Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah: Regionalmarken boomen

Regionalmarken verfolgen grundsätzlich das gleiche Ziel: Die Identität der Bevölkerung mit den lokalen Produkten und Erzeugern soll gestärkt und die Wertschöpfung in der Region gehalten werden. Doch die Wege dorthin sind unterschiedlich.

 Regionalmarken haben in Rheinland-Pfalz Erfol. Foto: Regionalmarke EIFEL GmbH

Regionalmarken haben in Rheinland-Pfalz Erfol. Foto: Regionalmarke EIFEL GmbH

Heimat ist in. Die Menschen möchten wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen.

Eifel

Das merken die Akteure der Regionalmarke Eifel, die 2002 gegründet wurde. Für 48 Produktgruppen und Dienstleistungen in den drei Rubriken Tourismus, Forstwirtschaft und Holzverarbeitung sowie Landwirtschaft und handwerkliche Veredelung sind dort Standards festgelegt, die dem Verbraucher Orientierung geben und eine hochwertige Qualität sichern sollen. Beispielsweise versichert der Landwirt, der seine Milch unter dem Eifel-Logo vermarktet, dass sein Betrieb in der Eifel liegt und die Kühe auf heimischen Wiesen weiden. Für jedes Erzeugnis und für jede Dienstleistung, die das Eifel-Logo trägt, gibt es zahlreiche Kriterien, die die Produzenten und Anbieter erfüllen und dokumentieren müssen.
"Die Regionalmarke Eifel wird nur dann an Lebensmittel, Holz-Produkte und touristische Dienstleistungen vergeben, wenn eine kontrollierte Qualität und die garantierte Herkunft aus dem Naturraum Eifel für den Verbraucher transparent nachgewiesen werden kann", sagt Arndt Balter, Produktmanager der Marke. Die Kunden entwickeln ein neues Qualitätsdenken, bei dem auch Transportwege und Transparenz für den Verbraucher eine Rolle spielen, sagt Balter. "Die Regionalmarke Eifel ist dafür das Qualitäts- und Herkunftszeichen", sagt er. Mindestens einmal jährlich werden die Betriebe auf Einhaltung der Qualitätskriterien geprüft.

2002 ist die Regionalmarke für einzelne Produkte eingerichtet worden, 2007 wurde sie auf ganze Betriebe erweitert. "Das hat der Regionalmarke einen Schub gegeben", sagt er. Die Eifel solle sich künftig gesamtheitlich als Qualitätsregion präsentieren. Gerade kleinere Betriebe hätten dann bessere Marktchancen.

Die Regionalmarke Eifel erhält nach Angaben des Produktmanagers sowohl von Betrieben als auch von Verbrauchern immer mehr Zuspruch. In den Geschäften der Ballungsgebiete rund um die Eifel wie Trier, Aachen oder die Region Köln-Bonn werde immer mehr nach Eifel-Produkten gefragt. Dabei werden die Produkte des täglichen Bedarfs und Schnelldreher (Waren, die schnell im Verkaufsregal wechseln) wie Eier am meisten verlangt: Sie machen drei Viertel des Umsatzes im Lebensmitteleinzelhandel aus.

In der Geschäftsstelle der Regionalmarke sind zwei Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte beschäftigt. Die Organisation finanziert sich durch Markennutzungs8gebühren, die von den Produzenten gezahlt werden und sich nach den Umsätzen richten.

Soonwald und Nahe

Im Gegensatz zur Regionalmarke Eifel wird SooNahe, die zweite große Marke der Region, bisher ehrenamtlich geführt. Sie hat in den Landkreisen Bad Kreuznach, Rhein-Hunsrück und Birkenfeld ihre Heimat. Der Name SooNahe steht für den Soonwald, den östlichen Teil des Hunsrücks, sowie das Naheland.

Der harte Kern der Menschen, die sich für SooNahe engagieren, umfasst fünf bis sechs Leute, sagt Rainer Lauf vom SooNahe-Vorstand. Er selbst arbeitet als Kinderarzt, ist im Vorstand des Bundesverbands der Regionalbewegungen und fungiert als Landeskoordinator für die Regionalbewegung in Rheinland-Pfalz.

Doch die Grenze der Ehrenamtlichkeit sei erreicht, sagt Lauf. Er will die Organisation der Markenführung umbauen. Der Lebensmitteleinzelhandel, in dem SooNahe-Produkte verkauft werden, und die weitere Entwicklung von SooNahe verlangten nach professionellen Strukturen. Bereits jetzt verfügt SooNahe über einen eigenen Lieferservice, mit dem die Produkte zu den Verkaufsstellen geliefert werden. Derzeit verkaufen 140 Betriebe, von der Brauerei bis zur Marmeladenköchin, Produkte mit dem Label SooNahe. Produkte und Lieferanten unterliegen ähnlichen Qualitätskriterien wie die Regionalmarke Eifel.

Lauf schätzt den derzeitigen zusätzlichen Umsatz, der durch die Marke erzielt wird, auf 500.000 Euro jährlich. Allein 6000 "Beziehungskisten", in denen Produkte mit dem SooNahe-Label als Sortiment zusammengestellt sind (je nach Inhalt für 24,90 bis 29,90 Euro), seien im Vorweihnachtsgeschäft verkauft worden. Eine weitere Wertschöpfung für die Region entstehe durch Investitionen bei den Erzeugern. Zudem würden Arbeitsplätze und Höfe sowie die Kulturlandschaft mit Landwirtschaft und Weinbau erhalten, erläutert Lauf.

Neben den landwirtschaftlichen Erzeugnissen spielen auch Anbieter rund um erneuerbare Energie eine immer größere Rolle. Ein "Arbeitskreis Biomasse", angelehnt an das Biowärmezentrum Simmern, befindet sich im Aufbau. "Ein wichtiger und zukunftsweisender Schritt war die Öffnung der Marke SooNahe für das Handwerk, Dienstleister im Energiesektor und Energieprodukte aus der Region", sagt Lauf.

Inzwischen gehören auch Anbieter von Holzhackschnitzeln zu SooNahe. In Kürze wird Lauf mit den Stadtwerken Bad Kreuznach über die Lieferung von %SooNahe-Strom verhandeln. Weitere geplante Projekte: Der Aufbau einer SooNahe-Bio-Linie, Schulverpflegung, eine bessere Verzahnung mit der Weinwirtschaft und die Organisation von Qualitätskontrollen.

"In den vergangenen Jahren hat sich bei den Regionalmarken wahnsinnig viel getan", sagt Nicole Weik vom Bundesverband der Regionalbewegungen in Feuchtwangen (Mittelfranken). 57 Regionalinitiativen von Mecklenburg-Vorpommern bis ins Allgäu sind im Verband organisiert. 2007 sind bis zu 300 Initiativen in Deutschland gezählt worden, sagt sie. Seitdem seien keine Zahlen mehr erfasst worden. Doch: "Der Markt boomt", sagt Weik. Die Menschen möchten wissen, woher die Produkte und die Rohstoffe stammen und wer sie erstellt hat, begründet sie die steigende Nachfrage. Zudem möchten die Verbraucher die Akteure vor Ort unterstützen. "Die Kunden wollen beim Kauf das Gefühl haben: Ich tue was Gutes", sagt sie. Zu den Themen des Bundesverbands gehören neben der Nahversorgung auch regionale Schulentwicklung, Finanzdienstleister, erneuerbare Energien und das Handwerk.

Bei der Suche nach echter Regionalität waren die Verbraucher bisher oft überfordert, die nötige Transparenz bei den Produkten nicht immer gegeben. Aus diesen Anforderungen heraus seien dann die regionalen Dachmarken entstanden.

Mosel

Die Regionalmarke Mosel-Weinkulturland konzen8triert sich auf die drei Säulen Wein, Kultur und Tourismus. Das Ziel: "Die Zusammenarbeit aller Akteure in der Region soll gestärkt werden", sagt Sabine Winkhaus-Robert von der Mosellandtouristik. Letztendlich dreht sich alles um das "regionale Spitzenprodukt Moselwein mit einem weltweiten Bekanntheitsgrad und Image." Die Konzentration auf den Wein lag daher für Winkhaus-Robert nahe. Zudem sei die Vernetzung zwischen Wein und Tourismus schon da, sagt sie. Hinzu kommen weinverwandte Produkte wie Obstbrände, Traubenkernprodukte und der Weinbergpfirsich.

"Unsere Marke ist Qualität", sagt Winkhaus-Robert. Und das schließe alle mit ein, egal, ob im Tourismus, in der Kultur, im Handwerk, Handel oder bei anderen Dienstleistungen. "Wir wollen zusammen mit den Betrieben die Mosel zu einer starken mit Qualität ausgezeichneten Region entwickeln und uns so gegen andere Weinregionen behaupten und Wertschöpfung in der Region erzielen", sagt sie.

Übernachtungsbetriebe müssen sich als Qualitätsgastgeber zertifizieren lassen, bevor sie mit dem goldenen M in Form einer Krone werben dürfen. Dabei steht laut Winkhaus-Robert auch der Wein im Mittelpunkt: Das Ambiente mit Dekoration muss moseltypisch sein. Für den Wein müssen passende Gläser bereitstehen, Bedienungen müssen den richtigen Wein zur ausgesuchten Mahlzeit empfehlen können. 84 Betriebe sind entlang der Mosel entsprechend zertifiziert.
Unter der Marke Mosel sollen sich alle wiederfinden: Gastronomen und Hoteliers, Touristiker und Kulturträger, Handwerker und Winzer, regionale Industrie-, Weinwirtschafts- und Handelsbetriebe, aber auch die Bevölkerung. Alle sollen noch enger zusammenrücken und ein "Wir-Gefühl" leben, sagt Winkhaus-Robert. Die Mosellandtouristik hat für ihr Marketing gleich zwei Homepages eingerichtet. Mit www.moselweinkulturland.de werden die einheimischen Betriebe angesprochen, miteinander vernetzt und das Konzept der Marke erklärt. Die Internetseite www.mosellandtouristik.de wendet sich in sieben Sprachen an potenzielle Urlauber.

Während die Produkte der Regionalmarken Eifel und SooNahe bei der eigenen Bevölkerung abgesetzt werden sollen, dient die Regionalmarke Mosel dazu, Urlauber in die Region zu locken.

Saar/Hunsrück

Die vierte Regionalmarke mit dem Arbeitstitel "Ebbes von hei!" steckt dagegen noch in den Kinderschuhen. Ralf Becker, Verwaltungsangestellter bei der Einheitsgemeinde Morbach und Vorsitzender des gleichnamigen Vereins, sucht derzeit noch kommunale Mitstreiter im Bereich Hochwald und nördliches Saarland, damit die neue Regionalmarke gegründet werden kann. "Wir arbeiten derzeit im Hintergrund, um die Marke zu entwickeln und Gelder zu generieren", sagt Becker.Bei den infrage kommenden Kommunen wirbt er um Zustimmung und das nötige Startgeld, um die Marke einzuführen.

Momentan sind es noch wenige Erzeuger, die sich bereiterklärt haben, ihre Produkte unter dem Label "Ebbes von hei!" anzubieten. "Erst müssen die Grundvoraussetzungen stimmen", sagt Becker. Sprich: Die Initiative braucht die Unterstützung der Kommunen in der Region.

Erst nach deren Bereitschaft, die neue Marke finanziell und ideell zu unterstützen, kann er Förderanträge zur Gründung der Regionalmarke stellen und weitere Mitstreiter suchen.

Die Gründe für das Engagement sind die gleichen wie bei SooNahe und Eifel: "Wir wollen die regionale Wertschöpfung bei uns lassen", sagt Becker. Einige gastronomische Betriebe und Erzeuger arbeiten bereits zusammen, so dass Becker gute Voraussetzungen sieht, dass sich "Ebbes von hei!" etablieren kann.

Regionalmarke Eifel
gegründet: 2002
Region: von einer Linie Trier-Koblenz ohne Moseltal, westlich des Rheins bis zu einer Linie
Aachen-Köln sowie deutschsprachiges Belgien
Teilnehmer: Produzenten regional erzeugter Lebens- und Genussmittel, Übernachtungsbetriebe und Gastro8nomie, Produzenten von Holzhäusern und Holzdielen
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Regionalinitiative Mosel
gegründet: 2006
Region: deutsches Gebiet der Mosel, Saar und Ruwer
Teilnehmer: Winzer, Übernachtungsbetriebe und Gastronomie, Vinotheken, Produzenten sonstiger moseltypischer Produkte
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SooNahe
gegründet: 2008
Region: Hunsrück, Nahe, Soonwald, Landkreise Bad Kreuznach, Rhein-Hunsrück, Birkenfeld
Teilnehmer: Produzenten regional erzeugter Lebensmittel, Gastronomie, Erzeuger erneuerbarer Energien

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