Veganer Metzger liegt mit Fleischverzicht voll im Trend

Frankfurt/Main (dpa) · Bis zu 800 000 Bundesbürger ernähren sich laut Schätzungen inzwischen rein pflanzlich, mit stark steigender Tendenz. In Frankfurt hat sich nun sogar ein Metzger-Meister vom Wurstkonsum losgesagt.

Michael Spahn hat schon viele Schnitzel gegessen in seinem Leben. Kein Wunder: Der 52-Jährige ist seit 1986 Metzger-Meister, er lebt vom Verkauf von Schinken und Wurst. Nun bietet er zusätzlich Produkte ohne tierische Bestandteile an. Zwischen Fleischsalat und Grillsteaks liegen in seiner Theke Rouladen aus Soja, Wurst aus Tofu und Braten aus Weizeneiweiß. Doch das ist noch nicht alles: Metzger Spahn hat selbst aufgehört, Fleisch zu essen. Er ist Veganer geworden.

Damit verzichtet er auch auf Eier, Milch und alle daraus hergestellten Produkte wie Joghurt, Butter und Quark. Ausschlaggebend sei ein Arzt-Besuch gewesen, bei dem ein stark überhöhter Cholesterinwert diagnostiziert wurde, berichtet Spahn. Schon vor Jahren hat er seine Metzgerei in Frankfurt auf „bio“ umgestellt - der Tiere wegen, wie er sagt.

Unbändige Lust auf Fleisch habe ihn seit seiner Ernährungsumstellung im September noch nicht überfallen, sagt Spahn. Selbst an Weihnachten sei er mit Soja-Rouladen vollauf zufrieden gewesen. An seiner Theke gingen die hausgemachten fleischfreien Produkte weg wie warme Semmeln, sagt der Metzger. Es gebe zwar Veganer, die seinen Laden nicht betreten wollten und von der Tür aus ihre Bestellung hinein riefen - doch das Geschäft brumme.

Spahn liegt mit seinem erweiterten Angebot im Trend. Allein in Frankfurt haben in den vergangenen Jahren vier rein vegane Restaurants und Imbissläden, ein Café mit tierfreiem Kuchen und ein Supermarkt für Veganer aufgemacht. Noch rasanter wächst das Segment in Berlin, dort gibt es inzwischen eine Auswahl von mehr als 20 Läden mit rein pflanzlichem Essen und mehrere spezielle Supermärkte.

Ein ähnliches Bild bietet sich laut Sebastian Zösch vom Vegetarierbund (Vebu) in vielen Städten bundesweit. Auch die herkömmlichen Supermärkte weiteten ihr Angebot an Tofu-Bratwürsten und veganen Fertigburgern kontinuierlich aus, die Zahl der neu veröffentlichten Kochbücher für tierfreies Essen schnellte laut Zösch vergangenes Jahr auf mehr als 50. Mit seinem Buch „Vegan for fit“ gelang dem veganen Vorzeigesportler Attila Hildmann ein bestens verkaufter Ratgeber.

Begonnen habe der Trend mit dem Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer, das 2010 auf Deutsch erschien und die Methoden der Massentierhaltung anprangerte, sagt Zösch. Das Thema sei erstmals breit diskutiert worden. Inzwischen hätten auch viele kritische Ernährungswissenschaftler ihren Widerstand gegen die rein pflanzliche Ernährungsweise aufgegeben.

Mit der Verfügbarkeit veganer Lebensmittel steige nun die Zahl der Menschen, die darauf zurückgreifen, sagt Zösch, der sich ebenfalls vegan ernährt: „Früher musste man ganz stark überzeugt sein, heute ist das anders.“ 800 000 Veganer gibt es nach seiner Schätzung derzeit in Deutschland, mit stark steigender Tendenz.

Die boomende Szene trifft sich an diesem Wochenende im Rhein-Main-Gebiet auf der Messe „VeggieWorld“ in Wiesbaden zu Vorträgen und Kochshows. Der Vegetarierbund rechnet als Veranstalter wie schon in den vergangenen Jahren mit einem Ansturm vor allem auf die veganen Produkte, darunter auch Schuhe und andere Kleidungsstücke.

Auch Metzger Spahn setzt auf sein tierfreies Angebot als Umsatztreiber. Sein herkömmliches Angebot will er aufrechterhalten und plant für seine veganen Kundschaft die Eröffnung eines eigenen Imbisses. Einen Versandhandel betreibt er bereits. Auch seiner neuen Überzeugung will Spahn treubleiben: „Ich fühle mich jetzt so gut, das geht gar nicht mehr anders.“

Veganer haben sich für ein Leben ohne Tierprodukte entschieden. Das Wort „vegan“ prägte der Brite Donald Watson, der 1944 die Vegan Society gründete. Ihre Anhänger lehnen Fleisch und Produkte wie Milch, Eier und Honig ebenso ab wie Lebensmittel mit tierischen Inhaltsstoffen (etwa Gelatine).

Zudem verzichten sie auf Kleidung aus Pelz, Leder, Seide und Wolle. Auch Pinsel mit Borsten, Musikinstrumente mit Darmsaiten oder Knochenleim werden abgelehnt. Einer aktuellen Studie zufolge lebt ein Prozent der Bundesbürger ausschließlich vegan.

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