Ein Riesling-Jahrgang wie aus dem Bilderbuch - Moselwinzer freuen sich über hervorragende Qualitäten

Bernkastel-Kues/Trier · Die Rieslinglese an Mosel, Saar und Ruwer ist in vollem Gange. Die vergangenen zwei Wochen waren für die Reifeentwicklung der Trauben ideal. Die Winzer erwarten einen hervorragenden Jahrgang mit Spitzenqualitäten.

Ein Riesling-Jahrgang wie aus dem Bilderbuch - Moselwinzer freuen sich über hervorragende Qualitäten
Foto: Klaus Kimmling
Ein Riesling-Jahrgang wie aus dem Bilderbuch - Moselwinzer freuen sich über hervorragende Qualitäten
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Es ist ziemlich frisch draußen im Weinberg. Gerade einmal ein Grad über Null zeigt das Thermometer gestern Morgen gegen 9 Uhr an. Das gibt kalte Finger bei der Traubenlese. Doch diese Widrigkeit nehmen die Winzer gerne in Kauf. Denn kalte Temperaturen bedeuten, dass sich kaum schlechte Fäulnis entwickelt, die Beeren noch etwas reifen können und besonders aromatisch schmecken.

Der spätreifende Riesling ist mit einem Flächenanteil von 60 Prozent die wichtigste Rebsorte im 8700 Hektar großen Weinbaugebiet Mosel, Saar und Ruwer. Er profitiert besonders von diesem sonnig, kühlen Oktoberwetter. Jetzt wird es aber Zeit für die Ernte, denn niemand weiß, wie sich das Wetter in den kommenden zwei, drei Wochen entwickelt. Bis Ende Oktober wollen die meisten fertig sein.

Vielleicht ein Jahrhundertwein

Die Winzer sind mit der Qualität mehr als zufrieden. Es gibt sogar Stimmen, die sagen: "Das könnte ein Jahrhundertwein werden."

In der Lage Zeltinger Sonnenuhr ist die kleine Lesemannschaft von Winzer Peter Ehses fleißig bei der Ernte. Vor acht Tagen hat er mit der Rieslinglese begonnen. Noch bis Ende dieser Woche, dann hat er die Trauben "drin". Die Mostgewichte - das Maß, in dem der Zuckergehalt der Trauben gemessen wird - sind hervorragend. Sie liegen deutlich über 80 Grad Oechsle.

Weinkunden helfen Peter und Sonja Ehses bei der Lese. Doreen und Timo Schink sind aus Karlsruhe angereist. Sie kommen schon seit zehn Jahren nach Zeltingen in die Weinlese. "Das ist Aktivurlaub im allerbesten Sinn", sagt Doreen Schink, die normalerweise im Büro arbeitet. Sie genießt die frische Luft und den Blick auf die Mosel. Auch das belgische Ehepaar Lina und François Doelen aus Antwerpen sind fleißige Erntehelfer bei der Familie Ehses. "Die Arbeit ist nicht einfach, aber sie macht sehr viel Spaß", sagt sie.

Ein paar hundert Meter weiter, in der Weinlage Zeltinger Schlossberg, steht Winzer Leo Kappes mit sechs Helfern im Weinberg. Die Freude über die sehr guten Qualitäten ist ihm anzusehen. "Vor zwei Wochen hat die Welt noch etwas anders ausgesehen", sagt Kappes. Es war warm und regnerisch, die Winzer befürchteten ein ähnliches Desaster wie im vergangenen Jahr, als die Trauben sehr schnell faulten und alles sehr schnell gehen musste. Damals waren um diese Zeit die Weinberge bereits gelesen.

Auch in diesem Jahr gibt es einige faule Beeren. Diese sind aber wie Rosinen eingetrocknet. Werden sie sortiert, kann aus ihnen Beeren- oder sogar Trockenbeerenauslese gewonnen werden.

Auch in der Top-Lage Ürziger Würzgarten sind die Trauben noch größtenteils gesund. Winzer Markus Berres schränkt aber ein: "Im Sommer war es in dieser Lage etwas zu trocken, sonst hätten wir jetzt sogar noch höhere Mostgewichte.

Ideale Säurewerte

Markus Molitor, Bernkastel-Wehlen, Inhaber eines der berühmtesten und größten Weingüter an der Mosel, sagt: "Wie haben für unsere Verhältnisse schon relativ früh mit der Rieslinglese begonnen. Es gibt von Parzelle zu Parzelle sehr große Reifeunterschiede." 40 Erntehelfer sind derzeit für das Weingut im Einsatz.

Molitor freut sich nicht nur über die hohen Mostgewichte, sondern auch über die idealen Säurewerte. Molitor: "Ein Most mit 100 Grad Oechsle und zehn Gramm Säure - besser kann es kaum sein." Er rechnet auch mit Beeren- und Trockenbeerenauslesen. Solche seltenen Weine erzielen bei den Versteigerungen höchste Preise.

Die Einschätzung der Winzer hinsichtlich der Qualität wird von amtlicher Seite bestätigt. Michael Lipps, Weinbauberater beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Bernkastel-Kues, hat gestern die neuesten amtlichen Reifemessungen erhalten. Der in Oechslegrade gemessene Zuckergehalt der Trauben (Mostgewicht) lag Anfang dieser Woche im Schnitt beim Riesling bei 89 Grad. Allerdings gibt es von Lage zu Lage große Unterschiede. In flachen Lagen, also dort wo die Sonneneinstrahlung geringer ist, wurden um die 70 bis 75 Grad gemessen, in den Top-Lagen hingegen über 100 Grad. Lipps: "Die Spanne ist sehr breit." Sicher ist: Es wird in diesem Jahr viele Spät- und Auslesen geben. Solche Weine sind in Durchschnittsjahren eher dünn gesät.

Die Winzer brauchen aber auch sogenannte Guts-Rieslinge - frische, unkomplizierte Weine, die sich jedermann leisten kann. Lipps ist überzeugt: "Gutsrieslinge mit 75 bis 80 Grad Oechsle - das sind schon feine Weine. Da können sich die Verbraucher schon jetzt drauf freuen."

Die flachen Rieslinglagen bringen nicht die hohen Qualitäten, dafür aber, wie auch in diesem Jahr, in der Regel höhere Erträge. Die tiefgründigen Böden sorgen für eine bessere Wasserversorgung der Reben - was sich in diesem Jahr besonders ausgewirkt hat. Lipps schätzt, dass in solchen Lagen die Erträge im Schnitt bei 100 Hektoliter pro Hektar liegen, während in den viel besseren Schiefer-Steillagen die Erträge deutlich niedriger sind.

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