Wert-Papiere fürs Wohnzimmer

Ein Unternehmen, das heutzutage Geld braucht, besorgt sich das in den meisten Fällen mit Hilfe eines Kredites bei der Bank. Über die Börse beschaffen sich in aller Regel nur größere Firmen ihre Finanzmittel. Aber in früheren Zeiten war es durchaus üblich, dass auch kleinere Firmen ihr Wachstum über die Ausgabe von Aktien finanzierten. Auch Trierer Unternehmen mischten auf diesem Markt mit. Ihre Wertpapiere sind heute begehrte Sammelobjekte, die man bei speziellen Händlern kaufen kann oder auf großen Auktionen ersteigern muss. Heute ist wieder so ein Tag. Im Steigenberger-Metropolitan-Hotel in Frankfurt kommen mehr als 1900 historische Wertpapiere unter den Hammer. Darunter auch eine Aktie der Trierer Kalk- und Dolomitwerke AG aus dem Jahr 1936. Das Unternehmen wurde 1921 gegründet und unterhielt Kalksteinbrüche in Wellen, Büdesheim, Mondorf und Metterich bei Bitburg. Der Din-A4-große Anteilsschein hatte einen nominalen Wert von 1000 Reichsmark. Das Startgebot beträgt 145 Euro. Damit liegt das Trierer Wertpapier im Vergleich mit den restlichen 1932 Losen im Mittelfeld. Die meisten der historischen Aktien und Anleihen sind mit Preisen zwischen 30 und 200 Euro angesetzt. Ist das Wertpapier dagegen besonders schön gestaltet, besonders alt und dann noch sehr selten, klettern die Preise ruckzuck auf 1000, 5000 Euro oder mehr. So kommt heute zum Beispiel auch eine Aktie der Ostindien-Kompanie aus dem Jahr 1664 unter den Hammer. Sie soll die älteste am Markt verfügbare Aktie sein und ist für 30 000 Euro angesetzt. Besonders wertvoll sind Aktien mit der Unterschrift von Zeitgenossen der jeweiligen Epoche, wie zum Beispiel John D. Rockefeller, dem Gründer des amerikanischen Unternehmens Standard Oil. Für eine Gründeraktie aus dem Jahr 1871 mit der Unterschrift Rockefellers musste ein Sammler vor Jahren rund 135 000 Euro hinblättern. Teuerstes Stück in Frankfurt ist eine Aktie der Komischen Oper in Wien von 1873. Der Kapellmeister und Komponist Johann Strauß (Sohn), bekannt als der "Walzerkönig", war an diesem Theaterhaus Gründungsmitglied und Direktor. Die Aktie mit seiner Unterschrift ist mit einem Startgebot von 55 000 Euro angesetzt. Organisiert wird die Versteigerung von den "Freunden Historischer Wertpapiere" - ein Auktionshaus, das mit historischen Aktien und Anleihen handelt. Natürlich in Form einer Aktiengesellschaft. "Der Markt ist noch sehr jung. Erst in den 1970er Jahren hat man damit begonnen, abgelaufene Aktien und Anleihen zu sammeln", sagt Michael Rösler von den Freunden Historischer Wertpapiere in Wolfenbüttel (Niedersachsen).Geld aus Aktienverkauf zur Finanzierung von Übernahmen

Dabei ist es kein Muss, dass die Papiere abgelaufen sind. Besonders hübsch gestaltete Exemplare werden schon gesammelt, während sie noch gültig sind. So wie die 1997 von der "Mosel-Weinberg" AG in Trier herausgegebenen Aktie. Sie gewährt dem Inhaber als Dividende jährlich eine 0,375-Liter-Flasche Moselwein. Mit dem Geld aus dem Aktienverkauf soll die Weinkulturlandschaft in der Region erhalten bleiben. Das Papier wird allerdings an keiner Börse gehandelt und war von vorneherein als Schmuckaktie geplant. Anders bei der "Actienbrauerei Union". Um sich das Geld für die Übernahme der "Brauerei am Olewigerweg 1" zu beschaffen, gründete man in den 20er Jahren eine AG und gab Aktien aus. Überliefert ist, dass die Trierer 1922 auch die Brauerei "Nikolaus Griebler" in Wittlich übernommen haben. Nach einer alten Börsennotiz war das Unternehmen 1926 zahlungsunfähig und wurde aufgelöst. Die Kundschaft übernahm die "Königsbacher-Brauerei" aus Koblenz, wie es heißt. Schon 1897 gab dagegen der Katholische Bürgerverein aus Trier Aktien heraus. Der 1864 gegründete Verein firmierte seit 1936 unter dem Namen "Trierer Bürgerverein". Sein Geschäftszweck: Unterhaltung eines Versammlungs- und Gesellschaftshauses sowie eines Weingeschäftes. In den Sälen sollen bis zu 1500 Gäste Platz gehabt haben. Ein weiteres Unternehmen aus der Region, das Aktien herausgegeben hat, war die Schloss Saarfels AG. Sie wurde 1926 "zur Herstellung und zum Vertrieb von Edelsekt gegründet." 1930 ist die AG erloschen und existiert seitdem als Weingut und Schloss Saarfels GmbH. Die meisten Wertpapiere sind - typisch Deutsch - recht schlicht und sachlich im Erscheinungsbild, so Michael Rösler: "Sehr schön gestaltet sind die Wertpapiere aus Frankreich, Portugal, Spanien oder auch den USA. Sie zeigen Landschaftsmotive oder eine Zeichnung der Firma. Bei den amerikanischen Eisenbahneraktien sieht man sogar zum Teil die Nieten der abgebildeten Lokomotiven." Und solche Exemplare machen sich natürlich ganz besonders schön als Hingucker an einer Wohnzimmerwand. Aber was sind das für Menschen, die diese Wertpapiere horten? "Die Sammler interessieren sich in der Regel für regionale oder für Wirtschaftsgeschichte. Meistens sind es Banker", sagt Rösler. Und obwohl die historischen Wertpapiere nicht mehr an der Börse gehandelt werden, hängt ihr Preis als Sammlerobjekt immer noch von der Entwicklung am Aktienmarkt ab: "Es ist zwar kurios, aber wenn es der Börse gut geht, dann laufen auch die Geschäfte mit den historischen Wertpapieren. Umgekehrt halten sich die Sammler zurück, und die Preise stagnieren oder fallen." Mehr Infos: www.fhw-online.de