Vom Zeitgeist erledigt: 007 liegt auf Eis

Den aktuellen Bond-Darsteller Daniel Craig verbindet mehr mit Herbert Grönemeyer als mit Sean Connery. Genau das ist sein Problem. Wann ist ein Mann ein Mann? An der Definition, was "männlich" sei, haben sich Selbsterfahrungsgruppen, Psychoratgeber, Frauenzeitschriften und Grönemeyer erfolglos abgearbeitet.

Dabei ist die Sache ganz einfach, zumindest für das Gros der Männer. Männlich sein heißt, all die Dinge zu tun, die man als Kind schon gern tat (raufen, rumtoben, Rabatz machen), und außerdem noch Sex zu haben. Womit wir bei James Bond wären, dem Mann, der über Jahrzehnte hinweg Männlichkeit definierte. Der ungestraft raufte, rumtobte und Rabatz machte - und jede Frau herumbekam. Frau? Es muss natürlich "Gespielin" heißen. Denn der Umgang mit dem anderen Geschlecht bedeutete für Bond nie Beziehung - also Ernst, tiefe Gespräche, seelischer Beistand -, sondern immer nur Spiel. Und das fand mit dem Morgengrauen sein abruptes Ende, weil dann für Bond wieder Raufen angesagt war. Was die Gespielinnen nicht weiter störte. Von einer Honey Rider, Pussy Galore, Kissy Suzuki oder Mary Goodnight war kein Klammern und Jammern zu erwarten. Hier bürgte schon der Name für Unverbindlichkeit, für Spiel ohne Grenzen und Spaß ohne Folgen. Und wenn eine Frau doch mal aufbegehrte, es wagte, eine eigene Meinung kundzutun, stellte Bond per Backpfeife die Machtverhältnisse klar.

Noch in den vermeintlich so fortschrittlichen 70ern rutschte ihm die Hand aus, sobald eine Frau widersprechen wollte. Ob Connery (Diamantenfieber, 1971) oder Moore (Der Mann mit dem goldenen Colt, 1974), die Ohrfeige galt im Film zu dieser Zeit offenbar als legitime Disziplinierungsmaßnahme.

Doch die Gesellschaft änderte sich. Da Bond stets deren Spiegelbild war, musste auch er sich ändern. Auf dem Höhepunkt der Aidsangst wurde er monogam (Der Hauch des Todes, 1987). Und schließlich wurde er gar kleinlaut, wenn eine Frau ihn in die Schranken wies. Was hätte er auch anderes tun sollen, wenn diese Frau seit Goldeneye (1995) seine Vorgesetzte war! Wenigstens raufen darf er weiterhin - auch das weibliche Publikum mag Action -, aber an fröhliche Bettkämpfe ist seit Casino Royale (2006) nicht mehr zu denken.

Mit diesem Film wurde Bond zum Individuum mit Gefühlen. Zum Grönemeyer-Mann, der emotional verwundet wurde und sein Verlusttrauma zu überwinden sucht. Bloß: So verhält sich kein Idol. So verhält sich ein typischer Mann, der plötzlich allein dasteht und derart liebeskummerkrank wird, dass er das Bond-Girl nicht mal anrührt. Und vielleicht liegt darin der wahre Grund, warum die Produktion des neuen 007 erst Mal auf Eis liegt. Kein Mann gibt Geld dafür aus, auf der Leinwand einen Geschlechtsgenossen zu sehen, der weh- und selbstmitleidig herumirrt. Da genügt ein Blick in den Spiegel.

Frank Jöricke

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