„Wir brauchen ein drittes Konjunkturpaket“

In diesen Tagen aktualisieren die Wirtschaftsforscher ihre Prognosen zur weiteren Konjunkturentwicklung. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, plädiert für ein drittes Konjunkturpaket. Nur so könne es wieder zu Wachstum kommen, sagte er im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter:

Herr Horn, bei den gegenwärtigen Konjunkturprognosen scheinen sich sowohl die Optimisten als auch die Pessimisten bestätigt zu fühlen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Gustav Horn: Diese Widersprüchlichkeit ist zunächst einmal in der Unsicherheit der Vorhersagen begründet. Für das laufende Jahr hat sich die Gemeinschaftsprognose der Forschungsinstitute leider bestätigt: Wir müssen uns auf ein Minus von mindestes sechs Prozent einstellen. Auch das IMK wird seine Prognose daher noch leicht nach unten korrigieren.

Aber das Jahr 2009 ist erst zur Hälfte vorbei.
Horn: Trotzdem ist der Rückgang von etwa sechs Prozent ziemlich verlässlich, weil das erste Halbjahr die schlimmsten Befürchtungen bestätigt hat. Im zweiten Halbjahr muss es sogar in Richtung Stagnation gehen, um das veranschlagte Minus zu halten. Das heißt im Klartext: In den minus sechs Prozent steckt sogar noch eine gehörige Portion Optimismus.

Wird sich der düstere Trend auch 2010 fortsetzen?
Horn: Da streiten sich die Geister. Die Frage ist, ob wir eine leichte wirtschaftliche Belebung im Promillebereich bekommen, oder ob wir japanischen Verhältnissen entgegen gehen. Wenn die Politik nicht weiter für eine Ankurbelung der Konjunktur sorgt, dann sind nach unserer Einschätzung japanische Verhältnisse unvermeidlich. In diesem Fall würde das Wachstum über mehrere Jahre um die Nullmarke pendeln. Es käme also zu einer lang anhaltenden Stagnation statt zu einem selbsttätigen Wachstumsprozess.

Die Bundesregierung hat bereits zwei milliardenschwere Konjunkturpakete geschnürt. Reicht das nicht aus?
Horn: Dank der beiden Konjunkturpakete lässt sich die Wirtschaft zwar stabilisieren. Man muss ja sehen, dass die deutsche Wirtschaft in den ersten sechs Monaten dieses Jahres geradezu zusammengebrochen ist. Aber Anzeichen für eine durchgreifende Erholung sind nicht in Sicht. Wenn es wieder zu Wachstum kommen soll, ist ein drittes Konjunkturpaket unvermeidlich. Es sollte noch in diesem Jahr konzipiert und international koordiniert werden. Dann kann es 2010 in Kraft treten.

Der Bundeshaushalt wird 2010 ohnehin schon eine Rekordverschuldung von fast 90 Milliarden Euro aufweisen. Droht uns eine massive Inflation?
Horn: Nein. Das ist eine abwegige Debatte. Denn der Staat springt ja nur in eine Lücke, die die private Wirtschaft hinterlassen hat. Deren Investitionen sind dramatisch eingebrochen, weil sie sich aus Angst nicht mehr verschulden will. Deshalb übernimmt der Staat die Rolle des Antreibers. Dadurch entsteht keine Inflation, sondern der Staat verhindert damit im besten Falle eine Deflation, also sinkende Preise bei stagnierenden oder gar sinkenden Löhnen. Erst wenn die Privaten sich wieder verstärkt engagieren, kann es zu Inflationstendenzen kommen. Dem wird der Staat aber vorbeugen, indem er sich wieder zurückzieht.

Wie soll der Staat seine gigantischen Schulden jemals zurückzahlen?
Horn: Wenn ein Aufschwung gelingt, dann werden sofort auch wieder die Steuereinnahmen steigen und die Sozialausgaben sinken. Dann braucht es auch keine Konjunkturprogramme mehr. Sämtliche frei werdenden Mittel müssen dann aber auch ausschließlich zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt werden. Das Geld in Steuersenkungen versickern zu lassen, wäre der falsche Weg.

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