„Unsere Songs gehen ihren Weg“

Nach ihrem Erfolgshit „Little Numbers“ und dem Debüt „Mutual Friends“ im Jahr 2011 meldet sich die deutsch-schweizerische Formation Boy nun mit einem zweiten Album zurück. Am 20.10. präsentiert das Duo seine aktuelle Scheibe „We Were Here“ im luxemburgischen Musikklub den Atelier.

Seit Kurzem ist eure zweite Platte "We were here" erschienen. Welche Gedanken schossen euch vor dem Release durch den Kopf?
Sonja: Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war das Album einfach unseres. Es haben nicht viele Leute gehört, außer Journalisten und Freunde. Wenn das Album rausgeht, dann kann es auch unser Publikum sich anhören und dann hat jeder eine eigene Meinung. Für uns ist es natürlich sehr aufregend, das Feedback zu hören oder zu lesen.

Wenn du das Gefühl mit einer Situation umschreiben könntest, die jeder kennt, mit was würdest du ein Album-Release dann vergleichen?
Sonja: Es ist, wie wenn man eine wichtige Arbeit abgegeben hat, vielleicht sogar eine Doktorarbeit.

Fallen die Sorgen dann direkt von einem ab?
Sonja:Nein, es ist eher ein längerer Übergang, weil die Reaktionen nicht direkt am Tag der Veröffentlichung kommen, sondern uns in den nächsten Wochen zufliegen und auch auf den Konzerten sichtbar sein werden.

Habt ihr in der Zeit zwischen Fertigstellung und Release des Albums relaxed?
Sonja: Nein, wir haben sehr viel Promo gemacht, Akustik-Aufnahmen eingespielt und Videos gedreht. Wir waren also sehr busy. Im April hat mir mein Bruder die gleiche Frage gestellt, als ich ihm erzählte, dass wir das Album nun fertig gestellt haben.

Fragt die Familie eigentlich noch, womit ihr euer Geld verdient oder ist das nun, nachdem euer zweites Album da ist, kein Thema mehr?
Sonja: Nein, das ist kein Thema mehr. Es ist klar, dass wir davon leben und das es auch sehr gut läuft. Anfangs hat der Ein oder Andere aus dem engsten Familienkreis unseren Beruf mit kritischen Augen betrachtet, aber mittlerweile finden alle gut, was wir tun.

Ihr wart zweieinhalb Jahre auf Tour - ist das neue Album das Resultat daraus? Habt ihr eure Tour darin verarbeitet?
Sonja: Es gibt einen Song, der etwas mit dem Reisen zu tun hat. Der heißt "Hotel". Er erzählt einzelne Geschichten aus Hotelzimmern. Valeska ist auch in einem Hotelzimmer die erste Idee zu einem Song fürs Album gekommen. Aber wir wollten absolut kein Album schreiben, dass vom Tourleben handelt, sondern kleine Geschichten erzählen, die man erlebt hat, die einen beschäftigen oder die man gehört hat. Die Texte handeln also nicht von unserem Tourleben.

Wer schreibt die Texte für eure Songs?
Sonja: Eigentlich schreibt Valeska die Texte und ich mache die Musik, aber auf unserem neuen Album habe ich einen Text geschrieben, weil da Musik und Text zusammenhingen. Das ist aber eine Ausnahme.

Nach welchem Schema seid ihr bei eurem neuen Album vorgegangen?
Sonja: Das Album ist ganz natürlich entstanden. Es war eine Arbeit von anderthalb Jahren. Als wir genügend Songs hatten, haben wir überlegt, welche wir aufs Album bringen, damit es stimmig wird. Wir hatten vorher kein Thema oder Konzept, sondern hinterher erkannt, worum es gehen soll und welche Themen wirklich so wichtig sind, dass wir sie auf dem Album haben möchten.

In welchem Abstand sind die Songs entstanden?
"Into The Wild" ist ein Song, der relativ schnell entstanden ist, aber viele Songs haben wir monatelang liegen lassen und dann wieder aufgegriffen. Die Abstände sind also sehr unterschiedlich.

Welche Single, prophezeist du, wird ähnlich gut ankommen wie "Little Numbers"?
Sonja: Wir schreiben keine Hits und wollen das auch nicht. Auch "Little Numbers" ist damals zufällig entstanden und berühmt geworden. Die Songs gehen ihren Weg und wir lassen uns selbst gerne überraschen, welche am Ende besonders gut ankommen. Bei der Arbeit an unserem neuen Album haben wir uns aber nicht an "Little Numbers" orientiert und versucht, einen ähnlichen Hit zu produzieren. Wir sind, glaube ich, keine Hits-Schreiber. Uns geht es darum, Themen zu verarbeiten, die für uns spannend sind und Sounds dahinterzulegen, die uns gefallen.

Im Song "New York" geht es darum, dass es einem häufig dort besser gefällt, wo man gerade nicht ist. Warum ist es gerade in New York besser?
Sonja: Wir haben schon mehrmals in New York gespielt und finden diese Metropole einfach wunderbar. Sie vereint nicht umsonst so viele internationale Künstler und schläft einfach nie. Eines Tages saßen wir ideenlos in Hamburg herum, haben uns einfach nur gelangweilt und wollten nach New York. Aber schließlich haben wir es nicht gemacht, denn wenn man keine Inspiration hat, wird es auch in New York langweilig sein. Wir haben dann versucht, mit einem neuen Blick auf das Alte zu schauen und gemerkt, dass Hamburg auch schön ist.

Wie ist euch die neue Begeisterung für das Gewohnte gelungen?
Sonja: Indem wir Sachen gemacht haben, die man als Tourist macht. Dadurch erhält man neue Perspektiven. Ich wohne zum Beispiel ganz nah am Michel und war erst vor einem Jahr zum ersten Mal auf diesem Kirchturm. Man muss einfach das Angebot wahrnehmen, das es in der eigenen Umgebung gibt. Wenn man beispielsweise Köln besucht, schaut man sich als erstes den Kölner Dom an, aber in seiner eigenen Stadt nimmt man die Sehenswürdigkeiten nicht wahr.

Soll euer Album ein Statement vermitteln?
Sonja: Es hat kein Überthema, sondern besteht aus vielen einzelnen Geschichten.

Ihr seid in den letzten Jahren sehr viel getourt - welche Faktoren machen einen Konzertabend zu einem perfekten Erlebnis für euch?
Sonja: Die Stimmung muss einfach gut sein. Manchmal ist eine andächtige Stimmung gut und manchmal mögen wir auch wilde Konzerte, auf denen alle tanzen und mitsingen. Es sind einfach die verschiedenen Momente, die einen Abend besonders machen.

Hattet ihr schon Konzerte, auf denen euer Publikum keinen Bock hatte?
Sonja: Ja, auf jeden Fall. Es gab schon Konzerte, wo wir dachten: "Was ist denn mit euch los? Also wir haben Bock und ihr"? Manchmal gibt es solche Abende. Vielleicht hatten die Leute dann alle einen harten Tag oder haben etwas Falsches gegessen, das kommt vor. Wir sind alle nur Menschen.

Habt ihr auch selbst manchmal keinen Bock auf Rampenlicht?
Sonja: Keinen Bock nicht, aber manchmal hat man Abende, an denen man nicht gut drauf ist oder sich fragt, ob man den Abend durchhält, weil man auf der Bühne doch sehr viel Energie braucht. Manchmal zieht einen die Freude der Leute dann wieder hoch und an anderen Abenden möchte man einfach nur im Erdboden versinken.

Habt ihr einen Fünf-Jahres-Plan als Band oder schaut ihr, wie sich das mit der Musik entwickelt?
Sonja: Aktuell schauen wir erst mal, wie das Album ankommt. Nächstes Jahr würden wir gerne wieder viele Festivals spielen und auch ins Ausland gehen. Was danach ist, haben wir noch nicht besprochen. In den letzten Jahren waren wir in vielen Ländern in Europa, den USA und Japan und in all diese Länder möchten wir am liebsten wieder, das ist einfach das Größte für uns.

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