicher Fettsäure gewonnenes Kerzenwachs - besonders tropffest und härter. Moll, der einzige Wachsziehermeister in der Region, wie er betont, betreibt im Eifelstädtchen Manderscheid eine eigene Werkstatt. Er produziert Oster- oder Kommunionkerzen, hat sich aber auf eigene Kreationen spezialisiert: Kerzen als Blume, Figur oder passend zur WM gar als Fußball. Bis heute verkauft er Kerzen in Lavasteinfassungen. Die Idee dazu entstand, als der gelernte Koch vor 20 Jahren erstmals mit Kerzen experimentierte. Er probiere fortlaufend neue Möglichkeiten, sagt Moll.

So wie die regionalen Betriebe sind die meisten Kerzenmacher kleinere Betriebe, "Partner der Kirche", sagt Innungs-Chef Reich. Für das Handwerk sei es nicht einfach, aber Kerzen, die hätten immer eine Zukunft - und damit auch das Gewerbe. 30 Auszubildende nennt Reich für die Handwerksinnung, immerhin jeder zweite der Mitgliedsbetriebe bilde aus. "In der Abschlussprüfung müssen die Lehrlinge weiter Kerzen per Hand ziehen, damit sie für die Kerzenmasse das richtige Gefühl bekommen."

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Kerzenmacher bräuchten viel Ruhe, Geduld und handwerkliches Geschick, meinen Moll und Hamacher. Wer das besitzt, dem winkt ein vielseitiger Beruf. Bermel-Meyer: "Die eigene Stärke liegt darin begründet, dass wir fast jeden individuellen Wunsch erfüllen können. Jeden Tag werde ich neu gefordert, kreativ tätig zu sein. Langeweile kommt da nicht auf." ma/bruMiguel Castro

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