64. Prümer Grundschulforum: Inklusion als Chance für eine offene Gesellschaft - Jedes Kind wird individuell betrachtet

Prüm · An zwei Tagen hat die pädagogische Beraterin Wiltrud Thies die Bertrada-Schule in Prüm besucht. Beim 64. Grundschulforum stellte sie ihr Inklusionskonzept vor, bildete Lehrer fort und las den Kindern vor.

Pädagogik ist kein starres System. Jahr für Jahr gibt es neue Erkenntnisse der Forschung, die oft zügig im Schulalltag umgesetzt werden sollen. Seit 1988 versucht das Kollegium der Bertrada-Grundschule diesen Entwicklungen gerecht zu werden und lädt teils mehrfach im Jahr zum Grundschulforum ein.

Im 64. Durchgang besuchte jetzt zwei Tage lang die Schulberaterin Wiltrud Thies die Abteistadt - sowohl für einen Vortragsabend als auch für eine Schulung der Lehrer und eine Lesung mit den Kindern.

"Auch wenn wir schon 1988 zur Schwerpunktschule wurden, also einige Erfahrungen haben im gemeinsamen Unterrichten aller Kinder: Inklusion ist auch bei uns noch ein wichtiges Thema und ein Baustein, an dem wir weiter arbeiten", sagt Schulleiter Arnold Gierten. Dabei ist der gemeinsame Unterricht von allen Kindern längst Alltag in der Prümer Schule. Aktuell werden dort 13 Kinder mit sozialpädagogischen Förderbedarf unterrichtet.

"Mit der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2009 hat jedes Kind ein Recht darauf, nicht nur an einer Förderschule zu besuchen, sondern eben auch an jede andere. Die Frage ist also nicht ob Inklusion umgesetzt wird, sondern nur noch wie", sagt Wiltrud Thies.

Und genau diese Frage müssten sich alle Lehrer stellen. Sie formuliert sechs Bausteine zur Umsetzung: eine Willkommenskultur, guter Unterricht in gemischten Gruppen, Teamgeist unter den Lehrern, eine Partnerschaft mit Eltern, Kooperationen mit außerschulischen Einrichtungen und eine regelmäßige Untersuchung bestehender Ressourcen. "Schule ist eine Baustelle, die stetig vorangeht und nie ruht."

Nach Vorstellung ihres Konzepts vor einem Fachpublikum und interessierten Eltern am ersten Besuchstag hat sie auch auf kritische Fragen zu reagieren. "Ein Förderschulwesen, so ausgeklügelt wie wir das hatten, ist woanders nicht zu finden. Das wird nun zerstört", fürchtet ein pensionierter Kollege. Tatsächlich gebe es in Deutschland eine gute Förderschulstruktur, man solle aber bedenken, dass viele Kinder den Besuch einer solchen Schule als "beschämend" empfänden, kontert Thies. Förderschulen unterstützten die Kinder gut, seien gesellschaftlich aber eben nicht voll akzeptiert. Allerdings müsse der Kindeswille bei der Schulwahl abgewogen werden, räumt sie ein.

Jüngst habe beispielsweise eine Mutter ihren Sohn nicht an der Bertrada-Grundschule angemeldet, sagt Gierten. Ihre Erklärung: Sie habe erkannt, dass der Besuch einer Regelschule mehr ihr Wunsch war als der ihres Kindes. "Das gibt es eben auch."
Ob besonders begabte Kinder bei der Inklusion nicht zu kurz kommen würden, will eine Zuhörerin wissen. "Nicht wenn jeder individuell betrachtet und unterrichtet wird", sagt Thies. Die Kinder hätten kein einheitliches Lernziel, es werde für jedes Kind einzeln formuliert. Im Unterricht sei das ein Gewinn: "Kinder lernen ja auch auch von Kindern." Die Zusammenarbeit könne so auch der Weg zu einer offeneren und toleranten Gesellschaft sein.

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