Angst vorm Tod ist Liebe zum Leben - Monat November konfrontiert die Menschen mit der eigenen Sterblichkeit

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag sowie Totensonntag - fünf Feiertage im November stellen den Tod in den Mittelpunkt des Lebens. Der TV begibt sich auf Spurensuche.

Bernkastel-Wittlich/Bitburg-Prüm. Wer als Kind in der Eifel aufgewachsen ist, der hat sich auf Allerheiligen gefreut: Endlich durfte der neue Wintermantel aus dem Schrank! Erst an Allerheiligen - und keinen Tag früher. Und so war die Gräbersegnung am Nachmittag auf den Friedhöfen der Eifel-Dörfer oftmals auch eine Art Modenschau. Noch immer werden an Allerheiligen die Gräber gesegnet. Doch weil der Pfarrer nicht überall gleichzeitig sein kann, gibt es in Zeiten des Priestermangels Gräbersegnungen zwei Wochen vor und zwei Wochen nach dem 1. November.Friedhöfe verändern sich


Auch die Friedhöfe verändern sich zusammen mit der Bestattungskultur zunehmend. Immer weniger Menschen entscheiden sich für ein traditionelles Erdgrab. Die Zahl der Einäscherungen mit anschließender Urnenbeisetzung hat rapide zugenommen. War das bis zum Jahr 2000 noch eine Seltenheit, so ist es heute Normalität. Die Verbandsgemeinden und Städte der Eifel berichten auf TV-Anfrage von einem durchschnittlichen Anteil der Urnenbestattungen von 50-65 Prozent. In der Stadt Bitburg sind es aktuell sogar 72 Prozent - in der Stadt Wittlich 65 Prozent und in Morbach 60 Prozent. Einzige Ausnahme: Kelberg. Dort machen Urnenbestattungen nur 15 Prozent aus.
Immer beliebter werden Rasengräber - wohl auch wegen des geringeren Pflegeaufwands und geringerer Folgekosten für die Angehörigen. Ein wesentlicher Grund, warum sich auch etliche ältere Menschen eine anonyme Bestattung vorstellen können. Sie wollen niemandem zur Last fallen.
Monika Hartmann, Krankenhausseelsorgerin in Wittlich und mitverantwortlich für die Lebenscafés, ein Treffpunkt für Trauernde, sieht das skeptisch: "Der Mensch hat einen Namen. Der soll auch im Tod sichtbar bleiben, denn er gibt dem Toten eine Würde." Dazu kommt: "Wenn Angehörige keinen Ort haben, wo sie hingehen können, wird die Verarbeitung schwierig." Bestatter Klaus Wagner aus Bitburg drückt es klar aus: "Wenn Ältere im Rahmen der Vorsorge mit diesem Wunsch an uns herantreten, empfehlen wir immer, dass sie darüber mit ihren Kindern reden sollen. Es nimmt ihnen den Ort zum Trauern."
Kornelia Himmes aus Gerolstein hat ihren Ort zum Trauern im Gedächtniswald Jünkerath: Im Februar 2013 hat sie die Asche ihres Mannes Rolf dort beisetzen lassen unter einer Buche, die "so groß und schlank und so verkorkst im Kopf ist, wie Rolf war", erzählt sie. Gemeinsam hatten sie sich für eine Naturbegräbnisstätte entschieden. Doch sie sagt auch ganz klar: "Das ist nur ein Ort, wo ich hingehen kann. Dort ist nicht Rolf. Er ist bei mir. Jeden Tag."Stelenform im Trend


Eine Bestattung unter Bäumen - auch ein neuer Trend, der mittlerweile in der Region angekommen ist. Nach Jünkerath und Niederweiler ist das seit gut einem Jahr auch in Gerolstein möglich. Und auch in Daun gibt es dahingehend erste Überlegungen. Die Morbacher haben sogar ein Bürgerbegehren für einen Bestattungswald angestrengt.
Die Bestattungskultur ist im Umbruch, auch in der Eifel. Die früher übliche Aufbahrung zu Hause ist nach Aussage von Bestatter Wagner eine Seltenheit geworden. Und in einigen Dörfern gibt es keine Sargträger mehr - eine Aufgabe, die traditionell immer die Nachbarn übernommen haben. Der Sarg steht dann, wenn die Angehörigen aus der Kirche kommen, bereits über dem ausgehobenen Grab. Der dreifache Rosenkranz an den Tagen zwischen Tod und Beerdigung fällt vielerorts aus. Die religiöse Bindung der Menschen lässt auch in ländlichen Regionen nach. "Zudem", sagt Wagner, "gibt es einen zunehmenden Trend zur Individualisierung. So wie jeder seine persönliche Handyhülle haben will, so will jeder seine persönliche Beerdigung haben." Ob mit Musikstücken, Briefen oder Ansprachen.
Das Fest Allerheiligen spielt auch bei der Grabpflege eine immer geringere Rolle. "Es ist zwar immer noch was los, aber nur noch halb so viel wie früher", sagt Stefan Schädler von der Gärtnerei Schädler in Zeltingen. Auch würden zunehmend Gräber mit Steinen abgedeckt. Bei den Grabsteinen hat Bildhauer Sebastian Langner, Wittlich, einen Wandel bemerkt. "Im Trend liegt die Stelenform", sagt er. Das liege auch an den zunehmenden Urnengräbern. "Und die Kunden bevorzugen ruhigere Steinarten." Bei der Bepflanzung sind dreifarbige Eriken und Stiefmütterchen modern, sagt Schädler. Bei den Gestecken sei in diesem Jahr Rosa die Trendfarbe.
So bewusst der Umgang mit Tod und Trauer auch ist, "die Angst vor dem Tod ist groß und wird es auch bleiben", sagt Trauerbegleiterin Monika Hartmann. Kornelia Himmes sieht darin auch das Positive: "Die Angst vor dem Tod ist doch nichts anderes als die Freude am Leben."
Und so wird sich auch dieses Jahr an den Totengedenktagen im November der ein oder andere von dem Gedanken an den Tod - den eines lieben Menschen oder den eigenen - berühren lassen. Denn das Leben ist endlich.Extra

Totenmonat NovemberAllerheiligen (1.11.2014) und Allerseelen (2.11.2014) sind die katholischen Feiertage zum Gedenken an die Heiligen und die Toten. Traditionell gehören dazu der Friedhofsbesuch und die Gräbersegnung. Am Volkstrauertag (16.11.2014) steht die Erinnerung an die Opfer des Ersten und Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt. Auf den Soldatenfriedhöfen gibt es Kranzniederlegungen. Oft wird das Lied "Ich hatt\\' einen Kameraden" gespielt. Buß- und Bettag (19.11.2014) und Totensonntag (23.11.2014) sind evangelisch geprägte Feiertage. Kurz vor Abschluss des Kirchenjahres stellen sie die Gewissensprüfung und die Aussicht auf das ewige Leben in den Mittelpunkt. wiw

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