Verliebt in der Region Einem kleinen Zettel und einem (schneetauglichen) R4 sei Dank

Serie | Trier · Zwei Menschen verlieben sich. Wichtig war dabei Verlässlichkeit auf den anderen ... und auch auf einen alten Renault.

Verliebt in der Region: Paar aus Welschbillig erzählt seine Geschichte
Foto: Andreas Riedmann

Gilla und Wolfgang Schommer aus Welschbillig sind seit 42 Jahren verheiratet und erinnern sich gerne daran, wie alles begann und welche Rolle dabei sogar gleich zwei Autos gespielt haben.

Gilla Schommer: Wolfgang und ich haben uns 1977 kennengelernt. Ich wollte einen alten R4 zum Ausschlachten verkaufen und war deshalb mit meiner Freundin in Trier unterwegs. Wir haben kleine Zettelchen mit dem R4-Angebot und meiner Adresse unter die Scheibenwischer der Autos gesteckt. Wir hatten schon einige verteilt, als es plötzlich wie aus Eimern geschüttet hat. Aber ich habe zu meiner Freundin gesagt: „In der Lindenstraße steht ein alter gelber R4, da laufe ich jetzt aber noch hin.“ Es war der R4 meines späteren Mannes. Er ist von Trier aus immer mit dem Zug nach Stadtallendorf in Hessen zur Bundeswehr gefahren und hat sein Auto in der Lindenstraße geparkt, wo sein Onkel gewohnt hat. Der hat den durchgeweichten Zettel dann unter dem Scheibenwischer gefunden, entziffert und für seinen Neffen aufgehoben.

Wolfgang Schommer: Um Gillas Zettel lesen zu können, musste ich tatsächlich die Lupe nehmen. Ich habe dann einen Termin für die Besichtigung des Autos in Zemmer/Rodt, wo sie damals wohnte, ausgemacht. Weil ich mir ziemlich sicher war, dass ich den R4 als Ersatzteillager haben wollte, habe ich gleich meinen Freund mitgenommen, damit er mich mit meinen R4 von Zemmer/Rodt dann in Richtung Schleidweiler, Daufenbach und Kordel abschleppt.

Auf der Rückfahrt war ich dann so dreist und habe zwischendurch mal die Kupplung kommen lassen, wollte das Auto starten, um der Batterie etwas Gutes zu tun. Das hat sich im Nachhinein als gut erwiesen. Denn auf dem Bahnübergang in Kordel, der holprig war und nicht so schön glatt wie heute, ist plötzlich das Abschleppseil gerissen und der R4 ist mitten auf dem Bahnübergang stehen geblieben. Das Licht sprang schon auf Rot und das Warnsignal ertönte. Ich habe den Zündschlüssel rumgedreht und konnte ein paar Meter fahren. Aber weil sich das Abschleppseil unter dem Auto verheddert hatte, bin ich wieder stehengeblieben. Die Schranken gingen schon runter.

Durch Hin- und Herbewegen haben mein Freund und ich schließlich das Seil lösen können und den R4 von den Gleisen geschoben. Wir haben es gerade eine Handbreit hinter die Schranke geschafft, als sie sich geschlossen hatte und haben am ganzen Körper gezittert. Zuhause angekommen, habe ich gleich gesagt, von diesem Abenteuer musst du ihr schreiben. Daraus ist dann eine rege Brieffreundschaft geworden.  

Gilla Schommer: Wolfgang war vorher schon einmal mit seinem Vater nach dem Auto schauen gekommen, und der hat, das hat er uns später erzählt, gleich daheim zu seiner Frau gesagt: „Ich glaube, zwischen den beiden bahnt sich etwas an.“ Er hat als Außenstehender schon mehr gesehen, als wir selbst damals. 

Wolfgang Schommer: Das stimmt. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Nach der Sache mit dem Bahnübergang blieb es für mich weiter spannend. Ich wusste ja nicht, wie sich alles entwickeln würde. Wir hatten verabredet, dass mich Gilla mit ihrem Auto am Wochenende vom Bahnhof abholt, wenn ich von der Bundeswehr heim komme. Aber ich war natürlich unsicher und dachte: Ob sie da sein wird? Sie war sogar überpünktlich und hat schon gewartet.

Gilla Schommer: Es war ein bitterkalter, extremer Winter und ich war total durchgefroren. Wolfgang wollte mich am darauffolgenden Sonntag daheim besuchen, und ich erinnere mich noch ganz genau, weil es richtig tüchtig geschneit hat, wie mein Vater zu mir sagte: „Mädchen, guck doch mal aus dem Fenster, der Junge kann doch bei dem Wetter nicht rauskommen. Der muss den Berg hoch, muss von Daufenbach nach Schleidweiler und dann nach Rodt. Sei vernünftig, der kann nicht kommen.“ Aber ich dachte: Er hat es mir versprochen, dann kommt er auch. Er hat es tatsächlich durch den Schnee geschafft, und ich war sehr glücklich. 

Wolfgang Schommer: An der Stelle möchte ich meinen guten, alten R4 loben, der mich schön den verschneiten Berg hochgezogen hat. R4 waren für den Winter gut geeignet, ihr Motor saß auf der Vorderachse und dazu hatten sie noch Vorderradantrieb.

Gilla Schommer: Mir ist es an diesem Sonntag so gegangen wie meinem Mann auf dem Bahnhof, als er gespannt war, ob ich Wort halte. Als er kam, obwohl es so geschneit hat, habe ich gedacht: Auf den ist wirklich Verlass, den werde ich heiraten. Wir haben uns 1977 mit Anfang 20 kennengelernt und im Dezember 1979 war dann die Hochzeit. Wie war das noch mit dem Antrag? Willst du mich heiraten? Nein oder Nein? Ja oder Ja? (beide lachen). So ungefähr war das. 

Wolfgang Schommer: Ja, es ging relativ schnell, bis wir geheiratet haben.

Gilla Schommer: Wir haben uns nach der Hochzeit noch jahrelang immer kleine Zettelchen geschrieben und sie für den anderen überall im Haus versteckt. Einmal hat mir mein Mann ein Herz mit Pfeil gemalt. Das habe ich unter dem Kopfkissen gefunden. Oder als ich den Frühstückstisch abgeräumt habe, lag ein Zettel unter dem Brettchen. Von diesem schönen Ritual sind wir aber irgendwann abgekommen.

Wolfgang Schommer: Unser gelber R4 ist sehr alt geworden. Danach haben wir uns noch einen neueren, roten, gekauft, mit dem wir auch sehr lange gefahren sind. Als ich irgendwann einen Golf geerbt habe, war die R4-Ära leider zu Ende. Wir haben uns heute schon oft geärgert, dass wir den R4 nicht behalten haben.

Gilla Schommer: Ja, das tut uns heute sehr leid. Aber als wir jung waren, haben wir nicht daran gedacht, das Auto zu behalten. Jetzt sind wir 64 Jahre alt und würden uns über den Oldtimer freuen, an den wir so gute Erinnerungen haben.

Aufgezeichnet von Birgit Markwitan.

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