Friss oder stirb: Neue Lärmschutzbereiche um die Air Base Spangdahlem

Spangdahlem/Binsfeld · Zwölf Ortschaften im Umfeld des US-Luftwaffenstützpunktes Spangdahlem sind betroffen: Das Land verändert die Lärmschutzbereiche rund um die Air Base. Damit verschieben sich die Grenzen, innerhalb derer Baugebiete ausgewiesen und Kindergärten gebaut werden dürfen. Allerdings sind die Pläne schon vor ihrer Veröffentlichung veraltet.

 Militärmaschine fliegt über Air Base Spangdahlem. Die Lärmschutzzonen sollen verändert werden.

Militärmaschine fliegt über Air Base Spangdahlem. Die Lärmschutzzonen sollen verändert werden.

Foto: Klaus Kimmling

13 000 Flugzeuge starteten oder landeten 2012 am US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem. 2010 gab es dort noch 17 000 Flugbewegungen. Der Luftverkehr und der damit verbundene Lärm rund um die Air Base verändern sich. Doch nicht nur deshalb zieht das Land die Lärmschutzbereiche (siehe Extra) rund um den Luftwaffenstützpunkt neu. Auch die Änderung des Fluglärmgesetzes macht eine Aktualisierung der Lärmschutzzonen erforderlich. "Damit will man den Siedlungsbau rund um die Air Base kontrollieren", erklärt Martin Hey, Fachgruppe Luftverkehr des Landesbetriebs für Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz. Allerdings ist der Begriff "Schutzzone" hierbei missverständlich. Denn die Bewohner der Tagschutzzonen 1 und 2 sowie der Nachtschutzzone werden nicht, wie man vielleicht meinen könnte, vor Lärm geschützt. Die Flugzeuge fliegen dort weder höher, noch sind sie leiser als außerhalb der Schutzzonen.

Innerhalb dieser ausgewiesenen Bereiche gibt es vielmehr Beschränkungen dafür, wo neue Wohnhäuser sowie schutzbedürftige Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Altenpflegeheime gebaut werden dürfen. Allerdings erhalten Bewohner der Tagschutzzone 1 finanzielle Entschädigungen für den Lärmschutz wie zum Beispiel für die Mehrfachverglasung ihrer Fenster. Kommt die Neufestsetzung, wie sie der Entwurf des Amts für Flugsicherung der Bundeswehr vorsieht, läge die Ortsgemeinde Beilingen (Verbandsgemeinde Speicher) künftig vollständig innerhalb der Tagschutzzone 1. Bislang galt dies nur für die Hälfte der Ortsfläche. "Deshalb haben wir gegen den Entwurf Widerspruch eingelegt", sagt Ortsvorsteher Michael Mohr, "Die Tagschutzzone 1 verbietet uns, Neubaugebiete auszuweisen. Damit nimmt man den Ortsgemeinden die Eigenverantwortung. Zudem beschränkt diese Festsetzung die Entwicklung unserer Gemeinde auf Jahre."Abgesenkte Grenzwerte


Die Devise laute: "Friss oder stirb", sagt Mohr und: "Dafür würden wir nicht einmal eine Entschädigung erhalten." Beilingen läge damit als einzige Ortsgemeinde vollständig innerhalb der Tagschutzzone 1. "Warum wandert nun die andere Ortshälfte auch noch da rein? Das hat uns niemand erklärt", sagt Mohr: "Es gibt doch nicht mehr Flugverkehr. Ich finde die ganze Kommunikation des LBM merkwürdig." Hey erklärt den Grund für die Vergrößerung der Lärmschutzbereiche: "Die Grenzwerte sind abgesenkt worden." Wenn der Fluglärm an einem Messpunkt lauter als 63 Dezibel ist, gehört er neuerdings in die Tagschutzzone 1.

orher bedurfte es dafür einer höheren Lautstärke, zwischen 67 und 75 Dezibel. Neben Beilingen würde sich die geplante Neufestsetzung, die sich noch im Entwurfsstadium befindet, wesentlich auf die Schutzbereiche der Ortschaften Speicher, Landscheid und Philippsheim auswirken. "Bei uns verändert es sich zum Positiven", sagt Erhard Hirschberg, Stadtbürgermeister von Speicher: "Die Tagschutzzone 1 wird kleiner."

Dafür dehnt sich dort die Tagschutzzone 2 weiter aus, ebenso wie in Landscheid und Philippsheim. Der Ortsgemeinderat Landscheid hat seine Stellungnahme zur Neufestsetzung allerdings vertagt. "Wir fühlen uns vom LBM unzureichend informiert. Auf der Karte, welche die Behörde uns vorgelegt hat, erkennt man nicht, welche Parzellen genau betroffen sind", sagt Ortsbürgermeister Ewald Heck. Im Gremium rumorte es gewaltig. "Dieser ganze Papierkram nützt eh nichts, da die Piloten augenscheinlich neben ihren vorgeschriebenen Flugrouten fliegen", sagt Ulrich Müller, Mitglied des Gemeinderats.

"Die Lärmschutzbereiche basieren auf Prognosen, welche das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr auf Basis der Flugdaten vergangener Jahre errechnet hat", sagt Hey. Deshalb sind die Prognosen nun auch schon vor der Neufestsetzung veraltet.

Denn auf TV-Anfrage bestätigt Hey, dass die Pläne, die der LBM den Ortsgemeinderäten vorgelegt hat, den geplanten Zuwachs auf der Air Base Spangdahlem nicht berücksichtigen. Die US-Streitkräfte wollen dort 1300 zusätzliche Soldaten und 20 weitere Flugzeuge stationieren. Hey: "Deshalb müssen wir die Pläne korrigieren oder komplett neu berechnen."Meinung

Vorsorge ist gut, Kontrolle aber besser!
Mit der Ausweitung der Tagschutzzone 1 bekäme Beilingen ernste Probleme. Dann dürften dort keine neuen Baugebiete mehr ausgewiesen werden. Deshalb beklagt Ortsbürgermeister Michael Mohr zu Recht, dass den betroffenen Kommunen ihre Selbstverantwortung mit der Eingruppierung entzogen werde. Das Bundesgesetz zum Schutz gegen Fluglärm verweigert den Kommunen im Namen des "vorsorglichen Gesundheitsschutzes" jeglichen Handlungsspielraum und gefährdet ihre Entwicklung. Vorsorge ist gut, Kontrolle aber besser. Doch diese wird den Räten mit den Beschränkungen innerhalb der "Schutzzonen" entzogen. c.moeris@volksfreund.deExtra

Innerhalb des 15 Kilometer langen und 4,5 Kilometer breiten Lärmschutzbereichs rund um den US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem gibt es drei Lärmschutzbereiche:
Tagschutzzone 1: Dort ist es lauter als 68 Dezibel (vormals 75 Dezibel). Dort dürfen keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden. Bauherren müssen Lärmschutzmaßnahmen treffen, für die sie jedoch finanzielle Entschädigungen erhalten. Schutzbedürftige Einrichtungen wie Krankenhäuser dürfen dort nicht gebaut werden.
Tagschutzzone 2: Dort ist der Fluglärm lauter als 63 Dezibel (ehemals 67 bis 75 Dezibel). Schutzbedürftige Einrichtungen dürfen dort nicht gebaut werden.
Nachtschutzzone: Orte an denen mehr als sechsmal pro Tag ein Fluglärm lauter als 57 Dezibel oder durchschnittlich 55 Dezibel gemessen wird. Kindertagesstätten dürfen dort gebaut werden. Wohnungen und Altenheime erhalten dort keine Genehmigung. cmo

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