Wo Bischof Stephan Ackermann durchatmet und zur Ruhe kommt

Trier · Er ist seit rund zwei Jahren der 103. Bischof von Trier und wurde im Februar vergangenen Jahres von der Deutschen Bischofskonferenz zum Missbrauchsbeauftragten der katholischen Kirche in Deutschland ernannt: Stephan Ackermann. Wo der 48-jährige Hirte von rund 1,5 Millionen Katholiken am liebsten Kraft tankt, davon berichtet er in unserer Serie - vorab Exklusiv für unsere iPhone-Leser

 Bischof Stephan Ackermann schöpft immer wieder Kraft im Bischofsgarten.

Bischof Stephan Ackermann schöpft immer wieder Kraft im Bischofsgarten.

Foto: Katja Bernardy

Neulich bin ich durch die Johannisstraße gegangen, und als ich an einem Tattoo-Laden vorbeikam, stand auf der Straße ein junger Mann mit nacktem Oberkörper. Er hatte sich gerade einen tellergroßen Wolf auf den Rücken tätowieren lassen und rief mir zu: "Hallo, Herr Bischof!" Ich grüßte zurück, und wir kamen ins Gespräch. Der Mann erzählte, dass er mal Messdiener in St. Martin war und beim Weitergehen rief er mir hinterher: "Ma sieht sich!"
Das ist Trier: sympathisch, ohne Berührungsängste, lebensfroh und auch "dän Bischof", wie die Trierer sagen, gehört dazu.

Mein persönliches Lieblingswort auf Trierisch ist übrigens "Maju", was übersetzt Maria und Josef heißt und ein Stoßgebet sowie Ausdruck großer Bewunderung ist. Ein bewundernswerter und besonderer Ort in Trier ist für mich die Krypta in der Abtei St. Matthias. Sie ist kein Ort der Erholung, aber in ihrer Urtümlichkeit überwältigend.
Die Stadt ist einfach schön

Im Alltag ist der Bischofsgarten konkurrenzlos mein Lieblingsplatz: Nur zwei Schritte vom Bischofshof entfernt und ich bin in einer grünen Oase mitten in Trier. Was die Pflanzen angeht, gefallen mir vor allem der Fächer8ahorn, die beiden Ginkgobäume und die Tellerhortensien, die hier wachsen. Mein Kaplan und Sekretär Frank Kleinjohann ist Hobbygärtner und kümmert sich neben der Gärtnerei Melchisedech in seiner Freizeit um den Garten. Wo ich mich innerhalb meines ganz persönlichen Rastplatzes am liebsten aufhalte, variiert mit der Tageszeit und dem Stand der Sonne: Mal sitze ich auf einer Holzbank und schaue dem Spiel der Blätter in den Bäumen zu, mal gehe ich beim Brevier-Beten um die Wiese, die ungefähr ein Drittel so groß ist wie ein Fußballfeld und kann dabei so richtig durchatmen, und mal schaue ich auf die Breitseite von Dom und Liebfrauenkirche.

Und bei einem Blick auf die Reste der ehemaligen antiken Südbasilika, die in meinem Garten stehen, sehe ich die
Brandspuren, die der Normanneneinfall im April 882 an Gründonnerstag am Mauerwerk hinterlassen hat. Das gibt mir dann Gelassenheit, zeigt es doch, dass die Kirche schon so vieles ausgehalten und überstanden hat.
Apropos Kartage: Ein Erlebnis als Jugendlicher während der Karwoche 1981 hat meinen Entschluss, Priester zu werden, besiegelt. Nach einer Nachtwanderung mit meditativen Elementen, die wir in meiner Heimatpfarrei Nickenich organisiert hatten, wusste ich, dass ich nach dem Abitur am Kurfürst-Salentin-Gymnasium in Andernach Theologie und Philosophie studieren wollte. Dabei spielte auch die Einheit von Beruf und Leben eine wichtige Rolle: Ich konnte mir nie vorstellen, acht Stunden einen Beruf auszuüben und danach Feierabend zu machen, sondern ich wollte einen Beruf, der mich ganz ausfüllt. Daran, Bischof zu werden, habe ich nie gezielt gedacht, allenfalls vielleicht, wie ich in dieser Rolle in der ein oder anderen Frage handeln würde, habe ich mir manchmal überlegt.

Rückblickend haben mich meine Kindheit und Jugendzeit in Nickenich, das Leben in und mit der Pfarrei dort, die Nähe zum Benediktinerkloster Maria Laach sowie das Spielen in der Natur sehr geprägt. Mein Heimatdorf liegt im Landkreis Mayen-Koblenz am Laacher See. Der ist so etwas wie mein persönlicher See Gennesaret. Wir sind oft mit dem Fahrrad durch den Wald zum Baden gefahren, und mit einem Freund habe ich einige Zeit eine Imkerei mit 20 Bienenvölkern betrieben. Fahrrad fahre ich auch heute noch gerne, etwa entlang von Mosel, Saar und Sauer.
Dass ich im Bischofsgarten Kraft schöpfen kann, hängt sicher auch mit den frühen Naturerlebnissen in der Vulkaneifel zusammen. Aber es gibt auch Situationen, da reicht meine grüne Oase entlang der Dommauern nicht aus, dann spaziere ich auf der Tarforster Höhe, atme die Höhenluft und genieße in der Abendsonne den Ausblick über die Stadt, statt mittendrin zu sein. Egal aus welcher Perspektive ich Trier betrachte, die Stadt ist einfach schön. Die Römer haben ihre Spuren hinterlassen, das sieht man nicht nur, das spürt man auch heute noch: Die Trierer und die Römer haben vieles gemeinsam: ihre Heiterkeit, ihr Selbstbewusstsein und ihre Gelassenheit.
Ich erlaube mir diesen Vergleich, weil ich auch die Römer ein bisschen kenne, denn ich habe ja sowohl in Trier als auch sechs Jahre an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom studiert. Und in vielen Ecken Triers spürt man mediterranes Flair - auch im Bischofsgarten.

Aufgezeichnet von Katja Bernardy

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