WM-Debakel für Tischtennis-Herren: „Ein Schock für alle“

Kuala Lumpur (dpa) · Das war eine historische Pleite, die auch Dimitrij Ovtcharov schockte. Deutschlands Tischtennis-Asse sind bei der WM abgestürzt. Die DTTB-Damen machten es besser, sie jubelten über einen Sieg gegen Japan.

Der Frust über das WM-Debakel der Tischtennis-Herren in Malaysia reichte bis nach Deutschland. Die auf Rang zwei gesetzten Medaillenanwärter verfehlten in Kuala Lumpur erstmals nach 31 Jahren die Hauptrunde.

„Das ist ein Schock für alle“, kommentierte der verletzte Europameister Dimitrij Ovtcharov aus dem Reha-Aufenthalt in der Heimat die Pleite. „Die Enttäuschung ist sehr groß, dass ich meinem Team nicht helfen konnte.“

Der Weltranglisten-Fünfte wurde ebenso schmerzlich vermisst wie der stark erkältete Weltranglisten-Neunte Timo Boll. Der Routinier kam nur zu zwei WM-Einsätzen und verfolgte das abschließende 3:2 gegen Schweden per Livestream im Hotel. Donnerstag reist er zurück nach Deutschland.

Trotz des Sieges im letzten Gruppenmatch beendete der fünfmalige WM-Zweite die Gruppe B als Vierter hinter Frankreich, Schweden und England. Das war zu wenig, nur ein 3:0 gegen Schweden hätte für das Achtelfinale gereicht. „Wir haben unsere Chancen nicht genutzt und das Weiterkommen deshalb nicht verdient“, stellte Bundestrainer Jörg Roßkopf nüchtern fest.

Besser machten es die DTTB-Damen bei ihrem unerwarteten 3:2-Erfolg im letzten Gruppenmatch gegen Mitfavorit Japan. Vor allem die deutsche Meisterin Petrissa Solja (2) und Kristin Silbereisen (1) zeigten bärenstarke Leistungen. In dieser Verfassung kann die Auswahl von Bundestrainerin Jie Schöpp auch in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Dazu müssen im Achtelfinale und Viertelfinale aber noch zwei Siege her.

Die DTTB-Herren, die zuletzt dreimal in Serie die übermächtigen Chinesen im Finale herausgefordert hatten, müssen hingegen um Rang 13 spielen, statt um eine WM-Medaille - eine Blamage, die trotz ungünstiger Voraussetzungen kaum einer für möglich gehalten hätte.

„Dieser Misserfolg nagt an uns allen“, sagte der Coach nach dem Absturz in eine Tabellenregion, die er zuletzt als Spieler bei der WM 1985 (17. Platz) miterlebt hatte. „Ich kenne aber die Umstände und kann damit leben“, fügte der frühere Europameister etwas trotzig hinzu. Negative Auswirkungen für Olympia befürchtet er nicht.

Ohne die Top-Ten-Spieler Dimitrij Ovtcharov, der wegen seiner Rückenprobleme fehlte, und Timo Boll, der wegen einer schweren Erkältung nur zwei Partien absolvieren konnte, wirkte das Team führungslos. „Die anderen Spieler hatten genug Chancen, haben sie aber nicht konsequent genug genutzt“, kritisierte der Coach. „Deshalb haben wir das Weiterkommen auch nicht verdient.“

Nach den Pleiten gegen Frankreich (1:3) und England (1:3) hätte ein 3:0 gegen Schweden den Einzug ins Achtelfinale gesichert. Doch dem furiosen Auftaktsieg von Bastian Steger (Bremen) folgten zwei Niederlagen von Ruwen Filus (Fulda) und Steffen Mengel (Bergneustadt). Hinter Frankreich und den punktgleichen Teams aus Schweden und England reichte es für Deutschland wegen des schlechteren Spielverhältnisses nur zu Platz vier in der Gruppe B.

„Das ist ein Weckruf. Wir müssen hinter unseren Galionsfiguren mehr tun“, erklärte Sportdirektor Richard Prause. Der Weckruf ertönte in Malaysia allerdings nicht zum ersten Mal. Bereits bei den EM-Turnieren 2014 und 2015 setzte es in den Endspielen bittere Niederlagen gegen Portugal und Österreich - auch bei diesen Events konnte das DTTB-Team nicht mit voller Kapelle aufspielen.

Klar ist, dass anderen Länder enorm aufgeholt haben. Negative Auswirkungen für Olympia befürchten Roßkopf und Prause nach der WM nicht. Ob Boll, der am Donnerstag die Heimreise antreten soll und der am nächsten Dienstag 35 Jahre alt wird, noch einmal seine alte Form erreichen kann, bleibt eine spannende Frage. Europameister Ovtcharov ist voll auf Rio fokussiert. „Wir werden unseren Setzplatz zwei wohl behalten. Ich freue mich auf den 29. Mai. Dann werden wir unsere intensive Olympia-Vorbereitung beginnen“, sagte Roßkopf.

Auch Ovtcharov gab sich für Rio kämpferisch. „Wir werden noch enger zusammenrücken und bei Olympia mit einem fitten Timo und Dima die Antwort zeigen“, sagte der Europameister. Sportwart Richard Prause sprach von einem Weckruf. „Wir müssen hinter unseren Galionsfiguren mehr tun“, stellte Prause fest. Für das erfolgsverwöhnte DTTB-Team war es nach den Endspiel-Niederlagen bei den EM-Turnieren 2014 und 2015 bereits der dritte große Rückschlag in drei Jahren.

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