Ubisoft bringt ein Kriegsspiel auf den Markt. "Na, toll! Und weiter!?" werden sich da einige denken - und das mit Recht. Denn Kriegsspiele gibt es wie Sand am Meer. Das Szenario ist doch inzwischen ziemlich abgenutzt - so schrecklich die Zeiten auch gewesen sein mögen: Aber wie oft habt ihr schon euren virtuellen Soldaten am D-Day an der Küste landen lassen oder seid auf die wilde Jagd nach Nazis gegangen? Dass dem Ganzen auch eine neue, spielerisch interessante Seite abgewonnen werden kann, hat "Wolfenstein: The New Order" jüngst eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch brauchen wir wirklich wieder ein Spiel, das sich in die Dutzende anderer Actionblockbuster einreiht und gedanklich mit ihnen zu einem riesigen Kriegsklumpen im Gedächtnis des Spielers wird? Nein, danke! Aber zum Glück hat "Valiant Hearts" rein gar nichts mit dieser Art von Spielen zu tun …

Der feine Unterschied

Es gibt ein paar wichtige Punkte, die ihr beachten solltet, bevor ihr diesen Titel als weiteres Kriegspiel ohne Herz abtut. Zum einen handelt es sich dabei um ein waschechtes Adventure - also nix mit wild herum ballern. Zum anderen spielt sich die Handlung zwischen 1914 und 1918 - also während des Ersten Weltkrieges - ab. Wenn das mal keine interessante Alternative ist. Und der vielleicht wichtigste Aspekt ist jener, dass euch die vier spielbaren Hauptakteure namens Ana, Emile, Karl und Freddie - plus dem niedlichen, tapferen Schäferhund Walt - so schnell nicht mehr aus dem Gedächtnis gehen werden. Ubisoft Montpellier haucht diesen fiktiven Figuren derart Leben ein, dass ihr wirklich mit ihnen mitfühlen könnt: Die Geschichte um das sinnlose Kriegstreiben verliert sich zu keiner Zeit im kitschigen Hollywood-Gewand oder prahlt mit Heldenepen. Nein! Inspiriert von echten Briefen aus der damaligen Zeit, wird eine fiktive Geschichte von Menschen in der zweiten Reihe erzählt - die es in ähnlicher Form vielleicht wirklich gegeben haben mag. Unglaublich rührend und berührend.

Passend zum Setting haben die Entwickler in jedem Level der insgesamt vier Kapitel einige - insgesamt über 100 - historische Artefakte versteckt, die euch ganz nebenher ein Gesamtbild von der damaligen Situation geben. Die Story kommt dabei ohne Dialoge aus und wird Stück für Stück durch die wunderschön gezeichneten Missionen erzählt. Und dabei dachte ich, dass "Child of Light" für dieses Jahr das einzige Spiel sei, das mich künstlerisch anspricht - so täuscht man sich.

Genug Abwechslung

Die einzelnen Missionen selbst gestalten sich spielerisch bunt gemischt: Pro Kapitel erledigt ihr etwa immer sechs Abschnitte, in denen ihr entweder relativ simple Rätsel lösen dürft oder in hübsch gestalteten Minispielchen euer Geschick unter Beweis stellt. Besonders Neulinge werden so nicht überfordert und können die Hintergrundgeschichte genießen bzw. miterleben, da "Genuss" vielleicht der falsche Ausdruck bei dieser Thematik ist.

Zwischendurch könnt ihr in jeder Mission bis zu sieben Artefakte finden, die euch mehr über die damaligen Verhältnisse unterrichten. Dass die Entwickler hier wirklich tief in die Materie getaucht sind, ist ihnen hoch anzurechnen und das spürt man auch zu jedem Moment. Danke für diese sechs bis sieben Stunden lehrreiche Unterhaltung. Ein dickes Plus an Atmosphäre schafft die sanfte Hintergrundmusik, die lediglich aus ein paar Klaviertönen besteht - so unaufdringlich und doch so packend.

Fazit

Es ist schon erstaunlich, wie Ubisoft Montpellier es fertig bringt, mit ein paar stilistischen Kunstgriffen, eine äußerst berührende Geschichte zu erzählen. All die großen Blockbuster, die Pseudo-Antikriegs-Ballerorgien, die längst den Fokus aus den Augen verloren haben, können da einpacken. "Valiant Hearts" bemüht sich ehrlich darum, den Krieg ins rechte - und damit auch teilweise grausame - Licht zu rücken, ohne dabei unnötig zu schocken. Schon lang konnte ich nicht mehr so mit einem Hauptcharakter mitfühlen und mich in ihn hineinversetzen. Für mich bekommt dieser Titel einen ganz besonderen Platz in der Top-Ten-Liste des Jahres. Danke Ubisoft, dass ihr auch solch kleine Perlen entwickelt - die Welt wäre um einiges ärmer ohne sie.

Genre: Adventure, Geschick, Rätsel
Für: PS4, PS3, Xbox One, Xbox 360, PC // Entwickler: Ubisoft Montpellier // Publisher: Ubisoft
Spieler: 1 // Online: nein // USK: ab 12 Jahren
Internet: http://valianthearts.ubi.com/game/de-de/home/index.aspx