"Diese Typen fehlen heute"

Bitburg · Er hat Krieg und Nachkriegszeit erlebt, wollte dem Jesuitenorden beitreten, ging dann aber mit einem Abschluss in Philosophie und Jura im Gepäck in die Politik: Der langjährige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kommt auf Einladung von Kulturamtsleiter Herbert Fandel nach Bitburg. In Wohnzimmer-Atmosphäre wird Fandel für neue Einblicke sorgen.

Bitburg. "Mir geht es um den Menschen, um Lebensnarben, um Ideen und Gedanken, an denen man sich auch reiben kann", sagt Herbert Fandel. Der Kulturamtsleiter stellt seit 2010 in seiner Gesprächsreihe "Einblicke" Persönlichkeiten vor, die sich in der gemütlichen Wohnzimmer-Atmosphäre von Haus Beda auch unbequemen Fragen des Chef-Schiedsrichters stellen. So durfte zuletzt der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck zum Nürburgring-Desaster befragt, einräumen: "Es sind Fehler passiert." Doch vorrangig geht es Fandel nicht um Skandale, sondern um Menschen, die ein Stück Geschichte prägten, die Geschichten erzählen können. Er hatte schon Fußballpräsident Theo Zwanziger zu Gast, Klavierstimmer Franz Mohr, der für Steinway mit weltberühmten Pianisten wie Rubinstein und Horowitz gearbeitet hat, Bischof Stephan Ackermann, Fernsehintendant Friedrich Nowottny und der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière. Und nun kommt Heiner Geißler. "Dieser Mann ist für mich ein Phänomen. Er gehört für mich zu den wichtigsten Gesichtern der CDU", sagt Fandel. In Fußballsprache würde er den einstigen rheinland-pfälzischen Sozialminister (1967 bis 1977), Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (1982 bis 1985) und CDU-Generalsekretär (1977 bis 1989) als "Spielmacher", aber auch "Ausputzer" bezeichnen. Bestseller und der Altkanzler

"Ich hatte immer das Gefühl, dass Geißler die wichtigen Themen besetzt und durch die Öffentlichkeit peitscht", sagt Fandel. Vom Nato-Doppelbeschluss über das erste Kindergartengesetz und die Anerkennung von Erziehungszeit in der Rentenversicherung bis zu seiner Rolle als Schlichter bei Stuttgart 21 - Heiner Geißler ist mit 84 Jahren noch lange nicht müde. Auch als Autor hat er sich einen Namen gemacht. Sein Buch "Sapere aude! Warum wir eine neue Aufklärung brauchen" führte 2012 die Spiegel-Bestsellerliste an. Bei Helmut Kohl soll er als "Verräter" in Ungnade gefallen sein, weil er nicht bedingungslos in der CDU-Spendenaffäre zum Altkanzler stand. Überhaupt war Geißlers Verhältnis zu Kohl nicht ganz einfach. Er soll sich im Zusammenhang mit der Gefolgstreue vieler seiner Parteigenossen zum Altkanzler einmal über "kultähnliche Zustände" moniert haben. Geißler ist auf jeden Fall einer, der nicht scheut, anzuecken. "Der passt durch keine Schablone. Ich finde, solche starken Persönlichkeiten, solche richtigen Typen fehlen heute in der Politik", sagt Fandel. Natürlich geht es ihm bei Geißler auch um Politik: "Er steht in kritischer Distanz zu Kohl, aber er hat ihm auf der anderen Seite auch viel zu verdanken. Dieses Spannungsfeld interessiert mich." Aber Politik ist nur eine Facette. Darüber hinaus will Fandel den Menschen Geißler zu fassen bekommen: "Der war ja Leistungssportler. Bergsteigen, laufen, wandern. Das hat der alles neben seinem unglaublichen Arbeitspensum gemacht."Für Menschen, die - vermeintlich gegensätzliche - Leidenschaften in ihrem Leben vereinen, wie beispielsweise Leistungssport und Politik kann Fandel sich leicht begeistern. Er, der selbst nach einem Studium als Konzertpianist heute nicht nur Kulturamtsleiter, sondern auch Vorsitzender des Schiedsrichter-Ausschusses beim Deutschen Fußballbund ist, weiß, was dieser Spagat einem Menschen abverlangt - aber auch, welche Bereicherung es sein kann. Heiner Geißler ist am Donnerstag, 6. November, um 19 Uhr zu Gast in der Reihe "Einblicke" im Haus Beda in Bitburg. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier und unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 sowie auf <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/tickets" class="more" text="www.volksfreund.de/tickets"%>.Extra

… Herbert Fandel, Leiter des Kulturamts der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm und Initiator der Reihe "Einblicke": Was werden die Zuhörer in Haus Beda von Heiner Geißler erfahren, was sie vielleicht noch nicht kennen? Fandel: Ich hoffe, dass viel Persönliches zur Sprache kommt. Mich interessiert die Lebensgeschichte dieses Mannes, der sich aus einem Jesuitenorden verabschiedet hat, mit einem Jura-Studium in die Politik zog und nach so vielen Jahren, in denen er hart im Wind gestanden hat, auch im Alter von 84 Jahren noch nicht müde ist, sondern weiter für das kämpft, wovon er überzeugt ist. Was treibt ihn an? Für mich ist das ein sehr beeindruckender Mensch und ich würde mich freuen, wenn das rüberkommt. Wie sind Sie auf die Idee für Ihre Reihe "Einblicke" gekommen? Fandel: Ich war selbst mal im Allgäu als Gast in einer solchen Talkreihe. Das hat mir einfach gut gefallen. Kein Vortrag, kein Fachthema, sondern ein Gespräch von Mensch zu Mensch. Da dachte ich mir, so was könnte man auch in der Eifel machen. Was hat Sie zu einem interessanten Gast für die Show gemacht? Fandel: Wegen meiner internationalen Schiedsrichtertätigkeit sind die auf mich aufmerksam geworden. Was die interessiert hat, war, wie so jemand auch noch ausgebildeter Musiker sein kann. Und Ihre Erklärung? Fandel: Auf eine Art ist Musik in erster Linie mal ein Handwerk wie alle anderen Handwerke auch. Ein Handwerk, das man lernen kann und das viel Übung erfordert, wobei Talent sicher nicht schadet. Von Kindesbeinen an hat mich beides gepackt: Fußball und Musik. Sie sind Chefschiedsrichter und Kulturamtsleiter, spielen Sie denn auch noch regelmäßig Klavier? Fandel: Nein. Dazu habe ich zu wenig Zeit und das vermisse ich auch. Aber Zeiten wandeln sich. Wenn ich mal weniger als Schiedsrichter unterwegs bin, kann ich mir sehr gut vorstellen, wieder mehr Klavier zu spielen. Verloren ist das für mich nie. scho

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