Vom Holzwurm im Stift

„Für mich ist Denkmal ein lebenslanger Imperativ, der aus zwei Wörtern besteht: Denk mal!“ Was der österreichische Kabarettist und Autor Fritz Grünbaum vor über sieben Jahrzehnten als erste denkmalpflegerische Pflicht formulierte, ist aktueller denn je. Schließlich sind Denkmäler nicht nur Teil unserer Erinnerungskultur und identitätstiftende Platzhalter unseres kulturellen Gedächtnisses.

Mehr und mehr gilt es über die „Inwertstellung“, sprich die wirtschaftliche Nutzung des kulturellen Erbes, nachzudenken. Und da ist nicht nur Kopfzerbrechen, sondern vielerorts sogar Streit angesagt. Im Brennpunkt des Interesses stehen dabei naturgemäß touristisch besonders beliebte Ziele wie Burgen und Schlösser. Ihrer Nutzung und Pflege widmet sich schwerpunktmäßig der eben erschienene 60. Jahresbericht der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Bau- und Kunstdenkmalpflege sowie Burgen, Schlösser, Altertümer. Mit ihrer Veröffentlichung „Baudenkmäler in Rheinland-Pfalz 2005“ legt die Direktion einen außerordentlich spannenden Band vor, der sich fachmännisch und erfreulich differenziert mit den landeseigenen Burgen und Schlössern, ihren Problemen, ihrer Geschichte und ihrer angemessenen zeitgemäßen Nutzung beschäftigt – und vor allem nicht drei Jahre alt ist. Der Grund für die erst jetzt erfolgte Erscheinung sind Umstrukturierungen, die sich mit der Eingliederung von Denkmalpflege und Landesarchäologie in die neue Generaldirektion Kulturelles Erbe ergeben haben. Neu sind Diskussionen über Denkmalpflege übrigens nicht. „Sie hat nicht nur rückwärts zu schauen, sondern an der neuen Stabilisierung der Werte für die Zukunft mitzuhelfen“, wird im Vorwort der erste rheinland-pfälzische Landeskonservator Werner Bornheim, gen. Schilling, zitiert. „Sozusagen als Gewissen des Staates vertritt die Denkmalpflege eine hohe ethische Aufgabe. Überall fühlt sie sich in die Belange des tätigen Lebens eingespannt“, stellt der Denkmalhüter fest. Pro und Kontra von Burgen als Standort für Ferien- und Freizeitparks, als Kulisse für „Erlebnismärkte“ sowie ihre Nutzung durch private Eigentümer werden im vorliegenden Band diskutiert. Ganz allgemein wird zudem in einem sehr interessanten Beitrag das Thema „Burgen und Tourismus“ kritisch betrachtet. Zu Recht warnt Autor Markus Fritz von Preuschen vor allzu willfährigen Zugeständnissen an die Komfortansprüche des Massentourismus. Nach Meinung des Experten schaden den Denkmälern häufig An- und Zubaumaßnahmen genauso wie Disneysierung und Pseudoromantik. Dagegen plädiert der Autor für einen sanften, sensiblen Tourismus, der statt Klischees zu bedienen, auf die Alleinstellungsmerkmale der Denkmäler setzt. Neben der Burgenproblematik erhalten Leser Einblick in denkmalpflegerische Methoden und Praxis. Dargestellt werden Restaurierungsmaßnahmen, darunter die Holzwurmbekämpfung im Chorgestühl der Kapelle St. Nikolaus im Cusanusstift in Bernkastel-Kues. Ein weiterer Schwerpunkt gilt Bauforschung und Neuentdeckungen. Nicht nur Damen dürfte der Art-Déco-Schmuck aus der ehemaligen Uhrenketten- und Bijouteriewarenfabrik Bengel in Idar-Oberstein interessieren. Es folgen „Sorgenkinder“ und schließlich noch zwei Beiträge zur Aufbereitung von Burgen als außerschulischem Lernort am Beispiel der 1000 Jahre alten Burg Trifels in der Pfalz. Eingeleitet wird der Jahresbericht mit der Verabschiedung von Landeskonservator Wolfgang Brönner im November 2005 durch den damaligen Kulturstaatssekretär Roland Härtel. Mit dem feinsinnigen Kunsthistoriker Brönner, der seit 1991 im Amt war, hatten die rheinland-pfälzischen Denkmäler einen kenntnisreichen wie konfliktfähigen Anwalt, der eine bemerkenswerte Sensibilität für den Geist eines Baus besaß, ohne dabei den von Schilling geforderten Gegenwartsbezug zu verlieren.In die Abgründe der Geschichte taucht sozusagen die Bodendenkmalpflege mit einem eigenen Band. In ihrem Arbeitsbericht „Archäologie in Rheinland-Pfalz 2005“ geben die Mitarbeiter der Direktion Archäologie Einblick in ihre Forschungsarbeit. Die 34 Artikel zur Kultur- und Erdgeschichte umfassen Beiträge vom Erdaltertum bis ins 20. Jahrhundert. Einmal mehr wird deutlich, wie ergiebig gerade die Region Trier als erd- und kulturgeschichtliche Fundgrube ist. Zahlreiche Beiträge behandeln Themen von dort. Von uralten Meeren und Flüssen künden der Steinbruch Köppen bei Waxweiler oder die Fossilien in den Eisenerzen von Jünkerath- Glaadt. Aber auch sonst gilt: Wo man hierzulande die Schaufel ansetzt, kommt Geschichte zutage. Ob es eine Beilklinge der Bronzezeit in Hermeskeil ist, ein keltischer Grabhügel auf dem Hahn, eine Fußfessel im Tempelbezirk des Archäologieparks Belginum oder ob es sich um Funde aus den Trierer Barbarathermen handelt: Der hiesige Boden ist voll von Teilen jenes Puzzles, als das sich die bezeugte Geschichte darstellt. Erstaunliches gibt es zu erfahren über die Münzstätte gallischer Kaiser in Trier, zudem konnten drei neue Keltern an der Mittelmosel ausgemacht werden. Sozusagen die Vegetarier unter den Archäologen sind die Archäobotaniker. Was für spannende Geschichten Pflanzenreste in römischen Kelteranlagen erzählen, berichtet ein weiterer Beitrag.Die Produktion der beiden Bände oblag dem in kunstgeschichtlichen und archäologischen Belangen hoch bewährten Verlag Philipp von Zabern in Mainz. Jetzt liegen zwei schön bebilderte Bücher vor, die eine echtes Lese- und Sehvergnügen für jeden Denkmal- und Geschichtsinteressierten sind. Eva-Maria Reuther InfoBaudenkmäler in Rheinland-

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