Folge 16: Kriegszüge im Zeichen des Kreuzes

Trier · Bewaffnete Wallfahrten nach Jerusalem: Die Epoche der Kreuzzüge ist ein finsteres Kapitel der Christianisierung. Im Namen der Kirche zogen abendländische Gotteskrieger in den Orient. 200 Jahre dauerte das Morden.

 Während der Kreuzzüge zählten die Tempelritter zu den bekanntesten Kämpfern. Dieser Mittelalterfan posiert in einem Kostüm der Tempelritter.Foto: iStock/Kseniya Abramova

Während der Kreuzzüge zählten die Tempelritter zu den bekanntesten Kämpfern. Dieser Mittelalterfan posiert in einem Kostüm der Tempelritter.Foto: iStock/Kseniya Abramova

Sie waren eine "Reisewelle" der besonderen Art: die Kreuzzüge. Gleichzeitig Bußgang und Kriegszug, sollten diese Orientfahrten vordergründig die christlichen Stätten im Heiligen Land für Pilger zugänglich machen. Sieben Kreuzzüge gab es zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert. Auch wenn sie im Namen der Kirche ausgeführt wurden, waren sie doch mindestens zu gleichen Teilen auch wirtschaftlich und strategisch motiviert.

Ausgelöst wurde die Epoche der Kreuzzüge durch die islamische Expansion am Mittelmeer seit dem 7. Jahrhundert. Schließlich stand auch Jerusalem im Zeichen des Halbmondes. Zum Eklat kam es schließlich im Jahr 1096: Muslimische Herrscher hatten Palästina in ihrer Hand, und die Pilgerwege zu den heiligen Stätten der Christen drohten abgeschnitten zu werden. Obendrein fühlte sich das oströmische Reich - mit Konstantinopel im Zentrum - aufgrund der Bedrohung durch die Türken in seinem Bestand gefährdet. Der byzantinische Kaiser Alexios I. bat die Christenheit um Hilfe gegen die vorpreschenden Seldschuken, eine türkische Fürstendynastie. Der oströmische Kaiser sandte daher einen Hilferuf an den Westen. Ein Ruf, den Papst Urban II. erhörte.
Das Motto: Gott will es!

1095, auf der Synode von Clermont, rief Urban Europas Adel zum Kampf für die christliche Sache auf. Vom Leiden der Christenheit im Osten soll der Papst gesprochen haben und von der Notwendigkeit der Befreiung Jerusalems. Die dramatische Rede gipfelte in den Worten: "Gott will es!" Der Satz wurde zum Motto aller Kreuzzüge. Die Menge habe die Rede begeistert aufgenommen, berichteten Zeitzeugen. Der Bischof von Le Puy sei anschließend vor Urban niedergekniet und habe um die Erlaubnis gebeten, in den Krieg ziehen zu dürfen.
Geopolitische Ziele

Auch Europas Ritterschaft eilte in Scharen herbei, um ins Feld zu ziehen. Der Krieg im Namen Gottes hatte für sie nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe. Denn dem Adel, insbesondere den Familien in Burgund, Lothringen und Nordfrankreich, ging das Geld aus. Es fehlte an Land und Gütern, die Ressourcen wurden knapp. Im Orient hoffte man, reichen Ersatz zu gewinnen.
Das Phänomen, das sich hier erstmals zeigte, entwickelte sich zum gemeinsamen Nenner aller Kreuzzüge: Unter dem Deckmantel religiöser Motive wurden ökonomische und geopolitische Ziele verfolgt. Der Kirche mochte es um die Befreiung der orientalischen Christen und der heiligen Stätten gehen. Den Kreuzrittern dagegen ging es vor allem um Landbesitz, Kontrolle der Handelswege sowie Sicherung der Basen für Handelsfahrten im östlichen Mittelmeer. Papst Urban unterstützte sie darin mit einem weitreichenden Prämienkatalog. Dieser gipfelte darin, dass den Kreuzfahrern der vollständige Nachlass aller Sündenstrafen versprochen wurde.
Ziel des Papstes war, die großen christlichen Fürsten und Ritter zu aktivieren. Doch seine Idee brach sich ungeahnte Bahnen: Sie mobilisierte zum ersten Kreuzzug die Massen. Die Gründe waren vielfältig: Hungersnöte plagten große Teile der Bevölkerung, eine Reihe von Naturphänomenen - darunter ein Komet und eine Mondfinsternis - schienen auf göttliche Weisung zu deuten. Manche glaubten, der Weltuntergang sei nahe. Andere hofften wohl einfach nur darauf, in der Ferne ein besseres Leben zu finden. Und hatte der Papst nicht jedem Kreuzzügler Sündenablass versprochen?
Noch bevor die ersten Ritter ins Feld zogen, setzten sich Bauern, Handwerker, Arme unter Führung eines Predigers, der sich Peter der Eremit nannte, in Bewegung. Unter seiner Führung brach 1096 eine riesige Menschenmenge von Flandern nach Palästina auf. Frauen waren dabei und Kinder. Wer kein Gefährt besaß, ging zu Fuß. Ein Heer der Habenichtse war zu Zehntausenden auf den Beinen.
In Köln angekommen, teilte sich dieser Bauernkreuzzug - auch Armen- oder Volkskreuzzug genannt - auf. Einer zog nun gegen die "Christusmörder" - gemeint waren die Juden - in Deutschland und Frankreich zu Felde. Von Köln über Mainz, Speyer und Worms bis nach Trier und weiter unter anderem nach Rouen, Reims und Verdun gingen diese als Kreuzzug getarnten Pogrome. Die großen jüdischen Gemeinden des Mittelalters wurden geplündert, ihre Mitglieder ermordet.
Ein Massaker folgt

Die Masse der Kreuzfahrer aber brach unter Führung des Eremiten Peter nach Konstantinopel auf. Wieder zerfiel unterwegs die Gemeinschaft, der Eremit verlor die Kontrolle über seine beutegierigen Sympathisanten. Die einen bogen plündernd nach Südosten ab und fanden ihr Ende in Bulgarien. Ein kleiner Rest erreichte schließlich Konstantinopel. Doch im Kampf unerfahren, hatten sie im Kampf gegen die Türken keine Chance. 1096 ging der "Bauernkreuzzug" zu Ende. Kaum einer überlebte ihn.
Anders das erste reguläre Kreuzfahrerheer: Unter der Führung eines gewissen Gottfried von Bouillon aus Lothringen fanden sich 4000 Ritter und 25 000 Fußsoldaten zusammen. Ausgestattet mit Waffen, Pferden, Proviant und angeblich zahlreichen Prostituierten im Tross ging es anno 1097 nach Konstantinopel. Im darauffolgenden Jahr gelang den Kreuzrittern die Einnahme der syrischen Stadt Antiochia, die hauptsächlich von Christen bewohnt wurde, ein Jahr später die Eroberung Jerusalems.
Was dort dann folgte, war ein Massaker. Die Gotteskrieger ließen keinen am Leben, der nicht Christ war. In drei Tagen lynchten sie mehrere Zehntausend Menschen. Ein Chronist der damaligen Zeit berichtet, man sei bis zu den Knöcheln in Blut gewatet. Selbst mit einem Abstand von fast 1000 Jahren sind diese Ereignisse noch immer ein Trauma im kollektiven Gedächtnis der muslimischen Welt. Die unsägliche Grausamkeit der christlichen Kreuzfahrer hat das Bild der "Barbaren aus dem Abendland" dauerhaft geprägt.
Kinder ziehen ins Heilige Land

Nach der Eroberung Jerusalems gründeten die Kreuzritter das Königreich Jerusalem - eines von vier Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land. Für die nächsten knapp 100 Jahre blieb Jerusalem in christlicher Hand. Erst 1187 gelang es einem Sultan namens Saladin, Jerusalem zu erobern und die Kreuzritter zu vertreiben. Das machte Saladin für alle Zeiten zum Großhelden der muslimischen Welt. Übrigens nahm der siegreiche Saladin keine Rache an der christlichen Bevölkerung Jerusalems. Er entließ sie gegen ein Kopfgeld in die Freiheit.
Im Verlauf der nächsten 100 Jahre kam es zu weiteren Kreuzzügen und einem Kinderkreuzzug - wobei letzterer wohl mehr dem Reich der Legenden als der Historie zuzuschreiben ist. Angeblich sollen im Frühsommer 1212 bis zu 30 000 Kinder in Richtung Heiliges Land losgezogen sein. Ihr Anführer sei ein charismatischer Hirtenjunge gewesen. Falls es diesen Kreuzzug gab, ist unklar, was aus den jungen Menschen wurde. Kolportiert wird, ein Teil habe etwa in Marseille eingeschifft, sei aber von den Kapitänen als Sklaven verkauft worden. Die Quellenlage dazu ist jedoch sehr dürftig. Zumindest bietet der Kinderkreuzzug Stoff für Geschichten: Das Märchen des Rattenfängers von Hameln soll davon inspiriert sein.

Die Epoche endete mit dem siebten Kreuzzug anno 1270. Die letzte christliche Bastion in Palästina, die Stadt Akko, ging 1291 verloren. Durch die Kreuzzüge war Jerusalem nicht zurückerobert worden, aber Hunderttausende waren umgekommen. Doch hatte es während dieser 200 Jahre auch abseits der Schlachtfelder vielfache Berührungen von Orient und Okzident gegeben. Wodurch die Voraussetzungen entstanden für einen umfangreichen Gedankenaustausch mit den Muslimen über Aspekte der Philosophie, der Kunst, der Politik.
Lesen Sie in der nächsten Folge: Gottes wechselnde Wohnstatt - Die Epochen der Romanik und Gotik.

Extra: Die Tempelritter Im Jahre 1099 eroberten die Kreuzritter unter Gottfried von Bouillon Jerusalem. Die Sieger errichteten dort ein christliches Königreich. Zum Schutz der Pilger gründete sich ein geistlicher Ritterorden: die Templer. Diese militärische Eliteeinheit unterstand direkt dem Papst und war der erste Ritterorden. Es folgten unter anderem die Johanniter und der Deutsche Orden. Die Tempelritter wurden eine der mächtigsten Organisationen des Mittelalters - und in einem spektakulären Kräftemessen zwischen Papst und französischem König 1312 aufgelöst. Viele der Templer landeten damals auf dem Scheiterhaufen. Die Akten des Prozesses wurden erst 2007 durch den Vatikan freigegeben.

Extra: Nathan der Weise Lessings Bühnenklassiker "Nathan der Weise" spielt im Jerusalem der Kreuzzüge. Das Drama plädiert für eine Aussöhnung der drei auf gemeinsame Wurzeln zurückgehenden Religionen Judentum, Christentum und Islam. Es ist damit bis heute überaus aktuell geblieben und ein Dauerbrenner in den Spielplänen der Theater. Die Quintessenz des Bühnenstücks lautet: Die verschiedenen Religionen angehörenden Hauptfiguren sind ebenso miteinander verwandt wie die drei Religionen, und Menschlichkeit geht allemal über Glaubensdogmen. Als der prominente Dichter der Aufklärung (1729-1781) seinen "Nathan" um das Jahr 1778 schrieb, stand er wegen bibelkritischer Schriften selbst unter dem Druck der Kirche.

Der Text dieser Seite entstand auf Basis eines Vortrages, den Barbara Abigt im Rahmen der Akademie der Marienberger Seminare gehalten hat. Die Textbearbeitung für den Abdruck in der Zeitung haben Andrea Mertes und Andreas Pecht übernommen. Für den Inhalt verantwortlich: Marienberger Seminare e.V. Der 80-minütige Originalvortrag ist als Audio-CD mit bebildertem Begleitheft zu beziehen bei Marienberger Seminare e.V., Telefon: 02661/6702, Info: www.marienberger-akademie.de

Die TV-Serie "Kulturgeschichte der Menschheit" ist eine Kooperation der Marienberger Seminare mit mehreren Regionalzeitungen. Sie wird gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz. red

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