Wenn Lebemänner sich mit Fallobst plagen - Zwei junge Wanderer ziehen ohne Geld über den Eifelsteig

Trier/Bitburg · Sie schlafen in Höhlen, Hütten und Klöstern. Ihr Essen besteht aus Fallobst. Was sie nicht direkt essen, tauschen sie unterwegs: gegen Brot, Marmelade oder auch einmal gegen Schokolade. Die Kölner Richard Schlautmann und Marco Dittmar sind den gesamten Eifelsteig von Kornelimünster bis nach Trier gewandert. Ohne Geld, aber mit einem Ziel vor Augen.

 Richard Schlautmann (rechtes Bild, mit Mütze) und Marco Dittmar wandern ohne Geld durch die Eifel. In Bitburg tauschen sie Weintraubengelee gegen Frikadellenbrötchen ein.

Richard Schlautmann (rechtes Bild, mit Mütze) und Marco Dittmar wandern ohne Geld durch die Eifel. In Bitburg tauschen sie Weintraubengelee gegen Frikadellenbrötchen ein.

Foto: Sebastian Klipp

Es klappert und klirrt im Flur der Bitburger TV-Redaktion, als Richard Schlautmann und Marco Dittmar sich mit ihren breiten und randvollen Wanderrucksäcken durch den engen Gang winden. Im Büro angekommen, streifen sie erst einmal ihr Gepäck ab und schnaufen durch.

Bei einer Tasse Kaffee erzählen sie ihre Geschichte: Von Kornelimünster sind Marco und Richard, zwei Mittzwanziger aus dem Raum Köln, 313 Kilometer über den Eifelsteig bis nach Trier gewandert. Ihr einziges Gepäck zum Start: Ersatzkleidung und eine Wasserflasche.

Ihre Nächte verbrachten sie mal im Kloster, mal im Bauernhof. Gab es weder das eine noch das andere, schliefen sie unter Felsvorsprüngen und in Höhlen. "Das war so eine richtige Selbstkasteiungstour", sagt Richard, der lieber Richie genannt werden möchte - Marco nickt und lächelt zustimmend. Am Ende ihrer zweiwöchigen Reise trampen sie von Trier aus zurück nach Köln. Ihr unerwarteter Zwischenstopp: die TV-Redaktion in der Bitburger Fußgängerzone. Dorthin gelangen sie im Auto der TV-Redakteurin Maria Adrian, die sich zusammen mit Volontärin Andrea Weber auf dem Weg zur Arbeit befindet. Sie liest die beiden auf der Kaiser-Wilhelm- Brücke in Trier auf, während sie an der roten Ampel wartet.

Nach einer kurzen Verschnaufpause erzählen sie von ihren Strapazen: "Die ersten fünf Kilometer am Tag sind die schwersten - danach sind die Wunden an den Füßen wieder auf", sagt der 24-jährige Marco. Richie (23) hatte hingegen mehr mit dem Eifeler Wetter zu kämpfen: "Wenn die Klamotten nass sind und man dann abends noch in den nassen Schlafsack einsteigt, dann denkt man auch mal daran, die Reise abzubrechen." Dazu kommt es nicht.

Extremsituationen sind die beiden "Lebemänner" schließlich gewohnt. Richie ist mit dem Fahrrad bereits durch "halb Europa" gefahren. Marco ist auf dem Drahtesel bis nach Österreich gestrampelt. Sein Ziel: ein neues Paar Schuhe. Kein gewöhnliches, sondern ein nachhaltig hergestelltes Sie schlafen in Höhlen, Hütten und Klöstern. Ihr Essen besteht aus Fallobst. Was sie nicht direkt essen, tauschen sie unterwegs: gegen Brot, Marmelade oder auch einmal gegen Schokolade. Die Kölner Richard Schlautmann und Marco Dittmar sind den gesamten Eifelsteig von Kornelimünster bis nach Trier gewandert. Ohne Geld, aber mit einem Ziel vor Augen. Paar. Bestellen und liefern lassen kam für ihn nicht infrage. Das hätte für ihn den Sinn der Nachhaltigkeit untergraben.

Generell bedeutet die Tour beiden mehr, als nur das schnelle Abenteuer zu finden: "Das ist ein Lebensstil", sagt Marco. Beide verzichten in ihrem Alltag auf ein Handy, und auch auf Facebook sucht man die beiden Freunde vergebens.

"Mich hat immer interessiert, wie es den Leuten geht, die draußen auf der Straße leben", erklärt Marco. Nur mit Wasser und Ersatzklamotten losziehen: "Ich wollte wissen, wie das so ist." Der Einstieg in ihre Reise sei ihnen nicht leicht gefallen. "Da hatte ich schon ein leichtes Grummeln im Bauch", sagt Marco. Jeden Tag passiere etwas Neues und Unvorhersehbares. Das sei aber gerade der positive Effekt, ist sich Richie sicher.

Ein Beispiel: Unterwegs haben sie in einer Pizzeria um Essen gebeten. Die Bedienung wiegelte ab - Marco und Richie zogen weiter. "Das ist ja auch o.k.", sagt Richie: "Da fragen wir auch nicht nach dem Warum." Ein paar Meter später habe dann eine Frau mit ihrem Auto neben ihnen gehalten und ihnen 20 Euro gegeben. "Sie hatte die Diskussion mitbekommen und fand das nicht toll, wie wir abgewimmelt wurden", sagt Marco. Ihre letzte Nacht auf ihrer Tour haben sie bei einer Familie in Pfalzel verbracht." Die Familie hätten sie am Weinstand auf dem Trierer Hauptmarkt getroffen und sogar noch ein Glas Wein spendiert bekommen. "Aus solchen Begegnungen lernst du", erklärt Richard: "Das möchten wir dann auch an andere Menschen weitergeben." In den Eifeler Wäldern haben die beiden selbsternannten Lebemänner Müll gesammelt, wann immer es sich angeboten hat. "Du bist mitten im Wald, findest Tempos und Plastik - das gehört da einfach nicht hin", sagt Marco und setzt einen ernsteren Blick auf. Beide möchten, dass Menschen mehr Verständnis für die Natur aufbringen. "Hinterlässt man Müll, verweigert man anderen Leuten das schöne Gefühl eines sauberen Waldes."

Ihr Essen haben die Wanderer ganz einfach unterwegs gefunden: "In der Region gibt es so viele Apfelbäume", erklärt Marco. Als sie sich am Fallobst sattgesehen hatten, haben sie mit dem Tauschen angefangen. Ein Apfel gegen ein Stück altes Brot. Das Brot wiederum gegen Marmelade: "Wir konnten sogar einmal Äpfel gegen Schokolade tauschen", erinnert sich Richie und grinst dabei. In der Redaktion tauschen sie einen Apfel mit unübersehbarem Wurmfraß gegen ein Glas mit rotem Weintraubengelee, das TV-Redakteurin Ulrike Löhnertz erst kurz zuvor eingekocht hatte. "Die Trauben dazu sind in meinem Garten in Trier-Olewig gewachsen", erklärt Maria Adrian. "Das schmeckt bestimmt gut zum Brötchen", vermutet Richie - doch dazu soll es nie kommen.

Noch bevor sie sich mit Sack und Pack wieder an die Straße stellen und ihrer nächsten Mitfahrgelegenheit entgegensehnen, tauschen sie das Gelee in der Bitburger Innenstadt gegen zwei Frikadellenbrötchen mit Senf - und beißen genussvoll zu.

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